Das kleine rote Auto. (sei zufrieden, was Dir beschieden )

Nun mal etwas für die Kleinsten.
Dies ist mein erstes “Märchen”. Ich habe es vor über 50 Jahren meinem kleinen Sohn erzählt. Er hatte ein rotes Match Box Auto und kreiste damit unermüdlich über Boden, Stühle und Tische. Aber sein Freund hatte einen schwarzen großen Mercedes, und er wollte unbedingt auch einen solchen. So kam es zu dieser Geschichte.
Titel kl

Es war einmal ein kleines rotes Auto. Das stand in einer großen Garage, eingezwängt zwischen lauter piekfeinen, dicken Karossen, die blitzblank schwarz und metallig glänzten. Es kam sich sehr armselig vor. Und die großen Wagen drängten es immer mehr in eine Ecke und sagten: “Wir haben einen größeren Wendekreis, für dich reicht das kleine Winkelchen.”
Das kleine Auto gehörte dem kleinen Herrn Ferdinand. Der war bei einem Bäcker angestellt und fuhr ganz früh an jedem Morgen die Brötchen zu seinen Kunden. Das Innere des kleinen Autos war auch nicht mit weichem Leder gepolstert oder mit Leopardenfellen bedeckt sondern mit Plastikfolie, und es lagen immer Semmelkrümel herum, denn der kleine Herr Ferdinand war fleißig und trug täglich viele Körbe mit Brötchen aus.

Auto Alter Markt mit rotem Auto

Eines abends, als die großen Autos wieder einmal ganz hochmütig über das kleine spotteten, fing dieses jämmerlich an zu weinen:

Ich möchte was Besondres sein,
und alle soll’n mich seh’n!
Und jeder, der jetzt besser ist,
der soll vor Neid vergeh’n!

Und dann wünschte es sich, das größte Auto der Welt zu sein und schlief ein. Plötzlich schien sich das Autochen gewaltig aufzupumpen, wie ein Luftballon. Es wurde groß und größer. Gerade paßte es eben noch durch das Garagentor, da blähte es sich auf der Straße noch mehr auf. Das kleine Auto strahlte: “Nun bin ich der Größte!” Aber kaum hatte es das gesagt, da blieb es schon an allen Pömpeln hängen. Durch kleine Gassen konnte es schon garnicht mehr fahren, und das war schlecht, wo doch da besonders viele Brötchenkunden wohnten. Und als es bei Pfeffer am Markt um die Ecke bog, da kratzte es sich den ganzen Kühler kaputt. Endlich steckte es mitten im Tunnel der Unterführung fest. Es konnte nicht mehr vor , und nicht mehr zurück. Auf beiden Seiten des Tunnels standen lange Autoschlangen, die Fahrer hupten laut und schimpften fürchterlich. Da jammerte das große kleine Auto: “Ach, wäre ich doch nur wieder klein!”

 

Auto im Tunnel

Am nächsten Morgen stand es wieder in der Garage in seinem Winkel. Aber es war noch keine Woche vergangen, da fing es wieder an zu weinen:

Ich möchte was Besondres sein,
und alle soll’n mich seh’n.
Und jeder, der jetzt besser ist,
der soll vor Neid vergehn!

Und es wünschte sich schwimmen und fliegen zu können.
Da wuchsen ihm in der Nacht Schwimmflügel unter den Rädern, und schwerfällig rutschte und rollte es in den Johannisbach hinein. Die Fische im Wasser hielten sich vor Lachen den Bauch: “Was bist Du für ein komisches Vehikel, Du kippst doch gleich um.” Wie es dann weiter auf den Obernsee hinaus fuhr, da schüttelten die schnittigen Segelboote, die es neuerdings da gab, nur die Köpfe: “Du kannst doch garnicht Kurs halten, du bist doch viel zu steif.” Und schon lief das kleine Auto voll Wasser. Beinahe wäre es ertrunken. Im letzten Augenblick hat es noch ein Rad nach oben geklappt. Das dreht sich ganz schnell , wie bei einem Hubschrauber. So zog sich das Auto selbst aus dem Wasser und stieg in die Lüfte. Das gefiel nun den Vögeln garnicht, sie kreischten und lärmten: “Mach, daß Du wieder auf die Erde kommst, wo Du hingehörst, Du störst uns und unsere Kinder.” Auch eine alte, weise Eule im Walde wackelte mit ihrem Kopf, verdrehte die Augen und murmelte: “Was es heute für Dummheiten in der Welt gibt, ein jeder denkt, er könne fliegen.”Auto fliegt

Plötzlich zog ein Gewitter auf, und es blitzte und donnerte. Ein fürchterlicher Sturm schüttelte das kleine rote Auto hin und her, und es wünschte sich sehr, wieder in der schönen, trockenen Garage zu stehen. Und da stand es dann auch am anderen Morgen.

Lange Zeit war es nun zufrieden und fuhr für den kleinen Herrn Oskar willig die Brötchen aus. Aber dann wurde es unruhig und jammerte wieder:

Ich will nun mal besonders sein,
und alle solln mich seh’n.
Und die jetzt besser sind als ich,
die werden das verstehn.

Aber die anderen verstanden es nicht. Sie lachten nur. Da wünschte sich das Auto, aus purem Gold zu sein, damit alle vor Neid platzen würden.
Gerade, als die Glocke der Akltstädter Kirche Mitternacht schlug, schlichen sieben Diebe in die Garage. Sie wollten die großen, dicken, feinen Autos ausrauben. Als sie nun den goldenen Wagen sahen, wurden sie ganz wild. Sie rissen ihm mit Zangen und Scheren auseinander. Einer schleppte die Türen weg ein anderer die Kotflügel, der Dritte griff sich das Dach, der Vierte und der Fünfte rollten die Räder raus, die Polster zerrte der Sechte weg, und für den Siebent blieb nur noch die Antenne.

Auto Räuber

Da stand das arme Auto ganz und gar nackt! “Ach, wenn ich doch wieder wie früher sein könnte, nie wieder wollte ich etwas anderes sein.”
Am nächsten Morgen kam der kleine Herr Ferdinand wie jeden Tag und fuhr zu seinen Kunden. Die sagten zu ihm: “Wir sind doch sehr dankbar, daß Sie uns immer, so schön mit Brötchen versorgen, das ist heute selten, und wir freuen uns darüber.” Da antwortete der kleine Herr Ferdinand: “Eigentlich müßt Ihr Euch bei meinem kleinen roten Auto bedanken. Wenn ich das nicht hätte. Es ist ein ganz besonderes Auto, immer hilft es mir treu bei der Arbeit, und läßt mich nie im Stich. Mit so einer Luxuskarosse könnte ich garnichts anfangen. Die fahren ja immer nur in Urlaub und sind auch viel zu teuer.
Und was glaubt Ihr, wie stolz das kleine rote Auto da war.

Bäcker Oskar

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