Liebe Märchenfreunde

Liebe Märchenfreunde,

Leider ist unsere Großmutter Karla Keitel, die Schöpferin dieser wundervollen Märchen über Bielefeld und andere Orte, kürzlich verstorben.
Es wird also keine weiteren Geschichten und Fabeln mehr von ihr geben.

Wir werden sie immer in liebevoller Erinnerung behalten,

ihre Enkel

Kleine Nachlese

1,2,3 Fasching ist vorbei, Kleine Nachlese Titel
Donnerstag haben die Weiber getobt, Freitag wurd’ in den Bütten
gelobt.
Am Nelkensamstag gab es Fêten, am Tulpensonntag noch mehr Reden.
Rosenmontag, wie in allen Jahren, sind die großen Züge herumgefahren.
Veilchendienstag hat man sich nochmal getroffen und zum leztenmal
richtig gesoffen.
Bis Aschermittwoch wurd’ dann der „Nubbel“ verbrannt, und alle Laster
sind damit verbannt.
Da hab’ ich gedacht, das wär’ doch gelacht und hab’ mir ’nen eigenen
Nubbel gemacht.
Im Gänsebräter tat ich ihn zünden und wähne nun mich frei aller
Sünden.
Jetzt wart’ ich gemütlich auf die nächste Feier, dann suchen wir alle
Ostereier.
Schönen Gruß, Euer Lumpi.

Nubbel

n

Lumpi in Omas Jugendzeit.

 

40 Oma mit Kindern blau

 

Jetzt erzähle ich eine Lumpigeschichte für die Omas und
deren Mütter. Ironisch möchte ich sagen, auch zum
Mitsingen geeignet, denn die Worte und Melodien haben
sich leider unlöschbar in unsere Hirne eingenistet.

l Lumpi in Omas ZeitIt

Lumpi ist nicht allein auf der Welt, auch Oma wohnt in Bielefeld,
Als er in den ersten Jahren noch so klein und unerfahren,
brauchte man nicht lange bitten, Oma kam zum Babysitten.
Heut’ will Lumpi sie besuchen, er hofft es gibt Schok’ladenkuchen.
Oma sitzt nicht mit Strickzeug da, grad chattet sie mit Eva in Amerika.
Ganz nahe ist er nun gerückt und hat seinen Stift gezückt,
hat sein Notizbuch mitgebraucht, denn er hatte sich gedacht:
„Kenn Länder, Meere, Himmelzelt, doch Du hast mir noch nie erzählt,
wie es so war, als Du mal klein, das wird doch sicher spannend sein.

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Ort und Zeit vergehen im Traum, er sitzt in Omas Klassenraum.
Da hocken sie alle brav und still, Hände gefaltet, wie Lehrer es will.
Mit sauberer Schürze und Schleife im Haar scheint es alles wunderbar.
Nachmittags wird in diesen Jahren gern mit dem Wipproller rumgefahren.

 

40 meine Klasse

 

Zum Luisenbund geht man hin und wieder und singt als Kornblümchen
Kinderlieder.
In blauem Kleid macht man Ringeltanz und trägt aus dem Kopf einen
Kornblumenkranz,
denn dieses bescheidene kleine Ding war die Lieblingsblume der Königin.
“Die Blümelein sie schlafen schon längst im Mondenschein”.
Und wir sind lieb und arglos, wir sind ja noch so klein.

Kornblümchen

Damals war`s ein unruhig Leben. Es hat etwa 30 Parteien gegeben.
Es gab keinen, der sie friedlich vereint, denn alle waren sich spinnefeind.
Die Not im Land ist riesengroß, das halbe Volk ist arbeitslos-
Als Lumpi am Jahnplatz spazieren gegangen, da hat plötzlich eine
Schießerei angefangen,
und einer schreit ganz außer Atem:
“Licht aus , Messer raus, Noske kommz mit Handgranaten!!”
Lumpi hat sich sehr erschreckt und sich im Mertenshaus versteckt.
Als wieder Ruhe, sah der Tropf zwei Einschußlöcher neben seinem Kopf
Was Wunder, wenn er sich gedacht, es muß einer kommen, der da
Ordnung macht.

(Noske war als Minister zuständig für das Mlitär)

42 Straßenschlacht fertig

Nach Berlin an einem Wintertag fährt Lumpi mit dem alten Hanomag,
um seine Tante zu besuchen und freut sich auf den Geburtstagskuchen,
doch am Brandenburger Tor geht’s weder rückwärts oder vor.
Lumpi kann es garnicht fassen, riesengroße Menschenmassen
und Polizei, übergenug, schauen auf einen Fackelzug.
Hitler hat’s zum Kanzler gebracht, nun ergreift er seine Macht.

31

Und auf einmal ändert sichs allerorten, aus Kornblümchen sind
Jungmädel geworden.
Weihevoll, wie’s einer Taufe gleicht, wird der lederne Knoten gereicht.
Und man singt am lodernden Feuer im Chor: „Flamme empor.“
Feuer hat große Bedeutung bekommen, es ist dem heidnischen Glauben
entnommen.

Flamme empor

Was für Kartoffeln und Boskoop vom Baum, das wird auf einmal zum
Luftschutzraum.
Üben mit Gasmaske ist gefordert, der Luftschutzwart hat’s angeordnet.
So tapst Pimpf Lumpi blind herum und findet das gewaltig dumm.
Sand und Wassereimer stellt man bereit, aber, es war noch nicht so weit.

Gasmaskenprobe

Sonntags gibt’s keinen Braten mehr, es muß ein Eintopfessen her.
Ob Erbsen- oder Graupensuppe, das war dem Führer wirklich schnuppe.
Er geht uns, wie man sehen kann, mit gutem Beispiel stets voran.

eintopf

Alleweil ist man dann bereit, für’s WHW ist immer Zeit.
Man läßt die Sammelbüchsen rasseln, auf daß die Groschen darein
prasseln.
Man steckt den Spendern Bildchen an, so sieht man, wer es nicht getan.
Lumpi will mit trommeln stützen, mag’s der Winterhilfe nützen.

40 Hitler WHW Sammeln

Den Samstag man besonders mag, denn der ist nun Reichsjugendtag.
Man büffelt nicht mit großem Ziele, man macht im Wald Geländespiele.
Heut keine Mühe keinen Frust, wir danken es dem lieben Rust.
Ein jeder kraxelt so gut er kann, man hat ja ’ne Kletterweste an.
Den Wimpel klaun gilt die Bemühung. Das Ganze nennt man
Wehrerziehung.
Verdreckt und müde dann am Ziel, doch noch gibt es genug Persil.

(Rust war Reichsminister für Wissenschaft und Erziehung)

Geländespiele

Allein die Hymne tuts nicht mehr, Horst Wessels Lied muß hinterher.
„Die Fahne hoch, die Reihn geschlossen, SA marschiert mit festem Tritt.
Und jene, die man hat erschossen, marschieren dann im Geiste mit.“
Es wird ein Fahnenkult getrieben, seine Fahne muß man lieben.
„ Unsre Fahne flattert uns voran, in die Zukunft ziehn wir Mann für Mann.
Die Fahne führt durch Nacht und Not, die Fahne ist mehr als der Tod.“
Müssen wir das wirklich glauben, will man uns die Zukunft rauben?
Doch solch Denken liegt uns fern, wir haben uns’re Fahne gern.
Und wir grüßen, wie man muß, ordentlich mit Führergruß.

(Horst Wessel ist übrigens in Bielefeld geboren.)

40 Fahnengruß

Weimar ist groß in Mode gekommen, er hat im Elephant Quartier
genommen,
Massen schreiend vor’m Hause stehn: „Wir wollen unsern Führer sehn!“
Wir haben ja keinen Kaiser mehr, als Volksidol muß er nun her.

40 Hitler elefant 2

Ein Deutscher spricht Deutsch! Ein jeder Gesell!
Fremdwörter sind verboten, das ist ein Befehl!
Früher war den Leuten klar, ein Pasant geht auf dem Trottoire.
Ein Zug wird auf dem Perron erwartetm, man stegt ins Cupé,
und das Bähnlein startet.
Heut steht man auf dem Bahnsteig und steigt ins Abteil,
statt dem Konteur hält man dem Schaffner die Fahrkarte feil.
Das Kaschnee trägt man als Halsumhang, und das Chaiselongue
ist eine Liegelang.

Liegelang

Da Konfirmationen altmodisch seien, gibt es nun die Jugendweihen.
Auf Führer und Reich schwört man sich ein und gelobt, dem Volk ein
Genosse zu sein.
Jungs bekommen – was dem Ritterschlag gleicht – ein heilig zu haltendes
Messer gereicht.
Kirchliche Hochzeit sei Bürgerkrampf. Im Standesamt gibt es statt Bibel
„Mein Kampf“.
Doch Göring gibt Emmy mit Pomp den Ring, und sie ist nun unsere Königin.
In der Schorfheide siedelt der gute Mann eine Auerochsenherde an.
Als ob, meint Lumpi, in den braunen Sphären nicht schon genügend Ochsen
wären.

i42 Göring mit Wisent

 

Lumpi findet’s allerhand, ein Hetzbild an der Kirchenwand.
Der Stürmer hört nicht auf zu schreien, daß Juden unser Unglück seien.
An jeder Wand sieht jedermann sich schreckensvolle Fratzen an.
Es sei der Satan, der uns quält, so hat der Stürmer uns erzählt.
Die Hetze ist kaum noch zu nennen, und plötzlich Synagogen brennen.
Man hat’s gesehen und gehört, und alle Leute sind verstört.

42 Stürmer

Hast du denn auch solche Juden gekannt? fragt Lumpi und ist ganz
gespannt.
Meine beste Freundin war Hella Horn, als 3/4-Jüdin ward sie gebor’n.
Als tüchtiger Arzt war ihr Opa bekannt und hochgeachtet im ganzen Land.
Da sind die braunen Gesellen gekommen, haben die Praxis ihm
weggenommen,
haben verfolgt ihn und geschmäht….und eines Tages war es zu spät!
Man verlieh ihm im Weltkrieg das “Eiserne Kreuz”
Jetzt hängt er sich auf am Fensterkreuz!

(Nicht nur Ärzte, Anwälte usw. auch alle Geschäfte wurden
zerstört und geplündert und die Kaufleute enteignet.)

 

42 Judengeschaft

Lumpi will ins Kino gehen, möchte den tollen Rühmann sehn.
Was ist denn grad im Angbot?“ „Es gibt heut „Quax, der Bruchpilot.“
Doch der Besuch wird schnell vertagt, Heimabend ist jetzt angesagt.
Die Mädchen sitzen all im Rund in ihren Jacken schwarz, rot, bunt.
Sie üben sich in Sang und Sing, doch ihr Interessse ist gering.
Der Geist steigt nicht empor zu Sternen, man muß die Geburtstage der
Gauleiter lernen.

42 Heimabend Bild

Und plötzlich ist auf einmal Krieg, die Wochenschau zeigt Sieg für Sieg
Vom Volksempfänger informiert, das ganze Volk nun jubiliert.
Man singt ganz außer Rand und Band:
„Bomben, Bomben, Bomben auf Engeland.“
Man sagt, wir seien ein Volk ohne Raum, also erfüllen wir den Traum
und lassen die Pferdchen gen Osten traben. Wir wollen die Kornkammer
Ukraine haben.
„Von Finnland bis zum Schwarzen Meer
vorwärts nach Osten du stürmend Heer.
Freiheit das Ziel, sieg das Panier,
Führer befiel, wir folgen Dir!“
In Kiew ist Deutsche Reiterei, ich glaube, Lumpi wär gerne dabei.
Wir haben schulfrei, ach wie schön, so könnte es doch weitergehn.

42 Kiev

 

Doch bald zu merken , leider, so geht’s dann nicht mehr weiter.
Es gibt weder Kaffee noch Schokolade, wir haben die Kontinentalblockade.
Die Volksernährung muß nun starten mit bunten Lebensmittelkarten.
5o Gramm Brot gibt es pro Tag und 5 Gramm Fett, wenn man es mag.
Fleisch gibt’s im Monat ein halbes Pfund. Wer sagt denn da: „Na, wie
gesund.“
Bezugsscheine gibt’s für Kleider und Schuhe, vor Modefimmeln hat man
Ruhe.
Uns’re Klasse schreibt im Crüwellhaus Scheine für Seife und Waschmittel aus.

Lebensmittelkarte

Lebensmittelkarte für einen Monat
für Jugendliche von 6 bis 18 Jahren.

Im Winter frier’n uns die Nasen ab, denn Holz und Kohlen sind sehr kapp.
Die Klassenzimmer sind eisekalt, wir hocken in Mänteln und zittern halt.
Zöpfe sind nicht mehr gefragt, Olympiarolle ist angesagt.
Soll beim Frisör die Frisur gelingen, muß man 3 Briketts mitbringen.
Und an den Wänden, schaut nur genau, da klebt ab jetzt der Kohlenklau.
Wen wundert, wenn die Menschen frieren, daß sie dann selbst organisieren.

40 Kohlenklau Bild

Lumpi hat das nicht erwogen, er wird als Flakhelfer eingezogen.
Und er bedient bei Tag und Nacht zur Fliegerabwehr die 8 Komma 8.
Am Schloßhof hat er Stellung besetzt , wird später an die Front versetzt.
Der Krieg ging so allmählich schief. Aus Stalingrad kam sein letzter Brief.
Dann hat man von Lumpi nichts mehr gehört, ob er wohl jemals wiederkehrt?

Flakhelfer 8,8

Hauchstrümpfe kann man nirgens mehr kaufen. Da werden wir eben
barfuß laufen.
Man muß da nur erfinderisch sein, man malt mit Farbe ’nen Strich auf’s Bein
Autos fahr’n nicht, es gibt kein Benzin, und Pferde müssen Kanonen ziehn.
Tanz ist verboten, fällt nicht schwer, es gibt ja daheim kaum Männer mehr.
Nun sind auch noch die Kinos geschlossen, das hat uns nun doch verdrossen.
Mit „Kraft durch Freude“ Reisen machen, darüber kann man nur noch lachen.
Doch das kommt ja wieder – nach dem Sieg – wir wollen den totalen Krieg!

 

Bild

 

Den Vätern gehn langsam die Kugeln aus, die Mütter drehen Granaten
zuhaus,
die Kinder sammeln überall zentnerweise Altmetall.

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Nach dem Abi kommt erst mal der Bescheid, nun wird man eine Arbeitsmaid.
Beim Bauern schuften von früh bis spat, damit das Volk was zu essen hat.
Das ist sozial. Darüber läßt sich nicht streiten. Plakate versprechen herrliche
Zeiten.
Und wenn man Glück hat hier auf Erden, kann man danach noch
Blitzmädchen werden.
Als Funker große Ehre erwerben, oder an der Front den Heldentod sterben.

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Der Krieg dauert schon 6 Jahre lang, immer begleitet von hehrem Gesang.
„Wir werden weiter marschieren, bis alles in Scherben fällt,
denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.“
Wir müssen uns wohl korrigieren, wir werden den Krieg verlieren.
Nur der Deutschlandsender die Lage berichtet, und die wird von Dr.
Goebbels „erdichtet“.
BBC zu hören gilt strenges Verbot, und wird bestraft gleich mit dem Tod.
Sonntags bringt’s Radio Wunschkonzert. Was wird denn da so angehört?
Spieß Schmidt hört, daß er nun Drillinge hat, und bei Müllers fand eine
Hochzeit statt.
Die Lale singt von Lilli Marlen, und Zarah weiß, daß Wunder geschehn.
„ Vor der Kaserne, vor dem großen Tor
stand eine Laterne und steht sie noch davor.“
In der ganzen Welt ist das Lied erklungen, wehmütig haben’s Freund und
Feind gesungen.
„ Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn,
und ich weiß, daß wir uns wiedersehn.“
Dies hat bei Millionen Hoffnung erweckt. Die Propaganda im Reich ist
einfach perfekt,
sie wird durch winzige Röhren vermittelt in dem Kasten, der ” Göbbels Schnauze” betitelt .

Bild

 

Junge Lehrer sind alle im Feindesland, uns lehrt ein Greis im Ruhestand.
“Morgen,” sagt er, “macht Euch bereit, 1.Stunde Mathearbeit!”
Sorgenlos denken wir, woll’n mal sehn, die Schule beginnt bestimmt erst um 10,
denn sind die Bomber nach 12 überm Haus, fallen die ersten 2 Stunden aus.
Was soll man sich in diesen Tagen mit Vektoren und Integralen plagen.”
Mist, 20 Uhr, wer hätt’ es gedacht, sie kommen schon vor Mitternacht.
Vollalarm jetzt die Sirene gellt, der Funk meldet Anflug auf Bielefeld !!

Bomber mit christbaum

 

Wir mußten alle Ritzen verdunkeln, während am Himmel die Lichter funkeln.
Unzählige Christbäume erhellen die Nacht, der Weihnachtsmann hat sie
nicht gebracht.
Wir sitzen im Keller und bibbern vor Schrecken, versuchen die Angst zu
überdecken,
und gröhlen lautstark falsch oder klar: „Wir lagen vor Madagaskar.“
Und plötzlich gehen die Lichter aus, es flog eine Bombe auf das Haus.

Bild

 

Man hat auf Entwarnung vergebens gelauert, die Nacht hat in Ewigkeit
fortgedauert.
Es hat nach Brand und Zement gerochen, und als der Morgen angebrochen,
da rieselte überall der Schutt, und das Haus und die Stadt und das Land
sind kaputt!

 

24 Zerbombt

Lumpi war so müd’ gewesen, hat schlafend auf dem Stuhl gesessen.
Das Ende hat ihn so erschreckt, die Oma hat ihn aufgeweckt,
was war er froh nach all dem Graus , daß dieses

Abenteuer aus.

p.s. Später meinte er:
„Ich kann am Ende nur noch sagen, man sollte mal die Alten fragen,
Kann man durch ihre Brille sehn, wird man ihr Leben erst verstehn.“

Lumpi im Reiche der Stoffe

29 Titel Lumpi Stoffe

Lumpi sitzt vor seinem Haus, seine Freundin schaut heraus.
Und er denkt: „Ich müsste eben dem Kind mal einen Namen geben.
Sie ist so lieb und so patent, doch keiner ihre Herkunft kennt.
Sie ist so fremd und doch so nah, ich nenn’ sie einfach Barbara.
„Das wird gefeiert, mach Dich schön, wir wollen jetzt zu Nico gehn.“
„Ach je, da kann ich doch nicht hin, ich hab doch gar nichts anzuziehn.“
„Lumpi denkt: „So sind die Frauen, da wollen wir doch nun mal schauen.“

29 Fenster mit Baum

Wo nehmen denn von alters her Weibsbilder ihre Kleidung her.
Als Eva in die Welt gekommen, da hat sie nur ein Blatt genommen.
Doch war das Grün vom Feigenbaum nicht grad nach ihrem Modetraum,
denn abgesehen, dass es welkt, auch nicht gerade warm sie hält.
So haben Frauen nachgedacht, woraus man was zum Anzieh’n macht.

29 Eva mit Blatt

Und dort wo stets die Sonne sticht, da braucht man warme Kleidung nicht.
Die Frauen geh’n da nackend fast mit einem Röckchen nur aus Bast.
Und in der Südsee kleiden Leute in dieser Art sich auch noch heute.
Das Äffchen denkt für sich: „Nanu, gehört die Kleine denn dazu?
Willst Du am Dümmerstrand prom’nieren?“ „Nee, da wird ich mich genieren.“

29 Stoffe Baströckchen

Menschen, die in kühlen Zonen sogar im ew’gen Eise wohnen,
die wickelten sich auf der Stelle in dicke, weiche Eisbär’nfelle.
So konnten sie ohne zu motzen, der allergrößten Kälte trotzen.
„So’n Fellkleid würde auch mir stehn, die Bommeln sind besonders schön.“
Eisig bläst vom Pol der Wind, neugierig guckt das Robbenkind.

29 Stoff Inuitweiber

Angorahasen sind im Haus, und Lumpi kennt sich damit aus.
In drei Monden wächst es schnell, das flaumigweiche Kuschelfell,
dann muß es kurz geschoren werden, und seine Wolle fällt zur Erden.
Das Tierchen findet das famos , es ist dann nur noch halb so groß.
Von 100 Gramm der Wollenmenge, gibt’s Garn von 8 Km in Länge.
Und einen Pulli strickt man dann , in dem man sich gut kuscheln kann.

29 Lumpi Stoffe Angorabild 2

Lumpi schaut durchs Lupenglas, erstaunt denkt er: „Was ist denn das?“
Die Raupe drängt’s sich einzuspinnen, ist bald in einer Puppe drinnen.
Kokon, so heißt dies Puppenhaus, es schlüpfte ein Schmetterling heraus.
Man haspelt ab, nach altem Brauch, den spinnwebfaden feine Hauch.
Nach spinnen , weben im Geleite, wird er zu glänzend, edler Seide.

29 Seidenraupentisch

 

Schon vor 10 x Tausend Jahren bauten uns’re Vor-Vorfahren
Flachs an, der auch Lein genannt. Verarbeitung war wohl bekannt.
Die Brechkaul muß die Stengel brechen, dann hechelt man mit Eisenrechen,
bis man die schieren Fasern hat. Nun findet noch das Spinnen statt,
und endlich webt man dann das Leinen zu groben Stoffen und zu feinen.
Ein edles Tafeltuch hat Stil, die Bluse ist im Sommer kühl.

29 Flachsbrechenfrauen klein

In Asien lebt das Trampeltier, es ist von großem Nutzen hier.
Im Passgang läuft es sehr gewandt durch den heißen Wüstensand.
Das leichte Schaukeln, wenn es geht, als trampeln fälschlich man versteht.
Ein Sandsturm bringt’s nicht aus der Ruh, es kneift die Nasenlöcher zu.
Und Wasser trinkt es eimerweise vor einer langen Wüstenreise.
Sein zartgekräuselt Unterhaar fällt aus von selbst im frühen Jahr.
Und daraus macht man dann die tolle edele Kamelhaarwolle.

29 Stoff Kamel

In Bolivien und Peru sieht man in Herden immerzu
ein Kleinkamel, das jeder kennt und man Alpaka-Lama nennt.
Barbara trägt eine tolle Jacke aus Alpakawolle.
Lumpi wird bestimmt beneidet um seinen Poncho, der ihn kleidet.

29 Alpaka mit 4

Der Himalaja lässt grüßen und zu seinen kargen Füßen,
im kleinen Pamir, steht die Wiege der weltbekannten Kaschmirziege.
Will man ’nen Pulli fabrizieren, braucht man Haar von 15 Tieren.
Leicht und weich er gut gefällt, leider kostet er viel Geld.

29 Pamir mit Lumpi

 

Als anspruchslos, robust und brav, so kennt man das Merinoschaf.
Es lebt zumeist in großen Herden fast überall auf dieser Erden.
Die feinste Wolle – so bekannt – gewinnt man im Australienland.
Das Vaterschaf der vielen Mütter, das nennt man hierzulande „Widder“.
Sein Ahn trug, wie’s in Hellas hieß, das sagenhafte „gold’ne Vlies“.

(Das Fell des Schafes nennt man Vlies)

29 Merinoherde

In Ägypten ist’s so weit, es ist Baumwollerntezeit.
Lumpi und die Barbara sind als Erntehelfer da.
Müssen sich gar kräftig bücken, die Wattebällchen abzupflücken.
Der Strauch trägt Samen, große Mengen, an denen lange Fasern hängen.
Die meisten Textilien in aller Welt werden aus Baumwolle hergestellt.

29 Baumwollfrauen 2

 

Nur staunen können uns’re beiden, hätten sie in alten Zeiten
in Ägypten einst gelebt, trügen sie Bekleidung, die aus Hanf gewebt.
Aus Stängeln kann man Sachen, wie Papier und Seile machen.
Die Samen geben Öl, das besser als die Butter, und geben ebenfalls ein
gutes Vogelfutter.
Aus schöner Blüte aber, damit Du es nur weißt, wird eine böse Droge,
„Cannabis“ diese heißt.

29 Lumpi Stoffe Ägypten 2

Seit Urzeit wurde Stoff aus Naturprodukten gemacht.
Doch dann hat die Chemie sich künstliche Fasern erdacht.
Ob Nylon, Perlon Acryl, der Stoffe gibt’s unendlich viel.
„Meine Schwester, die Polyester“ hieß früher es im Lied.
Wer ahnt denn, dass die Schwester gleich um den Globus zieht.
Gut, wenn die Industrie drauf baut, doch gar nicht gut für uns’re Haut.
Und ein mancher fragt sich nur: „Wo bleibt da die Mutter Natur?“
Kaninchen und Flachs steh’n nicht in Gunst, in dieser Fabrik ist alles nur Kunst.

29 Perlonfabrik

Sahen sich nun Vieles an, wie man sich bekleiden kann.
Und Lumpi sagt: „Na Gott sei Dank hast Du ja viel im Kleiderschrank.
Das Kleid aus Musselin ist schön, nun können wir zu Niko gehen.“
So gehen sie heut’ außer Haus, und

Abenteuer ist nun aus.

29 Stoffe Niko

Der alte Grafenhof

 

Titel Grafebhof

Es stand in alten Zeiten der Grafenhof hier noch
mit Fenstern im Gewölbe, so schmal und himmelhoch,
mit trutzig festen Mauern, gefügt wohl meterdick.
Dort leiteten die Herren der jungen Stadt Geschick.
Von Menschenhand erbaut, von Menschenhand zerstört,
kein Auge mehr ihn schaut, kein Ohr mehr von ihm hört.

Wappen Ravensberg 2
Vor langer, langer Zeit durchstreifte Hermann, ein junger Graf, unsere Lande. Von seiner Burg aus waren ihm drei Raben gefolgt. Plötzlich umkreisten diese einen Berg und setzten sich darauf nieder.Ei«, dachte der Graf, hier müßte es gut sein, eine Stadt zu gründen. Die Gegend war reich bewaldet, nur einzelne Hofstellen lagen zwischen dem Gehrenberg und dem Waldhof, die die größte davon war. Auch kreuzten sich hier die Handelswege in glücklicher Weise. Der Hellweg führte über Paderborn nach Goslar, und der Paß durch den Osning öff­nete den Weg nach Norden. Und wie der junge Graf so stand und sann, da krächzten auf einmal die Raben:

Gründe eine Stadt und gestalte,
baue eine Burg und erhalte
setze einen Hof und verwalte.
Aber hüte dich vor dem zweiten Sänger!


Und so gebot der Graf an den Ufern des Bohnenbaches eine Stadt zu erbauen. Er ließ den Muschelkalk des Teuto zu Quadern brechen und eine Burg daraus aufrichten, und endlich wuchs im Inneren der neuen Stadt, etwa da, wo heute das Leineweberdenkmal steht, ein stattliches Haus in dem er Hof hielt. Man nannte es den »Grafenhof«.
Hermann verstand es, Kaufleute für die Mitgründung der Stadt zu gewinnen und gab ihnen Ämter und für einen Wortzins (Wort = Grund­stück) Hausplätze zu eigen.
Er regierte weise, scharte ein munteres Völklein um sich, und da er auch dem Spiel und dem Tanz zugeneigt war, stand sogar eine Kapelle in seinen Diensten. Eines Tages nun klopfte ein fahrender Sänger ans Hoftor. Der junge, stattliche Mann war gekleidet nach der neuester Mode mit Gugel und Schecke, so eine Art Kragen mit Kapuze. Es war der vielgeliebte Barde Frauenlob. Er entzückte nicht nur die Gräfin und ihre Jungfern mit seinen lieblichen Minneliedern, sondern war auch so weise, sich der Gunst des Grafen zu versichern mit Lobgesängen ob des­sen Klugheit und Güte.

Grafenhof mit gutem sänger

Die drei Raben auf dem Berg sahen den Gang der Dinge mit Wohlge­fallen und wachten über den Grafenhof. Die Bürger aber, die die Vögel so stetig und friedfertig sitzen sahen, munkelten, es seien die Ahnen des Grafengeschlechts, die behütend ihre Nachfahren durch den Wandel der Zeiten begleiteten und zogen darob ehrerbietig den Hut vor ihnen.
So vergingen viele Jahre.
Da klopfte an einem dämmrigen, naßkalten Herbsttag wiederum ein Sänger an die Türe und bat um Einlaß. Freudig wollten die Mägde öff­nen in Erwartung einer fidelen Unterhaltung. Doch da hörten sie auf einmal die Raben gar kummervoll krächzen:

3Raben

Lasset ihn draus, lasset ihn draus
bringt Graus ins Haus,
über die Schwelle zieht der Geselle
Unglück schnelle!

Doch die Mädchen lachten, mißachteten die Warnung und ließen den Fremdling ein. Ach, wie erschraken sie bei seinem Anblick! Es war der böse Mannestrutz. Mit der seitlich geknöpften schwarzen Heuke, einem altmodischen langen Umhang, verdeckte er halb sein grimmiges, zer­furchtes Gesicht, und, krumm hereingehinkt, heischte er barsch einen Humpen Wein und einen zweiten und einen dritten. Dann drang er grö­lend in die Gemächer des gräflichen Paares und bot ihnen unflätige Gassenhauer dar.
als der alte Graf ihn deshalb des Hoffes verwies, stieß Mannestrutz einen Fluch aus:

Freude weich aus eurem Leben, Streit und Hader soll es geben, dieses Haus es soll verwehn, das Geschlecht soll untergehn!

Böser (2)

Kaum waren die letzten Worte verklungen, stieg ein beißender Rauch auf, und der Mann war wie ein Spuk verschwunden. Schreckensbleich standen die also Bedrohten, doch noch entsetzter waren sie, als sie gewahr wurden, daß auch die drei Raben nicht mehr auf ihrem Berg hockten. Man fand dort noch drei Häufchen Asche und ein winziges, halbgeschmolzenes Krönchen.
Von da ab hatte das Glück das Grafenhaus verlassen. Es gab Streit mii den älteren Orten um Jagdgründe und Viehweiden. Auch verlangte die Stadt nun Zoll auf Waren, die durch ihre Grenzen befördert wurden. Das erboste die Nachbarn derart, daß ein Haufen zorniger Männer mit Äxten, Schleudern und Fackeln gen Bielefeld zog und dort große Ver­wüstungen anrichtete. Sie fällten alle Eichenbäume und ließen die Palisaden toppen. Sie quälten Frauen und Kinder und legten Brand an die Kirchen. Dem Grafengeschlecht wurde kein männlicher Nachfolger mehr geboren, und der Stamm derer zu Ravensberg verdorrte. Durch die Ehe der letzten Grafentochter kam das Land unter fremde Herr­schaft, und endlose Erbstreitigkeiten zogen sich durch die Geschichte. Der Grafenhof verödete. Eine Zeitlang diente er gar als Schweinestall, und das Gequike und der Gestank der Tiere verbreitete sich über die ganze Stadt. Später hatten ihn Bürgerliche wieder genutzt. Doch im letzten Krieg wurde er – das älteste steinerne Haus von Bielefeld – ein Opfer der Bomben, und keiner weiß mehr von ihm!

 

Grafenhof Mit Flücht

90 Jahre Gesänge .

90 Jahre Gesänge .

Wie heißt es so schön? “Singe, wem Gesang gegeben,”… und wem nicht, der lasse es lieber bleiben, besonders im “Sängerkrieg”bei Bohlen.

Wenn ich so zurück denke an meine Kindheit, da sang meine Mutter schon mal: “Schlaf Kindchen schlaf, Dein Vater hüt’ die Schaf, Deine Mutter schüttelt’s Bäumelein, fällt herab ein Träumelein” …Und später wurde daraus: “Schlaf Kindchen schlaf, dein Vater ist ein Schaf, die Mutter ist ein Dusseltier, was kann das arme Kind dafür.” Lieber war mir: “Der Mond ist aufgegangen…”da konnte man sich doch was drunter vorstellen.
Nun ja. als ich 9 Jahre war, habe ich mit meiner Mutter im Kaisersaal in Erfurt eine Karnevalsveranstaltung erlebt. Noch heute klingt mir im Ohr, wie ein Mensch schmetterte: “In 50 jahren ist alles vorbei” und irgendwie gruselte mir. Tja, inzwischen bin ich bald 90!
An eine Nachmittagsvorstellung auf der Cyriaksburg kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. Da sang ein geschniegelter Sänger voller Insbrunst: “Püppchen, Du bist mein Augenstern, Püppchen, hab dich zum Fressen gern”. Na, was sollte das denn, meine Puppe Gerda liebte ich, die hätte ich nie gefressen.

Meine Oma in Ruhla, die Gomma, spielte Zither und als ich noch klein war, sang sie gern: “Mädel ruck,ruck, ruck an meine grüne Seiheite, ich hab dich gar zu gern, ich kann dich leiheide.” Wo hatte denn meine Großmutter eine grüne Seite?? Was singen die Leute doch nur für einen Quatsch!
“Im Grunewald , im Grunewald ist Holzaktion”. Na, das verstand ich schon besser. Man holte sich mit dem Fuhrwerk aus dem Wald einen nummerierten Klafter Holz selbst ab oder ließ ihn sich bringen. Dann kam zu einem vereinberten Zeitpunkt die Kreissäge, fuhr von Haus zu Haus und zerschnitt die Stämme in 30 cm lange Abschnitte. Nun brauchte man nur noch einen starken Mann, der mit dem Beil die Scheite hackte. Bei meiner Großmutter war das die Ferienarbeit meines Vaters, und ich stapelte das Holz schön ordentlich an der Wand entlang auf. Zum Feueranmachen wurden dann extra kleine Späne geschnitzt. Heute dreht man an der Heizung … und warm ist’s.

Der Stehgeiger im Brunnenraum in Erfurt hatte es mehr mit der Klassik und schmetterte: “und ich hab’ sie doch nur auf die Schulter geküßt” . Was sollte das denn, auf den mir bekannten Frauenspersonen pflegte ein Küblerpullover oder eine Strickjacke auf der Schulter zu sein. Oder: “Die Männer sind alle Verbrecher, ihr Herz ist ein finsteres Loch”. Sollte man sowas vor einem kleinen Kind singen, mir jagte es Angst ein. Verbrecher wurden derzeit mit Martinshorn und Überfallkommando auf dem Anger gejagt, und ich kam mit meiner Mutter oft in Schießereien und höre noch das Gebrüll: “Licht aus, Messer raus, Noske kommt mit Handgranaten!” Das war Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts.

Meine Tante Martha sang gern Lieder aus dem 1.Weltkrieg, etwa: ” … und ich steckt ihm eine Kanckwurst unter heißen Tränen ein, und ich sprach, mein lieber Junge, nun gedenke Du auch mein.”Oder: “Wir sind von flämschen Blut, die Flamen küssen gut, für ein Kommisbrot und einen Franc küssen sie stundenlang.” Ich stellte mir vor, das etwa stundenlange Gutenachtküsse doch recht langweilig wären. Und aus einer Operette: “Wir sind die Mädis, die Mädis, die Mädis von Chantant, wir nehmens mit der Liebe nicht so tragisch.” Zu sochen Mädis gehörte meine Tante bestimmt nicht, sie blieb bis zum Lebensende Jungfer.
Der große Krieg war ja kaum erst zu Ende gegangen und die Auswirkungen lasteten noch schwer auf den Bürgern, und so erinere ich mich ganz besonders auch an ein Lied:
“Schöner Gigelo, armer Gíogelo denke nicht mehr an die Zeiten,
wo du als Husar, goldverschnürt sogar, konntest durch die Straßen reiten.
…schöne Welt du gingst in Fransen, wenn das Herz dir auch bricht,
zeig ein lachendes Gesicht, man zahlt, und du mußt tanzen.”
Das war für mich ganz unvorstellbar. Unter einem Gigolo stellte ich mir so ‘ne Art Hampelmann vor, an dem man unten zieht und er dann eben hampelt. Aber wie kann die Welt in Fransen gehn, Fransen kannte ich nur an unserer runden Eßtischdecke und der Hängelampe darüber.

Mein Vater war ein begeisterter Sänger. Am Sonntag Vormittag hatte er Zeit und begleitete sich dann gern auf dem Klavier. Gar schaurig erklang dann das Weserlied: “Hier hab ich so manches liebe Mal mit meiner Laute gesessen”, und wenn dann kam: “und unter mir brauset das ferne Wehr und der Weser blitznde Welle”. da krachte beinahe das Klavier ein, so haute mein Vater auf die Tasten. Melancholischer sang er das Lied vom Feinsliebchen mein unterm Rebendach”, und ich stellte mir stets einen Regenschirm vor, unter dem das feine Liebchen hocke. Dann schetterte er “Argonner Wald um Mitternacht”. Er war zwar kein Pionier gewesen, sondern Ballonaufklärer über den feindlichen Linien im Kampf um Verdun. Sein Lieblingsong war allerdings das Wolgalied: “Im Feldquartier auf hartem Stein streck ich die müden Glieder,” und das: “Du hast im Himmel viel Englein bei Dir, schicke doch eihenen herunhunter zu mir,” klang echt sehnsüchtig. Vielleicht dachte er da zwar nicht an die Wolga, sondern an die Schützengräben in Flandern. Zum Abschluß seiner Klaviervorträge sang er dann meist das Lied vom Tom, dem Reimer nach dem Gedicht von Fontane.
Der Reimer Thomas lag am Bach, da sah er eine blonde Frau,
die saß auf einem weißen Roß, und an der Mähne hingen silberfeine Glöckelein. Und wenn dann kam : … “und Thom der Reimer zog den Hut”, dann sagte er “Guten Abend Herr Gesangverein”, und klappte den Klavierdeckel mit Schmackes zu. Wie gut kann ich mich daran erinnern. Und wenn dann meine Mutter rief: “Kannst du mir nicht beim Klößereiben helfen, dann bin ich wieder Kind, ich muß ja gleich die Brotflöckchen rösten.

Die Berliner Lieder von Linke feierten Hochsaison, “die Berliner Luft, Luft, Luft,” und “Schenk mir doch ein kleines bißchen Liebe, Liebe,”ertönte überall. Walter Kollo sang :
“Warte , warte nur ein Weilchen, bald komt Hamann auch zu dir,
mit dem kleinen Hackbeilchen macht er Schabefleisch aus Dir.”
Dann kam die Zeit der Komödien Harmonisten. sie erfreuten die Welt mit “Veronika, der Lenz ist da” oder “Ich hab dir einen Blumentopf bestellt.” und wir sangen: “Was machst du mit dem Knie lieber Hans beim Tanz.”Oder: “Am Sonntag will mein Liebster mit mir segeln gehn” Inzwischen war ja das Radio erfunden worden. (1923 kostete die Radiogebühr 60 Goldmark bzw. 780 Millonen Papiermark)1926 war der Funkturm in Berlin fertiggestellt worden, und nun brachte der Deutschlandsender das Zeitgeschehen unter die Leute. Als meine Eltern sich das neue Medium anschafften, war es dann doch ein bißchen preiswerter. Unser Radio bestand aus 4 Teilen. Zunächst gabs da einen Kasten mit den Röhren, dann ein etwa schuhkartonartiges Teil mit vielen Löchern. In diese stöpfelte man nun Bananenstecker, um einen Sender zu suchen. Meist hörte man nur Rauschen und Fiepen. Aus dem Lautsprecher, den man mit einem Kopfhörer verband, ertönte dann (vielleicht !!) “Hier ist der Sender Königswusterhausen, se hör’n de Nachrichten.” Aber neben den Liedern hörte ich auch voller Begeistrung Autorennen mit Rosemeier und Caratcciola, was dann nur so in den Ohren heulte. Übrigens war ich 1936 mit meinen Eltern zur Funkausstellung in Berlin. Man konnte die ersten Fernseher bestaunen. Die allgemeine Meinung war: “Son neumodischer Unsinn setzt sich nicht durch, sowas brauchen wir nicht.”
In der Schule sangen wir: “Sah ein Knab’ ein Röslein stehn” wo ich mir anfangs immer ein Rößlein vorstellte, da doch eine Blume nicht stehen konnte. In höheren Klassen sang man dann: “All mein Gedanken, die ich hab, die sind bei Dir.”( In dem Alter gut geeignet.)

Erfurt war Garnisonstadt und jedes Jahr feierte das Reiteregiment auf dem Wilhelmplatz großen Zapfenstreich. Ein Posaunenchor stand auf den Domstufen und spielte: “Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten” und in schnurgeraden Reihen standen die Pferde, ihre Reiter präsentiertem das Gewehr und eine tausendfache Menschenmenge sang aus voller Kehle.
Da hab ich den 86 jährigen alten Mackensen gesehen. in voller Husarenuniform des 1.Leibregimentes stieg er die vielen Stufen zum Dom hinauf, stieß seinen Säbel auf den Boden und sagte: “Diesen Felsen wird er nicht erobern.”
Später habe ich auch einmal auf den Domstufen gesungen. Erfurt ist ja eine Lutherstadt, und so wurde zu Martini stets ein Sternenmarsch veranstaltet, und aus allen Ecken der Stadt kamen Laternenzüge auf dem Domplatz zusammen. Auf den Stufen standen dann ausgewälte Schulklassen und sangen “Eine feste Burg ist unser Gott” und Abertausend stimmten im Licht der Fackeln und Laternen ein. Tja und ich war mit auf den Stufen. Unvergesslich.
Umgedichtet wurde das Lied vom schwarzen Wallfisch . Heißt es doch :
“Im schwarzen Wallfisch zu Asgalon da schlug die Uhr halb vier,
da warf der Wirt zu Asgalon den Juden vor die Tür.” (eigentlich muß es “den Fremden” heißen, aber damals begann schon die Hetze.)
Eben sang ich noch im Kornblümchen (dem Kinderclub des Luisenbundes): “Die Blümelein sie schlafen”, schetterte ich kurze Zeiz später zur “heiligen Verleihung des Knotens” vor einem großen Feuer: “Flamme empor!”
Im BDM war ich in der Spielschar und wir sangen unentwegt bei Hochzeiten. Taufen oder zur Jugendweihe, wenn die Jungen ihren Dolch und die Mädchen ein Kochbuch bekamen. Ganz besonders erinnere ich mich, daß wir ein Konzert in der Semper Oper in Dresden gaben, und hinterher durften wir umsonst einer Aufführung des Prinz von Homburg beiwohnen, wobei ich hingerissen von dem jungen damaligen Star, dem Darsteller des Prinzen, war.
Als Backfisch, so hieß das nun mal damals, hatte ich einen Verehrer. Er nervte mich mit dauernden Anrüfen, und aus dem Hörer schallte : “Hörst du mein heimliches Rufen?” Ja, ja, ich hörte es.
Die Zeit der Kampflieder begann: “Unsre Fahne flattert und voran, unsre Fahne ist die neue Zeit …führt uns in die Ewigkeit … ja die Fahne ist mehr als der Tod.”
Wie heißt es so schön?: “Im tiefen Keller sitzt ich hier bei einem Becher Rebensaft, aber es war Krieg, ich studierte in Leipzig und saß mit einer Freundin in Auerbachs Keller bei einem Glas voll Himbeersaft.” Es hieß: “Bomben, Bomben, Bomben auf Engeland.” Von Bomben auf Deutschland war nicht die Rede.
Als dann die erste Bombe auf Leipzig fiel, war das für die Bewohner eine Sensation, und viele kamen am nächsten Morgen und bestaunten die qualmende Ruine. Am Abend nahm mich ein guter Bekannter mit zu einem Kommerz seiner damals streng verbotenen Verbindung. Wir feierten in einem Weinkeller und sangen aus voller Brust : Gaudeamus igitur iuvenes dum suhumus!”, was ja das Recht der Jugend auf Leben besingt. Kurze Zeit später war mein Begleiter gefallen.
In Geschichte haben wir viel über die Goten gehört, so daß mich dieses Lied besonders beeindruckte:
“Gebt Raum ihr Völker unsrem Schritt, wir sind die letzten Goten.
Wir tragen keine Schätze mit, wir tragen einen Toten.”
Unsere vielen tausende Toten konnten nicht heimgetragen werden.

In allen kriegsführenden Ländern stand Lilli Marlen unter der Laterne und sang sehnsüchtig für Freund und Feind.
Und wenn wir im Grüppchen im Bunker unter dem Kaßberg saßen , zusammengefercht mit ein paar tausend zitternden Menschen, dann grölten wir: “Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord.” Das half ein bißchen, die Angst zu besiegen. Noch immer hieß es: “Wir werden weiter marschieren, wenn alles in Scherben fällt, denn heute hört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.” Nun ja, sie haben es erreicht, und man konnte nur noch singen : “Ach, du lieber Augustin alles ist hin.”.

Dann war der Krieg endlich zu Ende. Unser Haus lag in Trümmern, meine Mutter war im Massengrab verscharrt, mein Vater in Gefangenschaft und mein Freund in den letzten 1o Tagen des Krieges vom Amerikaner als Geißel erschossen worden. Ich wohnte bei meiner Großmutter auf dem Lande, war nun eifrig im Kirchenchor und sang unter Leitung der Frau Pfarrer alte Choräle.
Nun zwitscherte eine Göre “pack die Badehose ein” Dazu mußte man erst einmal eine haben, meine war unter Trümmern verbrannt. Also hab ich mir aus alten Wollresten eine soche selbstgestrickt, und als ich aus dem Wasser kam, war sie 4 Nummern zu groß und schlotterte um mich herum. Peinlich.
Rühmann sang “Lalelu” und “das kann doch einen Seemann nicht erschüttern.” Hans Albers schwärmte von der Reperbahn. Die Deutschen wollten leichte Sachen, Grauen und Heldentum war genug gewesen.

Einmal habe ich im kleinen Kreis mit Klavierbegleitung gesungen: “J’attendrez le jour et la nuit j’attendrez toujour ton retour.” Der Beifall war mäßig, und ich dachte voller Grausen an die Bemerkung einer lieben Mitschülerin: “Du singst doch nur schiefe Töne.” Peng!
Dann kam Amerika mit seinem Jazz, schon während der letzten Kriegsjahre
mit großer Vorsicht ganz heimlich auf geschmuggelten Platten gehört,
und ich schmolz dahin dahin unter Armstrongs “what a wonderful World”. Die Beates eroberten die Welt, und wir tanzten mit unseren kleinen Kindern in Reih und Glied nach den Klängen unseres winzigen Plattenspielers “Lady Madonna” und “Yesterday” singend und rockend durchs Wohnzimmer.
An einen Moment , ein paar jahre später, kann ich mich noch so erinneren, als sei es gestern gewesen. Es war ein strahlender Sommertag, wir waren mit den Kindern auf der Heimfahrt vom Schwimmen. Wir fuhren gemächlich durch eine satt grün geäumte Allee und sangen alle Sechse lauthals: “Über den Wolken muß die Freiheit wohl grenzenlos sein” und ein ganz strarkes Glücksgefühl durchströmte mich.
Schließlich haben wir nun den Rapp, der mir nicht mehr sonderlich sympatisch ist. Weltverbesserung durch hektisches Gerede und häufig dümmliches Gereime ist keine Musik.
Neulich bei der Syvesterfeier meiner Tochter haben wir alle aus voller Kehle: “Ich war noch niemals in New York” gekreischt, (in Clingen, dem Dorf meiner Ahnen, würde man sagen “gekrischen”).
Und wenn die Enkel meiner Kinder so alt sind, wie ich es jetzt bin, singen sie vielleicht: “Ich war noch niemals auf dem Mond, oder dem Mars oder im Wolkenkuckuksheim. Und nun;
“Guten Abend Herr Gesangsverein!”

p.s. Nanu. Hab ich den Deckel nicht richtig zugeknallt? ich höre ein Stimmchen:”Trink’ mer noch’n Tröpfchen, trink’ mer noch’n Tröpfchen aus dem kleinen Henkeltöpfchen.
Oh Susanna, wie ist das Leben doch so schön!”
Na, denn Prost !!!

Mord im blauen Haus.

Mord im blauen Haus ??
( Ein mysteriöser Fall aus dem alten Bielefeld.)
Blaues Haus allein

Geheimnisvolle Geschichten ranken sich seit je um diie alte Schenke in der August-Bebelstraße, und die Nachbarn flüstern mit vorgehaltener Hand und schauen auf die schon lange verklebten Fenster des Gasthofes. Was geht da vor ???
Wir gehen zurück in das Jahr 1933.

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Blaukäppchen und der Fuchs .

Blaukäppchen Titel

Ihr kennt sicher alle das Märchen vom Rotkäppchen und dem Wolf, von dem lieben Mädchen, das seine Großmutter im Wald besuchen wollte, vom Wolf gefressen und vom Förster wieder befreit wurde.
Da will ich Euch nun die Geschichte vom Blaukäppchen erzählen.

Am Rande der Großstadt, nahe der Heeper Fichten lebte in einem alten Wohnwagen ein junges Mädchen. Ihr Vater hatte die kleine Familie seit langem verlassen, und die Mutter war vor Kummer eine Trinkerin geworden. So hatte sich die Tochter mit Gleichgesinnten zu einer Jugendbande zusammengeschlossen. Ihre Behausung war knallrot angestrichen und mit Sprüchen verziert. Etwa: „Eltern sind Spinner!“ oder „Es lebe die Freiheit“ und „nieder mit den Bullen“. Besonders groß prangte da: „Tod allen Lehrern.“

Blaukäppchen mit Bulli

Das Mädchen trug einen Mini-Minirock, alte Springerstiefel und auf dem Kopf tief und schief ins Gesicht gezogen eine blaue Baskenmütze. Deshalb wurde sie von ihren Kumpanen nur „Blaukäppchen“ gerufen. Die jungen Leute lebten von kleinen Betrügereien und Diebstählen. Die Jungen verscherbelten geklaute Autos, und die Mädchen machten sich gern an alte, reiche Männer heran. So lebten sie ihr eigenes Leben und fanden es gut.

Nebenan in dem kleinen Wäldchen lebte eine Füchsin mit vier Jungen in ihrem Bau. Blaukäppchen hatte das Tier schon oft gesehen, wenn es auf der Suche nach Nahrung die Schonung durchstreifte, stets vorsichtig witternd, daß keine Gefahr drohe. So war auch dem Fuchs das Mädchen vertraut, sie schien ungefährlich, sie trabte nur täglich so komisch durch den Wald und nannte das Joggen.

Wieder einmal plante Blaukäppchen einen Diebeszug in die Stadt, denn die Klieke wollte am Wochenende ein Spießbratenessen veranstalten. Sie hatte sich einen bösen Plan ausgedacht.

Da ging sie in den Wald und rief: „Fuchs, Du kennst mich doch gut, wir sind doch alte Freunde. Hast Du nicht Lust, einmal mit in die große Stadt zu kommen? Wir könnten mal ins Kino gehen, oder einfach ein bißchen shoppen, komm doch mit.“ Der Fuchs überlegte. Hier draußen war es ja wirklich auf die Dauer recht langweilig, und ein kleines Abenteuer wäre eine nette Abwechslung. So zogen die Beiden los. Unterwegs führte das Mädchen den Fuchs zu einer Lichtung, auf der eine Menge Heidenbeersträucher wuchsen mit großen prallen Früchten.

Blaukäppchen in Blaubeeren

„Schau Fuchs, welch köstliche Beeren, Du solltest sie kosten, sie schmecken vorzüglich. Friß Dich erst einmal richtig satt. Ich gehe voraus, und wir treffen uns am Laden von Fleischermeister Schmidtchen.
Der Fuchs ahnte nicht, was Blaukäppchzen Böses im Sinn hatte. Kaum war sie in der Stadt, schlich sie sich in den Metzgerladen und wartete. Endlich bot sich eine gute Gelegenheit. Der Meister ging in den Kühlraum, um ein neues Filet zu holen, und … schmupp !! schon hatte Blaukäppchen eine große Kalbskeule in ihrer Plastiktüte verschwinden lassen. Da kam nun der Fuchs, er trat heran und fragte: „Blaukäppchen, warum hast Du Handschuhe an?“ „Damit ich nirgendwo Fingerabdrücke hinterlasse.“ „Blaukäppchen warum hast Du so viele Taschen?“ „Damit ich alles gut verstecken kann.“ „Und warum hast du ein Funktelefon?“ Damit ich die Polizei rufen kann.“ Sprach’s und schrie in das Telefon: „Haltet den Dieb, haltet den Dieb, der Fuchs hat eine Kalbskeule gestohlen.“ Der Meister schlang schnell ein Seil um den Fuchs, damit er nicht entwischen könne. Und wenige Minuten später war die Funkstreife da. „Wer ist der Dieb, wo ist der Dieb,“ fragten sie. „Daaaa“, kreischte Blaukäppchen, „man weiß ja, daß er Gänse stielt, der Fuchs, aber jetzt räubert er auch in der Stadt in den Geschäften.“ „Aber er hat doch nichts bei sich,“ stellt der Pölizist fest. „Natürlich nicht, weil er alles gleich verschlungen hat. Seht doch, sein Maul ist noch ganz rot vom Blut.“ Da legten sie dem Fuchs Fesseln an und wollten ihn abtransportieren.

Fuchs beim Fleischer

Dreist meldete sich Blaukäppchen: „Ich will keinen Dank dafür, daß ich einen Dieb gestellt habe, aber wenn ihr mir seinen Pelz geben wollt, nehme ich ihn gerne an.“ Da wurde der Fuchs sehr zornig, riß sich mit letzter Kraft los, sprang die Verleumderin an und zerbiß mit einem Ruck ihre Plastiktüte, Bautz !!! Da plumste die Kalbskeule heraus. Und nun legte man der richtigen Diebin die Handschellen an. Und anstatt zu ihrem roten Mobil zur Grillparti zu gehen fuhr Blaukäppchen nun mit der „grünen Minna“ ins Gefängnis. Der Fuchs aber trabte zu seinen Jungen zurück und ist nie wieder in die Stadt gegangen.

Blaukäppchen grüne Minna

Adam und Eva, oder die Rathausgeister.

Adam und Eva Titel

Als Bielefeld nach der Zusammenlegung von Alt – und Neustadt zu einem ansehnlichen Städtchen herangewachsen war, da wollten die Bewohner auch ein ansehnliches Rathaus haben. Und so wurde schon im 13. Jahrhundert auf dem alten Markt, dort wo heute das kleine Theater steht, ein solches gebaut. Auf seinen Grundmauern im Kellergeschoß begann man eine Erweiterung, die 1560 vollendet wurde. Es entstand ein prächtiger Bau, der Stolz der Bürger.

Bi altes Rathaus

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Cl..Der Untergang der Krebse .

Krebs Titel

Es war einmal ein armer Jüngling, der hatte wunderschöne goldene Haare, und man nannte ihn darob den Goldmann. Er lebte als Knecht bei einem Bauern, tat redlich seine Arbeit und kannte sich in Stall und Feld gut aus. An den Fischtagen aber, also am Mittwoch und Sonnabend, saß er an der Helbe und angelte.
Zwischen Wasserthaleben und Clingen war die Helbe besonders reich an Weißfischen, jedoch auch Aale gab es im sonnigen Hauptarm vor der Teilung am großen Wehr. Im Winter suchte dort ein Eisvogel sein Fut­ter, und weiter flußaufwärts gaben sich die Fischreiher ein Stelldichein.

KrebsWasserthaleben Wappen

Wapppen von Wasserthaleben.

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