Die Heinzelfrauchen (Tückische Weibchen )

Nach der traurigen Mär vom gelben Mariechen will ich nun eine heitere Geschichte erzählen, die auch mit Heepen zu tun hat. Ich schwöre, sie ist wahr (allerdings überkreuze ich dabei meine Finger hinter dem Rücken.)

Wildgewächs mit H 1 und 2

Wer kennt nicht den Vers: Wie war es doch in Köln vordem
mit Heinzelmännchen so bequem.
Da muß man dann sagen: Wie wars in Bielefeld vordem mit Heinzelfrauchen gar nicht schön!

Tja, was war das für eine schöne Zeit, als noch die freundlichen und hilfsbereiten Heinzelmännchen die Erde bevölkerten. Sie waren die Freunde der Menschen und nahmen ihnen manchen schwere Arbeit und manche schwere Sorge ab. Weiß denn aber einer, daß es auch Heinzelfrauchen gab? Doch im Gegensatz zu den Heinzelmännchen waren dies tückische, kleine Wesen, die nur Schabernack trieben und nichts weiter im Sinne hatten, als die Menschen zu ärgern.

Sie ließen die Milch überkochen und den Brei anbrennen, sodaß die Frauen eine Stunde brauchten, um den Herd wieder blank zu putzen. Sie ließen die Frauen über den Besen stolpern, wenn sie fegten. Stickte ein junges Fräulein an einem feinen batistenem Hemdchen, so ließen sie sie in den Finger stechen, und das rote Blut verdarb die Arbeit und den schönen Stoff. Einmal vertauschten sie der Frau Pfarrer den Zucker mit dem Salz. Und als die Familie am Tisch saß und den leckeren Vanillepudding essen wollte, da wurde allen speiübel davon. Am schlimmsten aber haben sie es mit Änne, der armen Bäuerin getrieben. Hatten sie doch deren Kuh einen Zentner Himbeeren ins Futter gemischt, und als die Frau am Abend ihre Liese melken wollte, da kam nur Himbeersaft aus dem Euter. Die Heinzelfrauchen aber sielten sich erst im Schlamm und hüpften dann, so dreckig wie sie waren, in die frisch bezogenen Menschenbetten. Es war ein Graus mit diesen häßlichen, runzeligen Weiberchen. Ihre Bäckchen waren rot wie ein verhutzeltes Äpfelchen, die Stupsnäschen trugen sie keck in die Luft, und die Haare waren zu einem dicken Zopf senkrecht auf dem Kopf geflochten, so daß es aussah, als ob sie einen Stiel hätten. Die krummen, kurzen Beinchen versteckten sie unter weiten Röcken mit 7 bis 9 Unterröcken darunter. Von früh bis spät trieben sie nur Unfug. Und auch des nachts gaben sie keine Ruhe. Da krakelten und tanzten sie auf den Tischen herum.

Eines Tages nun wurde im Land ein großes Fest angekündigt. Die Tochter des Grafen sollte einem edlen Jüngling zur Frau gegeben werden. “Hei juchhe hihi, das soll auch für uns ein großes Fest werden”, kicherten die Heinzelfrauen. Und vor Tücke und Bosheit strahlend faßten sie sich an den Händen und hopsten im Kreise herum. Einen richtigen Schlachtplan dachten sie sich aus. Und als der Tag herankam, da passierte es nun. Zuerst stolperte die Braut in der Kirche über ihre lange Schleppe, dann fand der Bräutigam die Ringe nicht, der Pfarrer hatte anstatt seines schwarzen Käppis eine Kochmütze aufgestzt und der Organist hatte die Noten verwechselt, und statt des Hochzeitsmarsches spielte er “Hänschen klein”.

Altar mit Brautpaar

Beim Hochzeitsmahl hatten sie Essig statt Wein in die Flaschen getan, eine ganze Horde kleiner Weibchen zerbröselte die wunderschöne Hochzeitstorte, und in der Hochzeitsnacht brach — krach!!– dem jungen Paar das Bett entzwei. War das ein Gewisper und Gekicher im ganzen Land. Die schadenfrohen Wichtelweibchen hielten sich die Bäuche vor Lachen.

Da sannen die Bürgersfrauen auf Rache. Sie versammelten sich in der Schule und berieten, was sie gegen die Plagegeister tun könnten. Leibhaftig sehen und greifen konnte man sie nicht. Denn jedesmnal, wenn ein menschliches Wesen sich näherte, zogen sie sich an ihrem Stengelzopf in die Luft und waren verschwunden. Nur, wenn sie in den Spiegel schauten, und das taten sie, wie alle Frauen gern, blieb ihr Bild darin stehen. Und nur deshalb wußte man überhaupt, wie sie aussahen. Wie konnte man sie fangen? Das war die Frage. Eines wußte man, sie naschten gerne Honig. Das sollte ihnen zum Verderben werden. So wählte man nun ein altes Mütterchen aus, das selber schon recht klein und krumm geworden war. Es zog sich 10 weite rote Röcke an und flocht sich auf dem Kopf einen Zopf nach Wichtelart. Amanda, so hieß die Alte, setzte sich nun um Mitternacht auf den großen Eßtisch und wartete. Und richtig, kaum hatte die Uhr zwölf geschlagen, da kamen sie aus allen Ecken und Enden angekrochen. Sie schupperten witternd mit ihren Näschen und kletterten dann die Tischbeine hoch. Als sie Amanda sahen, meinten sie, es sei ihre große Großmutter und fingen an zu kreischen und zu tanzen noch ausgelassener und lauter als sonst. Da zog Amanda eine flache Schüssel unter ihren Röcken hervor, die voll von goldgelben Honig war. Sofort fingen die Heinzelfrauchen an zu lecken und zu schlecken. Sie schubbsten sich wie junge Hunde und tauchten ihre Zünglein in die Schüssel.

Heinzelfrauchen Honig 2

Aber sie wußten nicht, daß der leckere Honig mit Leim vermischt war. Und als sie es merkten, war es zu spät. Ihre Mäuler klebten in der Schüssel fest. Und sie waren gefangen. Am nächsten Morgen trug Amanda die Schale auf den Marktplatz und alle Leute versammelten sich und klatschten in die Hände. Die Heinzelfrauchen strampelten mit den Beinen, jammerten und schrieen, aber es nützte ihnen garnichts. Die Schale wurde auf einen Leiterwagen gesetzt, lustig trabten die Pferdchen an, und in einem großen Umzug mit Fahnen und Musik wurde die Schale vom Marktplatz hinaus ins Niemandsland gefahren, in den 5. Canton, wie die alten Bürger etwas abfällig den grünen Winkel, im Schatten der Heeper Fichten nannten. Hier am Töpkerteich hat sie lange im Gras gestanden. Und dann …. haben sich die Heinzelfrauchen selber in Grünzeug verwandelt. Aus der, die immer die Frauen gestochen hat, ist eine Distel geworden. Und die, die den Brei anbrennen ließ, wurde zur Brennessel. Die, die mit ihren scharfen Zähnchen die teuren Kleider zerriß, wurde zum Löwenzahn. Und so entstanden auch der Hexenbesen und der Teufelsbart, die Stechpalme und die Mispel, der Feuerdorn und noch viele, viele andere. Zwar sind die kleinen Heinzelfrauchen nun verschwunden, aber die Pflanzen, zu denen sie geworden sind, stechen und brennen und ärgern die Menschen auch noch heute.

Heeper Teich

Aber nicht genug damit. Einmal im Jahr, nämlich in der Johannisnacht, da verwandelt sich das Grünzeug wieder in Heinzelfrauchen, denn die treibt es auf den Kirmesplatz, wo sie heimlich Achterbahn fahren, das Karussel saußen lassen, in der Geisterbahn ihr Unwesen treiben und auf der Radrennbahn Wettrennen veranstalten.

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