Des Weibes Fluch, (Ein Gänsehirt in Ummeln.)

Fluch Titel

Hier stand in alten Zeiten kein Schloß so hoch und her,
hier stand eine alte Kate verfallen, öd’und leer.
Es herrschte auch kein König dahier auf seinem Thron,
hier hauste der alte Hinnrich mit seinem tumben Sohn.
Statt Purpur trug er Lumpen und Läuse ohne Zahl,
er trug auch keine Krone, sein Kopf war fahl und kahl.
Sein Volk waren die Gänse, er hat sie zu hüten versucht.
Ein Weib hat ihn im Zorne dereinstmals bös’ verflucht.

 

Am Rande von Bielefeld auf dem Weg nach Gütersloh lag Urlo, das heutige Ummeln. Hier wurde in alten Zeiten ein Knabe geboren. Er war ein “Winkelkind” Sein Vater, ein wohlhabender Bauer aus Ummeln, hatte den Bastard nicht in seine “Were” genommen, das heißt, er hatte das Kind nicht anerkannt, und weder von der väterlichen noch von der mütterlichen Familie war das Knäblein aufgenommen worden. Und vor dem neunten Tag wurde es im Wald ausgesetzt.

Fluch ummeln haus13

Der alte Hof Meyer zu Ummeln.

Ein armes Heuerlingsweib fand in in der Nähe von Niemeiers Teich beim Pilzesuchen das schreiende Bündel. Da sie selbst keine Kinder gebähren konnte, erbarmte sie sich seiner, ließ ihn in der kleinen Kapelle des Kanonissenstiftes auf den Namen Hinnrich taufen und zog ihn auf.

Fluch Teich Niemeyer

Die Hütte war eng, und die Kost war karg, aber Hinnrich wuchs zu einem stattlichen Jüngling heran. Ihm war versagt, ein Amt zu begleiten, noch konnte er einen guten Beruf ausüben. So wurde er schließlich ein Gänsehirt. Auf der großen Wiese, wo heute der Schröderweg entlang führt, hütete er seine Tiere. Er war ein fröhlicher junger Mann mit einer schönen Stimme, der gern ein Liedchen sang, und seine Gänse schnatterten den Takt dazu.

Fluch Gänseschar mit Hirt 2

Wieder einmal gab es in Ummeln das Geetenfest. Angetan mit Holzschuhen an den Füßen schwenkte Hinnrich gemeinsam mit vielen anderen jungen Leuten, voller Eifer den langen, hölzernen Schöpflöffel, mit dem man das Bleichwasser auf die ausgelegte Wäsche träufelte. Im Wettstreit ging es darum, das meiste Wasser in einem Bottich zu sammeln. Hinnrich war etwas glücklos, er verschüttet viel und wurde mißmutig. Da trat auf einmal eine junge Frau zu ihm, sie nannte sich Luzia. Sie lächelte ihn verführerisch an und girrte: “Komm schöner Jüngling, vergiß das dumme Spiel, spiel mit mir”. Hinnrich konnte der Verlockung nicht widerstehen, und sie zog ihn mit sich in ihr Haus in der großen Stadt, wo es lustiger zuging, als in seinem langweiligen Dorf, das sich seit seinem ersten Spatenstich um 1 100 nicht verändert habe, wie sie höhnte.
Traurig wartete die Pflegemutter auf seine Rückkehr, ihr Schützling war davongeflogen.

Hinnrich aber war betäubt von dem schönen Weib. Er schenkte ihr seine ganze Seele, stimmte an die schönsten Lieder und sang mit vollem Ton, doch…. was er erntete war nur Hohn. “Du Tölpel,” girrte sie, “meine Ohren sind satt, doch meine Lippen dürsten.” Und er verfiel dem Teufelsweib.
Da wurde der Luzia ein Kindlein geboren, ein Knabe war’s mit einem riesigen Kopf und einem schwachen Sinn, und die Lieder des Jünglings sprachen von Trauer. Luzias blitzende Augen aber gingen auf Wanderschaft.
So kam es, daß, als Hinnrich eines abends zum Haus kam, sein Bündel vor der Tür stand, und keiner im Raum war. Er trat näher und vermißte sein Kind: “Wo ist unser Sohn?” fragte er verzweifelt. Da lachte das Weib und baute sich vor ihm auf:

“Ich will es nicht mehr sehen,
auch Du, mein Schatz mußt gehen.
Des Spielens sei nun genug.
Ich treff Dich mit einem Fluch.
verfluch auch die Frucht deiner Lenden,
und keiner soll dies wenden.
In Ewigkeit wird es dauern,
mit Gänsen mögest Du trauern. Fluch Ganter mit Gössel und Frau

Damit wies sie ihm die Tür und schrie ihm hinterher: “Geht mir aus den Augen und verrottet.” Dann war sie verschwunden.
Und was dahinwatschelte über den holprigen Feldweg in Richtung nirgendwo war ein großer Ganter mit einem kleinen Gössel im Gefolge.

Weit war der Weg für die kurzen Beinchen der Verwünschten. Es dunkelte schon, da kamen sie an dem großen Meilenstein vorbei, der ihnen zeigte, daß sie schon eine Meile hinter Bielefeld waren und nun der Weg nicht mehr weit sei.

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Meilenstein

Ermattet gelagten sie endlich zur alten Kate.Was wunderte sich die brave Ziehmutter, als sie in ihrer Herde plötzlich zwei neue Tiere fand. Und seltsam, der Ganter legte seinen Kopf auf ihren Schoß und gab fast menschliche Laute von sich.
Luzia aber suchte einen neuen Spielgefährten, und nach kurzer Zeit stets wieder einen anderen. Sie fraß Männer.
Jahre vergingen. Doch eines Tages, als sie gerade wieder einmal einen Törichten in ein Schwein verwandeln wollte, wurde sie aufgegriffen und ihr der Hexenprozess gemacht. Als die Flammen schon um ihren Leib loderten, kam mit einer Stichflamme Luzifer emporgeschossen und holte seine Tochter heim in die Hölle.

FluchScheiterhaufen

 

Im gleichen Augenblick zersprangen die Fesseln des Fluches und Hinnrich nahm wieder seine menschliche Gestalt an. Seine Haare waren grau und sein Gang gebeugt. Auf der Wiese vor der Kate hockte sein Sohn und schaute den Gänsen nach.
Vater und Sohn haben bis zum Ende ihrer Tage in der alten Kate gewohnt, Hinnrich hat Gänse gehütet, und sein Sohn hat in die Luft geguckt und geschnattert.
Dann ist das Häuschen verfallen.

Die Lieder sind verklungen,
die Hütte ging zu Bruch.
Der Hirte ist vergessen,
doch nicht des Weibes Fluch.

Heute steht an der Stelle der alten Kate der Schulbauernhof von Ummeln, und Kinder füttern wieder Gänse.

fluch Schiljunge 2

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