Cl. Der Troll im Groll.
Es war einmal ein armes Bäuerlein, das brav und gottesfürchtig völler Mühsal sein Tagewerk vollbrachte. Es hatte seinen Acker ganz nahe bei Clingen am Rande des Grolls. Das Groll war ein kleines Wäldchen auf einem Hügel gelegen. Die Leute erzählten voller Schauer, daß es vor Urzeiten einmal ein heiliger Hain, ein Gral, gewesen sei, und es wären uralte Riten dort vollzogen und grausige Opfer gebracht worden. Seltsam war, daß die über die Jahrhunderte hin totalen Rodungen diesen Ort stets verschont hatten, sodaß der Hauch der Ahnen noch immer unter den alten Eichen waberte. Der Bauer aber hatte keine Furcht, seine Sorge waren nur die dunkllen Gewitterwolken, die sich meist hinter dem Groll zusammenzogen und seine Ernte zu verhageln drohten. Doch was seinen Seelenfrieden bedrohte, war sein tückisches Weib, das ihm das Leben vergällte, und so manches Mal hatte er schon gewünscht: “Soll sie doch der Teufel holen!”
Eines Tages nun klopfte es an seiner Tür, und ein fremder Herr stand davor. Er war vornehm gekleidet, doch sein linkes Bein endete in einem Pferdehuf. Er verlangte in barschem Ton die Scheune des Bauern zu eigen und behauptet dreist, er benötige sie dringend für seine Hundemeute.
Da nahm der Bauer ‘nen Knüppel
und schlug den Herrn zum Krüppel.
Doch am nächsten Tag erschien dieser wiederum, stärker und gewaltiger als zuvor, und schrie: “Heute will ich Dein Haus!”
Da griff der Bauer zum Beile
und hieb den Herrn in zwei Teile.
Aber am dritten Tag stand dieser erneut vor der Tür und war ein Riese geworden.”Nun gib mir Dein Weib!” befahl er.
Da sprach der Bauer:”fitt,fitt,
nimm die Alte mit.”
Augenblicklich verdunkelte sich der eben noch heitere Himmel. Vom Groll herüber rollten grollende schwarze Wolken heran, und plötzlich loderte eine grelle Stichflamme empor, und von irgendwo ertönte eine Stimme:
“Heureka, ich hab ihn gefunden!
Jetzt bin ich erlöst, jetzt bin ich frei, jetzt mußt er satt meiner den Bösen spielen.”
Und mit der erlöschenden Flamme waren er und das Weib verschwunden.
Drei Tage später fand ein Fuhrmann eine Frauenleiche im Dickicht. Man zerrte das Bäuerlein vor Gericht , es wurde des Mordes für schuldig befunden und am Halse aufgehängt. So hatte seinen Leib der Henker bekommen, seine Seele aber holte sich der Teufel. Er formte aus Dreck und Lehm eine menschliche Gestalt, stopfte die geraubte Seele hinein und befahl diesem, für die Menschen unsichtbaren Geschöpf, in seine Dienste zu treten und Unwesen zu treiben.
So ward der Troll geboren, als Menschenverächter, als Quäler und Vernichter. Er versteckte sich im Groll.
Die Gegend wurde unheimlich. Fuhrleute meinten, ein höhnisches Gelächter zu vernehmen, wenn sie die kleine Anhöhe hinauffuhren.
Ein Waldarbeiter berichtete, er sei von hinten gestoßen worden, obwohl er ganz allein im Wald gewesen sei. Und so hieß es eben: “Da muß ein Troll sein.”
Bekam Omas Dackel die Staupe, steckte wohl der Troll dahinter. Die Schweine erkrankten an Rotlauf, und die Pferde hatten den Rotz, der Weizen verhagelte und die Kartoffeln fraß der Käfer auf, alles Trolls Werk. Doch dann, als der Sohn des Gutsherrn mit dem Landauer durchs Groll fuhr, das Pferd durchging , der Wagen kippte und der Junge zu Tode kam, breitete sich in der ganzen Gegend Angst und Schrecken aus.
Da wurde der Troll sehr traurig. Er war nicht der satanische Hexer wie sein Vorgänger, er war im Herzen ein braves Bäuerlein geblieben, und so trollte der Troll wieder ins Groll und grübelte.
Die Stämme der alten Eichen stehen so dicht beieinander, daß kaum ein Durchkommen ist. Die Kronen bilden ein geschlossenes Dach und tauchen den Wald in Dämmerlicht. Und da dachte der Troll: “Los werde ich meine Verwünschung nicht , aber ich kann die Menschen auf meine Art verzaubern.” Und so wurde er schließlich zum drolligen Troll und treibt lustige Streiche.
So stolziert er etwa als graziles Reh aus dem Wald und hoppeln plötzlich als Kaninchen davon.
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Er verwandelt sich in eine Kreuzotter, tänzelt vor den erschrocknen Menschen herum und lacht sie aus.
Da wo eben noch welkes Laub und dürre Äste lagen, steht plötzlich ein großer Heckenrosenbusch. Und will jemand eine der prachtvollen Blüten brechen, hat er auf einmal eine riesige Hagebutte in der Hand.
Und so treibt er seine Späße mit den Menschen.
Er malt Gespenster an nächtliche Fenster,
er schauert die Leiber uralter Weiber,
läßt sie weinen, und kichert sich einen.
Er ist auch ein Kenner törichter Männer.
Er braucht nur zu winken,
dann müssen sie trinken.
Er läßt sie lallen, und läßt sie fallen,
macht einen Versehrten aus einem Gelehrten.
Ich sage zum Schluß, er macht nur Stuß.
So war es lange, lange Zeit.
Die Menschen allerdings haben im Verlauf der vergangenen 1 000 Jahre viel gelernt. Man glaubt nicht mehr an Hexerei, wenn ein Kind die Pocken hat oder ein Hund die Tollwut. Die Wissenschaft hat vielen Aberglauben überwunden. Heute feiert man in dem verwunschenem Wäldchen sogar mit Blasmusik und Kaffee und Kuchen zu Pfingsten das Grollfest.
Ob der Troll erlöst worden ist?? Man weiß es nicht genau. Ein bißchen gruselig ist es eben doch noch, das Groll. Und so heißt es:
Im Groll da hausen die Hexen, und anderes Gruselpackt.
Sie wandeln sich zu Exen und machen die Seele nackt.
Sie schleichen als blinde Schleichen und tragen als Ottern ein Kreuz.
Vom Grolle mußt Du weichen, denn das Groll verhext die Leuts.
Wappen von Rohnstedt.