Cl. Das Brunnenweib.
Zu Zeiten, als die Brunnenstraße noch Borngasse hieß, sprudelte wirklich ein kleiner Born durch die Gasse. Die Helbe, hier Klinger genannt, von Westgreußen durch das Feuerloch kommend, floß vor der Mauer zwischen Dörre und Schneidewind am Spritzenhaus vorbei über den Markt, in dessen Ecke ein großer Brunnen stand. Dort teilte sie sich. Der eine Arm floß am Rathaus entlang durch die Keltergasse zur Borngasse. Der andere Arm plätscherte durch die Lange Gasse zum Plan, an dessen Ecke ebenfalls einen öffentlichen Brunnen stand. Er vereinte sich schließlch am Welkertor mit seinem Zwilling und ergoß sich in die sächische Helbe.
Vor langer, langer Zeit, als man noch keine Pumpe hatte, der Brunnen also ein offener Ziehbrunnen war , und das Wasser mit einem Eimer aus der Tiefe gezogen werden mußte, war dieses Kätes Aufgabe. Käte diente fleißig und ehrlich im Pfarrhaus als Magd.
Des Pfarrers Weib war eine strenge Person, die rechtschaffen für Haus und Hof und Gemeinde sorgte. Vor allem wollte sie den Armen helfen, die nicht Dach noch Brot hatten. So waren alleweil Kammern und Ställe im Pfarrhaus mit Bedürftien, und solchen, die es garnicht waren, vollgestopft. Und für alle mußte Käthe waschen und kochen. Wie seufzte sie, wenn sie täglich viele Eimer Wasser für die Wäsche schöpfen und in großen Kesseln das Essen zubereiten mußte. Und immer gab es Erbsensuppe. Erbsen mit Griefen und Erbsen mit Kartoffen, Erbsen mit Wurstbrühe und solche mit Zwiebeln und Schmalz. Bald konnte Käthe keine Erbsen mehr sehen und noch weniger essen, und sie beklagte sich bitter beim Jakob, ihrem Freund. Schießlich beschloß sie, eines nachts den großen Sack aus der Vorratskammer zu zerren und die verhassten Kügelchen in den Brunnen zu schütten. Oh weh, was geschah !!!
Die Erbsen quollen auf und quollen und quollen, und am Ende war der ganze Brunnen verstopft, kein Tröpfchen Wasser konnte man mehr schöpfen. Voller Verzweifelung versuchte Käthe mit einer langen Stange im Brunnen herumzuquirlen. Sie beugte sich immer mehr über den Rand und … fiel kopfüber selbst in den Schacht. Nun war das Wehleiden groß. Jakob war wie von Sinnen. Er gab die ganze Schuld der Pfarresfrau, und in seinem Wahn, dem Weib einen gleichen Schmerz zuzufügen, lauerte er in der nächsten Nacht dem Pfarrer auf, als der seinem alten Hund am Wurmbach ausführte. Am Igenstein fiel er den Mann an und erwürgte ihn. Das Urteil war hart und beide Liebenden hatten nun kein Leben mehr.
Aber seltsam. Die Cligener beobachteten, daß jedesmal, wenn eine Vollmondnacht gewesen war, am nächsten Morgen drei Erbsen vor dem Brunnen lagen. Und nach einiger Zeit gab er plötzlich wieder Wasser.
Viel, viel später ist der Brunnen dann ganz stillgelegt worden, und man hat Bauarbeiten auf dem Gelände durchgeführt. Dabei stieß man auf die Grotten, und, Ihr werdet es nicht glauben, man fand dabei einen Stein, der genau wie der Kopf einer jungen Frau aussah. War es das Haupt des Brunnenweibs?
Heute gib es kaum noch Brunnen, Die Wasserleitung hat auch Clingen erobert Die Klinger ist Geschichte. aber auch von der Helbe mit ihren Gänsescharen sieht man nicht mehr viel. Sie ist unter neuen Straßen und Häusern verschwunden.