Die Gegenwelt. ( Irrflug von Windelsbleiche.)
Wisst Ihr noch, daß im vorigen Jahr das Schweinchen auf dem Mond war? Heute nun geht es tief ins Weltall.
Es war im Jahre 2511, also zu einer Zeit, in der es allerorts kleine Raketenabschußbasen gab , so wie Straßenbahnhaltestellen. So war auch der kleine Flughafen in Windelsbleiche groß ausgebaut. Die niedlichen Flugzeuge aus uralten Zeiten konnte man noch als Museumsstücke bewundern. Nun gab es ein Übungsgelände mit einem Simulator, und schon die Kinder aus den Kitas lernten daran, wie man die Geschwindigkeit in den Griff bekommt, wie man ausweicht, und wie man den Kurs hält, um nicht auf dem falschen Planeten zu landen. Sie machten auch schon kleine Ausflüge zum Mond, natürlich nur mit ihrer Kindergartentante. In den höheren Klassen gab es dann ein Schulfach, so wie Physik oder Latein, das hieß “Weltraum”, da wurden von den Gymnasiasten schon größere Forschungsreisen zum Jupiter oder zum Saturn unternommen.
Doch das Hauptinteresse aller Satelitenstationen bestand darin, immer weitere und neue Galaxen zu erforschen. In Windesbleiche hatte man sich besonders auf die Erkundung der schwarzen Löcher spezialisiert. Es war eine internationale Besatzung, die nun schon 10 Jahre trainierte. Da gab es zunächst einen Amerikaner japanischer Abstammung, einen sibirischen Russen und einen Westfalen. Das waren also Tom Pijama, und der Russe Iwan Krawallstoinikow und Franz-Dieter von Meier-Müller. Die 3 waren fit. Sie kannten jeden Knopf im Raumschiff, jeden Stern am Himmel und jede Zelle ihres eigenen Körpers. Sie konnten schweben wie die Engelchen, und sie konnten essen ohne zu kleckern, und sie konnten auch auf Klo’s gehen im Raumschiff, denn das war sehr schwierig.
Ehe man nun in die tiefsten Tiefen des Alls vordrang, wollte man zunächst mehrere Zwischenstationen anreisen. Der Start war für Mittwoch angesetzt. Reporter von der Neuen Westfälischen, dem Westfalenblatt und sogar von Bild waren eingeladen, nur die Frankfurter Allgemeine fehlte, die berichtete gerade über eine Demo der thüringer Rostbratwürstchenverkäufer. Mittwoch also, der große Tag kam näher. Tom PiJama, Iwan Krawallstoinikow und Franz-Dieter von Meier-Müller waren schon sehr aufgeregt. So, endlich geht es los. Der countdown läuft, 10,9,8,7,6 halt, halt, halt!!!! rief da auf einmal Tom, “ich muß noch mal raus, ich muß ganz dringend noch mal raus, ich habe vergessen zuhause das Videogerät anzustellen, meine Frau will doch den Flug verfolgen, aber sie kommt nie klar mit den Knöpfen, und unser Kleiner, der das sonst macht, ist doch um diese Zeit im Kindergarten.” Das war natürlich ein zwingender Grund. Und der Start wurde um eine halbe Stunde verschoben. Und dann hieß es wieder: 10,9,8,7,6 und man kam tatsächlich bis 0 und bong!!! ging das Schiff los.
Nun gehörte zur Besatzung aber auch der kleine Bordhund, das Dackelmädchen Schnuffi. Und als diese hörte, wohin die Reise gehen sollte, nämlich zum Pluto, da fing sie an zu zittern. War das nicht die riesengroße Dogge von nebenan, vor der sie immer so viel Angst hatte? Und sie zitterte und zitterte so sehr, daß auch die Instrumente mitzittern und so das ganze Raumschiff vom Kurs abkam. Es flog ganz weit tief ins All. Und auf einmal, die Astronauten meinten schon, sie hätten sich im Kreise bewegt, näherten sie sich einem Planeten, der genauso aussah, wie die Erde, nur daß er sich andersrum drehte und die Meere grün und die Berge blau waren. Doch sie landeten. Seltsam, alles war gleich und doch ganz anders. Es war alles umgekehrt. Die, Menschen liefen rückwärts, die Flüsse flossen vom Meer zum Berg hinauf, und die ausgewachsnen Hühner wurden Kücken und krochen ins Ei zurück.
Die Astronauten waren auf der Negativerde gelandet. Das ist das genaue Gegenstück zu unserem Planeten. Nur, daß alles verkehrt herum ist. “Wir werden auch diese Welt erobern”, schrie Iwan Krawallstoinikow, er war der Stärkste, und er schritt als Erster voran. Tom Pijama sicherte ausführlich nach allen Seiten, und erst als er absolut keine direkte Gefahr für Leib und Leben mehr erkennen konnte, schloß er sich mutig an. “Verteidigung ist der beste Angriff” meinte Hans-Dieter vom Meier-Müller, sprachs und ging in Deckung. Vor einem großen Felsmassiv versammelten sich die 3 wieder und gingen nun gemeinsam voran. Aber was war denn das, da kamen ihnen doch 3 entgegen, die genauso aussahen wie sie selbst. Sie kamen näher und näher und machten auch die gleichen Bewegungen wie sie. Es sah aus, als wenn sie gegen einen Spiegel gingen. Und auf einmal, “Ping, Ping, Ping”, waren sie mit ihren Ebenbildern zusammengestoßen, ihre Doppelgänger war verschwunden, und sie selbst gingen rückwärts aus diesem Spiegel heraus. Sie waren in die Negativerde eingetaucht. Plötzlich lag neben Pijama ein uralter, kranker Chinese. Aber er rappelte sich gleich auf und sagt: “Mein lieber Sohn, Du Dich blauchst nicht um mich zu sorgen, ich gehen gleich nach meinen Geschäften.” Und schon war er rüstig davongegangen. Dann kam ein Unfallwagen rückwärts angerast. Er hielt direkt vor Iwans Füßen und legte ein blutendes Mädchen aufs Pflaster. Ein anderes Auto schoß mit quitschenden Bremsen rückwärts davon, das Mädchen sprang auf, fiel Iwan um den Hals und jauchzte: “Papa,Papa, wie schön, daß ich Dich kennenlerne. Es waren Toms verstorbener Vater und Iwans verunglückte Tochter gewesen, die beide nun glücklich dem Leben wiedergeschenkt schienen. Denn, auch die Zeit lief ja rückwärts. Nur Franz-Dieter von Meier-Müller blieb zunächst allein. Denn er war ein Waisenjunge, und er mußte noch längere Zeit warten, bis seine Spielkameraden aus dem Waisenhaus auftauchten. Die Zeit verging, und Tom, Iwan und Franz-Dieter wurden von Tag zu Tag jünger. Sie machten ihr Abitur und büffelten hinterher eifrig dafür. Sie gingen in die Tanzstunde und verliebten sich und wurden am Ende mit ihrer Tanzstundendame bekanntgemacht. Sie kamen in die Flegeljahre und prügelten sich bis ihre blauen Flecken wieder verschwunden waren.
Eines Tages trafen sie zusammen und berieten. “So geht das nicht weiter. Wir müssen schnell etwas tun, wenn wir noch jünger werden, können wir kein Raumschiff mehr bedienen, dann sind wir zu klein und zu dumm dazu.” Sie waren sich einig, ” wir müssen den Spiegel wiederfinden”. Suchend irrten sie auf dem Planeten umher. Pijama war schon vor Verzweiflung ganz betrunken und mußte schnell ein paar große Whisky trinken, um wieder nüchtern zu werden. Da auf einmal hörte er ein leises Winseln. Es kam von der Dackeldame Schnuffi. Schnuffi, ihren Bordhund, den hatten sie ja ganz vergessen. Doch, was war denn das, Schnuffi war garnicht jünger geworden. Und mit einmal gab es wieder ein lautes Klirren, klirr, klirr. Tom schlug die Augen auf. Die 2 anderen Astronauten hockten zusammengesunken in ihren Gurten. Doch alle düsten noch immer in ihrem Raumschiff durchs All. Durch das Zittern der Instrumente war kurzzeitig die Sauerstoffzufuhr gedrosselt gewesen, die Drei waren bewußtlos geworden, und beim Sturz war Meier-Müllers Rasierspiegel zerbrochen.
Als sie nun wieder bei Sinnen waren und ihre Lage orteten, da merkten sie, daß sie wirklich im Kreise geflogen waren und stracks auf die Erde zustrebten. Auf die richtige, wohlbemerkt, auf unsere. Und eine halbe Stunde später landeten sie wohlbehalten in Windelsbleiche. Und wer stand da neben dem Tower, freundlich mit dem Schwanz wedelnd, …..Pluto.