Das gestörte Telefon .(kein Anschluß unter dieser Nummer!)

Und mal wieder eine Unsinngeschichte:

Ach wie oft hat man gehört, daß ein Telefon gestört.
Also erzähle ich jetzt von einem gestörten Telefon.

Gestörte Telefon Titel

Alles fing damit an, daß das Telefon den Keuchhusten bekam.
Das Telefon gehörte dem schon seit einigen Jahren pensionierten Oberstudienrat Blauhoff, der Geschichtslehrer am Ratsgymnasium gewesen war. Sein Vater mußte damals, als er einen Fernsprechanschluß bekommen hatte, noch mit einer Kurbel das “Fräulein vom Amt” anklingeln, damit diese ihn mit der gewünschten Nummer verbinden möge. Bei Blauhoffs neuem Apparat konnte man das nun selbst tun. Welcher Fortschritt.

Die Familie taufte das moderne Telefon liebevoll „Frieda“. Es gehörte ja zur Familie und war Mädchen für alles. Frieda hatte viele gelehrte Gespräche geführt. Nun war sie selbst betagt, stand auf einem kleinen Piedestal in der Zimmerecke, wurde nur noch selten gebraucht und kränkte sich darüber. Das Telefonbuch war mit ihm alt geworden und seine Nummern stimmten schon meist nicht mehr. Wenn die kleinen Enkel von Blauhoffs zu Besuch kamen, mißbrauchten sie die arme Frieda oft als Spielzeug. Gisela benutze das Kabel als Nuckel, Peter zog den Apparat durch das ganze Zimmer, als sei er eine Wackelente, und der freche Kurt drehte alle Nummern auf der Wählscheibe, so daß er Teilnehmer aus Afrika, aus China oder einen Wanderzirkus an der Strippe hatte. Als er neulich immer wieder hörte: „Hallo, hallo your name“, wollte er sich totlachen. Der Opa allerdings lachte nicht, als er die Rechnung für das Gespäche nach San. Francisco bekam. Frieda grinste schadenfroh.
Doch dann passierte es. Kurt wurde krank, hatte einen ganz heißen Kopf und hustete und hustete. Doch drei Tage später fing auch das Telefon an zu krächzen, sodaß man keinen Ton verstehen konnte. Es hatte sich angesteckt, beide hatten den Keuchhusten. Der Doktor verschrieb Hustensaft, eine große Fasche voll. Brav nahm Kurt die Medizin, und als er beim nächsten Besuch das Telefon zu krächzen hörte, meinte er: „Frieda braucht auch Dabda.“

Telefon mit Dabda

Und dann schüttete er voller Mitleid einen großen Schuß Saft in das Mikrophon. Es scheint dem Apparat nicht so gut bekommen zu sein. Zwar hustete er nicht mehr, dafür schmatzte und grunzte er und verschluckte sich dauernd. Auch bekam er Probleme mit dem Kreislauf, das heißt, die Wählscheibe klemmte. Jedenfalls ist Frieda seitdem komisch.

Geärgert hat sich Frieda ja schon lange. „Immer muß ich reden, was andere mir vorsagen, muß Leuten Antworten geben, die ich garnicht sehe“. Nun wurde sie aber richtig bockig und dachte: „Schluß damit, ab jetzt mach ich nur noch, was ich will.“ So ruft Kollege Lübbe bei Blauhoff an und lädt ihn für Sonnabend zum Skat ein. Was geschiet? Frieda nuschelt: „Sonntag.“ Den Kollegen fehlt der dritte Mann, sie sind verärgert. Und als Blauhoff Sonntags antanzt, steht er vor verschlossener Tür und ärgert sich auch. Dann verpaßt Frau Blauhoff ihren Zahnarzttermin, weil Frieda die falsche Zeit gesagt hat. Tage später hat sich Tochter Blauhoff zum Besuch angesagt, und die Mutter bittet: „Bring doch ein paar Margaretas für heute Abend mit.“ Und mit was kommt die Tochter an? Mit einem großen Strauß Margariten. „Tja, das hab ich am Telefon verstanden,“ erklärt die Tochter.
Im November gibt’s dann die Panne mit Tante Gerdas 80. Geburtstag. Blauhoff mag die alte, immer frierende Dame sehr. Sie lebt in ärmlichen Verhältnissen, und er möchte ihr mit einem Geschenk Freude machen, aber es soll auch praktisch sein. Also bestellt er im Großmarkt fünf Rosen und einen Zentner Kohlen. Was steht mit einem herzlichen Glückwunsch am nächsten Morgen vor Tante Gerdas Zimmertür?? Fünf Säcke mit Rosenkohl.

Tante Gerda

Herr Blauhoff ruft endlich bei einem Mann von der Post an, der das Telefon reparieren soll. Der guckt und schraubt und prüft, schreibt eine dicke Rechnung und sagt: „Alles in Ordnung, es müßte einwandfrei funktionieren, ich glaube, es will nicht.“ „Der Mann scheint nicht recht bei Troste zu sein,“ denkt Blauhoff, „als ob so ein Kasten einen Willen habe.“ Da wird Frieda aber wütend: „So, meinst Du, dummer Schlaukopf, warte, jetzt werde ich es Dir zeigen.“ Und Frieda sinnt auf Rache. Als Frau Blauhoff am nächsten Morgen bei ihrer Schwiegertochter anruft und fragt, wie es ihrem Sohn geht, ist die Antwort: „Ach, gut, er macht gerade einen Besuch bei der Bank.“ Und was hört die entsetzte Mutter: „Der macht gerade einen Bruch bei der Bank.“ Aufgeregt ruft sie bei der Polizei an, um vielleicht das Schlimmster zu verhindern. Mit Martinshorn und Blaulicht rast eine Polizeikommando zur Bank. Und… sie treffen an: Zwei gesetzte Herren, die bei einem Gläschen Kognak im Chefzimmer sitzen und über ein größeres Auslandsgeschäft sprechen.
Am Ende fängt nun Frieda an, von selbst zu läuten. Und zwar immer dann, wenn Herr Blauhoff, im Keller, oder im Garten ist, oder auf dem Klo sitzt. Und dann krächzt ihm entgegen: „Keiner dran, keiner dran.“ Nun kommt es, wie es kommen muß.
Herr Blauhoff verkündet: „Wir brauchen ein neues Telefon.“ Oh je, was ist Frieda da erschrocken. Zur gleichen Zeit hatte man sich auch einen neuen Fernseher angeschafft, der sehr gelobt wurde. Aber auch Frieda war entzückt von dem neuen Familienmitglied. Nachts himmelte sie das Gerät an: „Ach, was beneide ich Dich, Deine Leute sieht man doch wenigstens, wenn sie sprechen. Ich finde dich großartig. Der Fernseher flüsterte: „Aber in Dich kann jeder reden, mich kann man nur anhören, das ist gemein, ich würde gern so sein wie Du.“ Und so plauderte sie nächtelang und wurden sich immer sympathischer. Und eines Morgens, es ist unglaublich aber wahr, da stand da ein funkelnagelneues Bildschirmtelefon und grinste die ganze Familie fröhlich an. Was waren die Blauhoffs stolz. Sie waren die ersten, die so ein tolles Gerät hatten. Frieda haben sie aber nicht weggeschmissen. Sie steht jetzt in der Vitrine, und in ihrer Drehscheibe auf der früher die Fliegen Karussell gefahren sind, stecken jetzt kleine Stoffblümchen. Es sieht ganz reizend aus und passt zur altmodischen Einrichtung, denn ganz so futoristisch sind Blauhoffs doch nicht geworden.

Gestorte Telefobaby

Kommentieren