Cl. Der Troll im Groll.
Es war einmal ein armes Bäuerlein, das brav und gottesfürchtig völler Mühsal sein Tagewerk vollbrachte. Es hatte seinen Acker ganz nahe bei Clingen am Rande des Grolls. Das Groll war ein kleines Wäldchen auf einem Hügel gelegen. Die Leute erzählten voller Schauer, daß es vor Urzeiten einmal ein heiliger Hain, ein Gral, gewesen sei, und es wären uralte Riten dort vollzogen und grausige Opfer gebracht worden. Seltsam war, daß die über die Jahrhunderte hin totalen Rodungen diesen Ort stets verschont hatten, sodaß der Hauch der Ahnen noch immer unter den alten Eichen waberte. Der Bauer aber hatte keine Furcht, seine Sorge waren nur die dunkllen Gewitterwolken, die sich meist hinter dem Groll zusammenzogen und seine Ernte zu verhageln drohten. Doch was seinen Seelenfrieden bedrohte, war sein tückisches Weib, das ihm das Leben vergällte, und so manches Mal hatte er schon gewünscht: “Soll sie doch der Teufel holen!”
Die lila Männerchen.
Opa saust schimpfend durch die Wohnung: “Verdammter Mist, wo sind denn nur meine Autoschlüssel? Hast Du die?” “Was soll ich denn damit, ich fahre nicht mit Deinem Auto.” “Herrje, ich muß zum Termin, wo sind die verfluchten Dinger?” Da kommt Onkel Hegemann grinsend herbei: Na, waren mal wieder die lila Männerchen bei Ihnen?”
Ihr kennt die nicht? Sie sind bestimmt auch bei Euch.
Tja, das ist mal wieder eine tolle Geschichte.
Cl. der Wurmberg
“Heide wulle’mer off’n Barch mache, Heu wende”, sprach Jakob , spannte seine Lotte an und fuhr mit dem Hamburger und vier Frauen um halbfünfe los in den werdenden Tag hinein. Die Tautropfen hingen noch an den Halmen und die aufgehende Sonne verwandelte sie in abertausend glitzernde Diamanten. Und … er kam nie wieder zurück.
Cl. Höllenfahrt durchs Grass.
Wie viele seiner Landsleute zuckelte der Fuhrmann Adam gemächlich mit seinem Einspänner und einer hohen Fuhre Korn von Clingen nach Nordhausen zur Schnapsfafrik. Es war gutes Korn, was hier am Ausläufer der Hainleite wuchs, und der Branntwein daraus war weit berühmt und begehrt. Das Wetter war gut, das Pferd kannte den Weg, und Adam döste so vor sich hin.
Doch der Weg führte durch das wilde “Geschling”, das unheimlichen “Grass”. Wahrlich, in diesem Waldstück kurz vor Sondershausen hausten sonderliche Wesen. In der Urzeit stapften Auerochsen und , die dem Donar heiligen Eber durchs Dickicht, jetzt machen Wölfe und Bären die Gegend gefährlich. Aber es ist auch das Reich der Räuber und Halunken.
Adam hatte keine Angst. Sein Ahn hatte ihm gesagt: “Du mußt Dich ganz groß machen und laut schreien, dann bricht der Bär seinen Angriff ab.” Und daran hielt er sich. Auch vor Räubern fürchtete er sich nicht, hatte er doch einen Knüppel und Max, seinen Dackel, bei sich, und der biß sich sofort an jedem fremden Hosenbein fest.
Das silberne Huhn.
Auf einem einsamen Hügel nahe dem Moorbachtal im Himmelreich liegt die kleine Kate des alten Hemkentokrax. Jahrzehnte lang war „Krax“, wie sie ihn nannten, Lehrer für alte Sprachen am Rats gewesen. Dann hatte er sich nach seiner Pensionierung in das vom Vater ererbte Häuschen zurückgezogen. Seine Frau hatte er früh verloren, und Kindersegen war dem Paar nicht vergönnt gewesen, aber allein lebte der alte Mann doch nicht. Da waren Hermann und Ede, die beiden Goldfische, es gesellte sich Leo, der Kater hinzu, der immer auf der Sessellehne hockte und am liebsten die Fische geangelt hätte. Aus Barcelona hatte eine Urlauberin einen Welpen mitgebracht, der gerade noch dem Hundefänger von der Schippe gesprungen war. Obwohl ein Migrant, hatte sich das arme Tier, ein Cocker mit Dackelbeinen, zwar bestens emigriert, doch leider duldete der Vermieter der Urlauberin das Halten von Hunden in seinem Haus nicht, und so war Hutzel zu Krax gekommen. Nicht vergessen darf man nun noch die 4 Hühner, die in einem kleinen selbstgebauten Stall in der Hofecke wohnten. Mutter Trude, ein braunes Bielefelder Kennhuhn, hatte alle drei Töchter selbst ausgebrütet. Grete war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Bei den beiden anderen muß sie fremdgegangen sein, denn die rabenschwarze Nora hatte offenbar einen Kastillianer zum Vater gehabt und Blanka war ein schlohweißes Leghorn. Sie war die Schönste und des Alten Liebling.
Cl. Das Brunnenweib.
Zu Zeiten, als die Brunnenstraße noch Borngasse hieß, sprudelte wirklich ein kleiner Born durch die Gasse. Die Helbe, hier Klinger genannt, von Westgreußen durch das Feuerloch kommend, floß vor der Mauer zwischen Dörre und Schneidewind am Spritzenhaus vorbei über den Markt, in dessen Ecke ein großer Brunnen stand. Dort teilte sie sich. Der eine Arm floß am Rathaus entlang durch die Keltergasse zur Borngasse. Der andere Arm plätscherte durch die Lange Gasse zum Plan, an dessen Ecke ebenfalls einen öffentlichen Brunnen stand. Er vereinte sich schließlch am Welkertor mit seinem Zwilling und ergoß sich in die sächische Helbe.
Cl. Die verschwundene Sybilla.
Und wieder einmal schauen wir in längst vergangene Zeiten.
Es gab in Westgreußen zwei alteingesessene Familien auf ihren Rittergütern. Da wurden im gleichen Jahr der einen Familie ein Sohn , der anderen ein Töchterlein geboren. Im Kirchenbuch wurden sie eingetragen als Ferdinand, Sohn des Freiherrn vom Krummhof und Sybilla, Tochter des Herren vom Bilenhof, dem sogenannten Lustgärtchen. Aber seltsam, bei beiden Geburten erhellten unzählige Blitze den Himmel und unheildrohend verschlangen grollende Donner den ersten Schrei der Kinder. Sybillas Amme war in Sorge, daß dies als ein böses Omen zu deuten sei, und so strich sie mit einem Fuchsschwanz über die Wiege der Neugeborenen. Aber sie hatte versäumts, ihn vorher in Weihwasser zu tauchen.
Cl. Das Siedel- Sudel- Männlein .
Schon im alten Rom hatten die Menschen ihre Hausgötter, die ihnen Schutz gewähren sollten, und die sie sehr verehrten, die Laren. Sie bauten ihnen kleine Altäre und brachten Geschenke. Und, ob man`s nun glaubt oder nicht, es gab auch in Clingen so einen kleinen Hausgeist. Es war das Siedel-Sudel-Männlein. Das war allerdings ein recht berechnendes Wesen. Es hatte eine helle, freundliche Seite, aber auch eine dunkle gehässige. Mal war er lieb und hilfsbereit, mal grob und eigensüchtig. Sein Äußeres passte er dem jeweiligen Stand des Hausherren an. Wohnte er bei einem Mediziner, spazierte er im weißen Kittel und mit einem Abhörrohr durch die Gegend, stellte er sich als Hausgott eines Kaufmanns dar, so sah man ihn mit einem Abakus (Rechenmaschine) und Kontoauszügen herumwedeln. Hier ln Clingen jedoch zeigte er sich als Großbauer.
Und nun werde ich erzählen, wie es dazu kam.
Cl. Walpurga .
Und nun kommt ein richtiges Gruselmärchen aus uralten Tagen, und Ihr müßt schon glauben, daß die Geschichte wirklich in Clingen geschehen ist. Viel Spaß.
Vor langen Zeiten, als noch Thor seinen Hammer schwang, Blitze ihm zu Bote waren, als der Wolf die Sonne fraß, und die Nornen den Schicksalsfaden spannen, da lebte hier am Helbeufer ein Volk, dessen Stammvater Mannus war. Unter den Weibern gab es ein blutjunges Ding mit schlanken Fesseln, so zart, wie die Läufe eines Rehes, mit seidigen Haaren so gold wie die Strahlen der Sonne, und mit Augen so blau, wie die Blüte des Weid, doch das Herz in der Brust und das Hirn im Haupt so tückisch, wie das Gift einer Schlange. Walpurga, so wurde das Mädchen genannt, hatte den Belzi, wie man den Teufel damals nannte, im Leib. In der Nacht vor ihrer Geburt hatten den Kindsvater üble Träume gepeinigt, so nahm er sie nicht in die Sippe auf. Sie wurde eine Wilti, ein Waldgänger, eine Wolfsbraut.