Die sportliche Erdbeere und die Alm

Und zur Abwechslung mal eine “absolut wahre Nonsensgeschichte”.

Bielefelder Alm

Sportliche Erdbeere

Es geschah zu der Zeit, als Bielefeld noch eine Alm hatte. Allerdings wuchs da kein Enzian und auch kein Edelweiß, sondern jeden zweiten Sonntag trampelten 44 Beine über den heiligen Rasen und rauften sich um einen Ball. Man nannte das Ganze Fußball, obwohl häufig auch der Kopf eingesetzt wurde. Ich sagte “Kopf”, nicht “Hirn”. Diese Toberei ging stets sehr lautstark vonstatten, und man konnte den sogenannten Almroar gut und gerne noch am Landgericht hören. Da die millionenschwere Luxustribühne noch nicht gebaut war, standen die Zuschauer dicht zusammengeknubbelt auf ihrer Ostseite und brüllten begeistert “Eeeeewald, Eeeeewald!”, um den Jungstar Lienen anzufeuern. (Auch ich war manchmal dabei, bekam aber in der hinteren Stehplatzreihe das Geschehen meist nur als Hörspiel mit.)

Die Nachbarn ringsum konnten von ihren Fenstern aus bequem auf den Platz gucken waren ansonsten aber nicht erfreut, wenn in ihren kleinen Gärten dann leere Bierdosen herumlagen, oder manch einem der Weg zum Klo zu weit gewesen war.
In ihrem Gärtchen am Wickenkamp hatte Frau Kuhfuß ein Beet mit Erdbeeren angelegt von der Sorte “Karla”, die besonders groß und rot waren. Sie war sehr stolz auf ihre Beeren. Aber ach, da hatte sich doch eines dieser Karlafrüchtchen, ein besonders schönes Exemplar, in die strammen Waden der jungen Männer verguckt und wollte nun auch unbedingt Sportler werden. Zwar ging ein Aufschrei durchs Beet: “Du spinnst! Ein Maikäfer kann nicht Jura studieren, ein Plasterstein wird kein Opernsänger und eine Erdbeere kein Sportler.” Aber als Antwort kam nur: “Erstens ist Sport gesund, zweitens bin ich sowieso zu dick, und drittens will ich auch mal so bejubelt werden, wie die da drüben!”
So faßte sie sich ein Herz und klopfte am Büro der Arminen an. Doch als sie ihr Begehren, in die neu gegründete Frauenmanschaft aufgenommen zu werden, vorgebracht hatte, kicherte der Trainer nur und meinte dann höflich, tut mir leid, gnädiges Fräulein, aber mir scheint, sie sind nicht gerade ein sportlicher Typ. Auf Wiedersehn.” Die Erdberre drehte sich beleidigt auf dem Absatz um und murmelte: “Na, das wollen wir doch mal sehn!”
Am nächsten Tag zog sie im Frühtau nicht zu Berge, sondern in die Niedernstraße zu Sport-Berke und kaufte sich einen schicken, türkisfarbenen Jogginganzug und teure Laufschuhe. “So, und womit fange ich nun an?” fragte sie sich, “also, Walking ist jetzt angesagt, das mach ich jetzt.” Sie besorgte sich noch aus dem Keller von Frau Kuhfuß zwei Skistöcke und marschierte einmal rund um den Ostpark. Dann meinte sie schnaufend, daß es für heute genug sei.
Als nächstes dachte sie an Squash.Erbeere Squath

Sie kaufte sich also einen Schläger und engagierte einen Trainer. Aber nach 5 Minuten riß sie sich die Klamotten vom Leib und nach 10 war sie so fix und foxi, daß sie ganz lila geworden war, und man meinte, sie sei eine Brombeere..
“Hchhchch, das ist ja kein Sport, das ist eine Folterkammer. Das ist kein Squash, das ist Quatsch.
Nun wollte sie es mit Schwimmen versuchen. Diesmal ging sie zu Sportlepp und kaufte sich einen tollen Bikini, Badekappe, Flossen und einen Schnorchel. Das Anziehen des Bikinis machte zwar etwas Schwierigkeiten, denn sie hatte ja keine Taille, aber mit zwei Sicherheitsnadel hielt sie dann doch die Teile am Leib. Mutig sprag sie ins Dornberger Bad. Aber… Brrrr, das Wasser war so kalt, und bald war sie ganz aufgeweicht und drohte, sich aufzulösen.”Schluß, ich bin doch kein Fisch, Schwimmen ist nichts für mich.
Doch nach drei Tagen wurde sie wieder unruhig. Ich werde jetzt Florettfechten. Das ist ein sehr eleganter Sport und meiner würdig. Doch leider .. beim ersten Angriff ihres Gegners wurde sie aufgespießt und sah aus wie ein Schaschlick, es fehlten bloß die Zwiebeln. “So ein blöder Sport, das ist auch nichts für mich.
Dann hat sie es mit Schlittschuhlaufen versucht. Aber das Eis war zu kalt, und aus der Erdbeere wurde eine Tiefkostfrucht. Doch sie gab noch nicht auf. Sie kaufte sich eine Tennisausrüstung. “Was Steffi kann, kann ich schon lange.” Aber ach, alle ihre Matchbälle wurde leider zu Matschbällen.

Inzwischen war Karla in die Jahre gekommen, und ihre Freunde meinten, Golf, Golf wäre nun angemessen für sie. Also kaufte sie sich für 20 000 Mark eine Golfausrüstung, natürlich auch einen neckischen Golfwagen dazu, man könnte ja sonst zuviel laufen müssen. Sie ließ sich auf den neuen Golfplatz hinter Meyer zu Hoberge chauffieren. Betrat voller Begeisterung das Grün, doch gleich beim ersten Schlag landete der Ball im Bunker. Dann fiel sie selbst in den Krebsbach, und schließlich fand sie ihren Ball nicht wieder. Er war in den angrenzenden Wald geflogen. Sch… fluchte sie und kramte zwischen Moos und Blättern herum.

Wald mit Oma

Nun war die alte Else, eine Tante von Frau Kuhfuß, immer schon bekannt als Waldweiblein. Sie wußte in der Bielefelder Umgebung die schönsten Fleckchen zu finden, die Leberblumenwiese, die seltenen Zistrosen auf der Ochsenheide und auch die verstecken Plätze mit den schönsten Walderdbeeren. Und gerade hatte sie wieder die süßen Früchte hinter dem Golfplatz in ihr Körbchen gesammelt, als sie erstaunt die riesengroße Beere sah. “Ei, welch ein seltenes Exemplar”, dachte sie und legte die Erdbeere mit zu den Waldbeeren. Sie brachte ihr gehäuft volles Körbchen zu ihrer Nichte, wissend daß diese eine gute Marmelade kochen konnte.
Der Sohn von Frau Kuhfuß war ein mickriges Kerlchen aber begeisterter Arminiaanhänger. Der aß nun jeden Morgen sein Brötchen mit einer dicken Schicht Marmelade. Und … man sollte es nicht glauben, auf einmal strotzte er vor Muskelkraft. Doch was noch viel seltsamer war, die Wirkung der Marmelade ließ nicht nach, auch wenn die Mutter zum letzten Rest neue dazu kochte. Es war wie beim Brotbacken, da hält man auch eine wenig Sauerteig zurück, um ihn beim nächsten Backen unterzumischen. Schließlich schenkte Mutter Kuhfuß dem Verein ein großes Glas. Und seitdem haben die Arminen doch tatsächlich jedes Heimspiel gewonnen, und das Fahrstuhlfahren hat aufgehört. Ihr Sohn spielt jetzt in der U 10 und ist mächtig stolz.

p.s. Übrigens wurde die Erdbeere, die ja nun doch noch zu sportlichen Ehren beigetragen hatte, als Symbol in die Vereinsfahne aufgenommen.

U10 2

4 Kommentare zu „Die sportliche Erdbeere und die Alm“

Kommentieren