Das Sternenkind, ( und der Schokoladenkuchen)

 

sternenkind Titel

Ganz oben in der äußersten Ecke vom Himmel gibt es einen kleinen Stern, der leuchtet nicht gelb, wie die meisten anderen, sonder er strahlt grasgrün. Die Gelehrten hatten ihn erst vor kurzem mit ihren langen Fernrohren entdeckt und ihn den „Grünwinz“ genannt. Denn winzig war er wirklich. Das ganze Sternchen würde auf den Kesselbrink passen.

Es hat Berge und Flüsse genau wie unsere Erde, und die Wesen, die dort leben, sind etwa so groß wie ein Goldhamster, und sie sind ganz grün. Auch die Steine, das Brot und die Milch und sogar das Blut ist smaragdgrün, nur das Wasser schimmert leicht rosa. Die Babys werden weiß geboren, doch im Alter von 5-6 Jahren bekommen sie die Masern, und die grünen Flecken breiten sich langsam über die ganze Haut aus.
Die Grünlinge lebten zufrieden dahin. Die Kinder spielten mit kleinen Wolkenbällchen, und die Erwachsenen hatten den ganzen Tag damit zu tun, den Weltallstaub zu kehren, damit sie nicht völlig zugeweht würden. Mittags gab’s meist eine Mahlzeit aus grünen Blumen, mal als Suppe oder auch mal gebraten. Am Feierabend sangen sie Lieder, und es hörte sich an wie Bienengesumm. Das wäre auch immer so geblieben, wenn nicht …

vor ein paar Jahren vom ausgebauten Flughafen in Windelsbleiche ein Raumschiff gestartet wäre, und just, als es über dem Grünwinz kurvte, seinen Mülleimer ausgekippt hätte.

Sternenkind Raumschiff

Da waren nun auch ein paar Krümel von dem Schokoladenkuchen dabei gewesen, den der Pilot, der Kapitän Hemkentokrax, von seiner Frau als Vesper mitbekommen hatte. Die Bröckchen fielen auf den Stern, und die Grünlinge liefen herbei und bestaunten die seltsamen braunen Teilchen.
Erst fühlen sie, dann rochen sie, und schließlich kosteten sie und waren entzückt. Sie leckten und schleckten, und alle waren sich einig: Wir brauchen das Rezept! Und so beschlossen sie, einen Abgesandten auf die Erde zu schicken, um in Besitz des Geheimnisses dieser Speise zu gelangen. Nach langem Beraten wählten sie den kleinen Hugo für die Reise aus. Er war ein putzschlaues Kerlchen und erst 5 Jahre alt, so daß seine Haut erst wenig am Grüneln war. Der würde seine Sache schon machen.

Und so geschah es, dass der kleine Hugo beim nächsten Umlauf als blinder Passagier auf das Raumschiff aufsprang. Da er nicht größer als ein kleiner Zeh war, bemerkte ihn die Besatzung nicht. Fast wäre es ihm bei der Landung schlecht ergangen, als die Astronauten ausgestiegen waren, wurde das Raumschiff von einer Kolonne Putzfrauen erst einmal gründlich sauber gemacht, und da wäre er doch beinahe in einen Staubsauger geraten. Gerade noch konnte er auf seinen kleinen Beinchen weghuschen und sich in einem Auto verstecken. Es war das Auto des Flugkapitäns, und der fuhr zu seiner Familie nach Bielefeld. Frau Hemkentokrax hatte ein Festessen vorbereitet, und es gab leckeren Braten mit echten, rohen Thüringer Klößen und zum Kaffee Schokoladenkuchen.

Hier bin ich richtig, dachte Hugo, hier werde ich sicher das Rezept er-fahren. Und so versteckte er sich im Kinderzimmer auf dem Kleiderschrank hinter dem Kasten mit Legosteinen.

In der nächsten Zeit buk die Frau alles mögliche, Erdbeertorte, Bienenstich, Kirschkuchen. Sie war ja keine Westfälin, sie war in Thüringen geboren, und dort isst man zu jeder Tages- und Nachtzeit Kuchen. Tja, aber auf den Schokoladenkuchen musste Hugo warten. Der schlich sich manchmal nachts, wenn er Hunger hatte, in die Küche und war glücklich, wenn er Blumenkohl fand, denn das erinnerte ihn ein bißchen an zuhause.

Dann bekam der älteste Sohn des Hauses die Masern, und seine Brüder steckten sich an, und … welch Schreck … Hugo auch! Aber das waren die menschlichen Masern, und so bekam Hugo auf einmal rote Flecken, und je mehr Flecken er bekam, desto größer wurde er.
Als die Mutter am nächsten Morgen ins Kinderzimmer kam, staunte sie sehr. Da lagen ihre kranken Söhne brav in ihren Betten, aber da oben auf dem Schrank lag noch ein Junge, und der Kasten und alle Legosteine waren heruntergefallen.

Sternenkind Hugo auf Schrank

„Wo kommst Du denn her, wer bist Du?“ fragte sie. „Ich bin der Hugo, ich komme vom grünen Stern.“ „Ach, das arme Kind“, dachte Frau Hemkentorax, „es spricht im Fieber, sicher ist es, wirr im Kopf, zuhause weggelaufen und hat sich verirrt. Die Eltern werden es suchen. Ich will es solange gut behüten.“ Und dann stellte sie noch ein Sofa ins Zimmer und pflegte alle vier.
Die Kinder fragten nun Hugo ein Loch in den Bauch, und der erzählte von den grünen Hunden und grünen Pferden, von den Wolkenverstecken und den gebratenen Blumen, und sie sagten: „So ein Spinner!“ Als er aber dann von seinem Auftrag berichtete, fingen sie an, ihm zu glauben, denn das Geheimrezept kannte ja sonst niemand, und die Krümel mussten also von ihres Vaters Reisekost stammen. Als dann endlich am nächsten Sonntag mal wieder Schokoladenkuchen gebacken wurde, schrieb Hugo das Rezept ganz genau auf.

Sternenkind Schoko

„Wirst du nun zurückkehren?“ fragten die Jungen traurig. „Ach, ich kann nicht zurück, ich bin ja kein Grünling mehr, wo soll ich nur hingehen?“ flüsterte Hugo ebenso traurig. Er war ein Mensch geworden, wie alle anderen. „Na, dann bleib doch einfach bei uns,“ riefen die Kinder. Und so blieb Hugo und hieß fortan Hugo Hemkentokrax. Aber wenn er singen wollte, dann hörte es sich immer noch so an wie Bienengesumm, auch wenn es Grünkohl zu Mittag gab, wurde er ein bisschen wehmütig.
Als er groß war, hat er ein Buch über seine Heimat geschrieben, und alle Leute haben gesagt: „Das ist aber ein schönes Märchen.“

Was aus dem Kuchenrezept geworden ist? Nun, das hat der Vater beim nächsten Raumflug mitgenommen, in ein kleines Kästchen gesteckt und dieses mit einem Fallschirm direkt über dem Grünwinz abgeworfen. Und wenn man auf dem Balkon manchmal etwas Schokoladenkrümel findet, dann sind sie bestimmt aus dem Weltall heruntergeflogen.

Sternenkind Fallschirm

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