Die drei Gesellen. (der Zauberstenz )

(oder, “Wie das Schützenhaus entstand.”)

Gesellen bunt 2

Die drei Gesellen hatten ihre Lehrzeit bei einem Meister gemacht und waren dann auf die Walz gegangen. Als Tippelbrüder mit dem “Koks”, dem großen Hut auf dem Kopf, dem kragenlosen Hemd, das man “Staude” nannte und auf dem “die Ehrbarkeit” – eine Art Krawatte – baumelte, waren sie 3 Jahre lang durch die Lande gezogen. Ihr Hab und Gut war ordentlich in einem großen Tuch, dem “Charlottenburger” verknotet. Nun kamen sie von ihrer Wanderschaft nach Bielefeld zurück und suchten einen Arbeitsplatz. Der eine war ein Zimmermann, der andere ein Steinmetz und der dritte im Bunde ein Bruder Lustig. Es waren Otto der Erste, Otto der Zweite und Friedel mit der Fiedel. In der Stadt waren in dieser Zeit viele Fabriken entstanden, und dort wurden die Waren billiger und schneller hergestellt, als in den kleinen Werkstätten der Handwerker. Da konnte mancher Meister nicht mehr mithalten und arbeitete am Ende selbst in der Fabrik. Und so mußten die drei Gesellen nach langer vergeblicher Suche schließlich ihre Kluft an den Nagel hängen und auch Fabrikarbeiter werden.

Auch aus der ländlichen Umgebung strömten nun viele in die Stadt und suchten Arbeit und einen Platz zum Schlafen. Zwar gab es ein Logishaus am Bahnhof, wo die Zuzügler jeweils ein Bett mit einem weiteren Ankömmling teilen mussten, aber das war zu teuer. Die beiden Ottos wurden Schlafgänger bei einem Flickschuster in der Notpfortenstraße und teilten sich die Matratze, die der in seiner Küche aufgestellt hatte.
Als dann Friedel auch noch hinzu kam, sagte der Schuster: “Willst du schlafen, geh zu den Schafen.” Und wirklich war ein Strohlager durch einen Bretterverschlag vom Stall abgetrennt. Wenn die Schafe ihn durch ihr Blöken dann nicht einschlafen ließen, spielte Friedel auf der Fiedel ein lustiges Liedchen und die Tiere gaben Ruhe.

Die Arbeit in der Fabrik war schwer und eintönig, die Luft in den großen Hallen stickig und die Zeit schien endlos. Die drei Gesellen gedachten wehmütig an die fröhliche Wanderzeit in der frischen Natur, wo die Glieder sich lösten und die Brust frei atmen konnte. Und als sie an einem Sonntag durch die Straßen schlenderten, kamen sie an eine lichte Kreuzung, da, wo die Altstadt die Neustadt trifft, den Platz, den man heute “Jahnplatz” nennt, und sie sahen, wie dort eine Eiche gepflanzt wurde. Daneben hatte man einen Sockel aufgebaut und darauf stand die Büste eines bärtigen Herren. “Ei, wer ist das, dass Ihr ihn hier so ehrt?” fragten sie.

Jahnplatz bunt

Da wurde ihnen geantwortet: “Kennt Ihr nicht den Turnvater Jahn? Er ist unser Held. Er hat dafür gekämpft, dass die Menschen neben dem Geist auch den Körper stärken. In den Schulen gibt man jetzt auch Turnunterricht, denn aus tüchtigen Turnern werden einmal tüchtige Soldaten.” “Ach”, dachte Otto der Erste, wenn wir doch auch turnen könnten”. Da schlossen sie sich mit Gleichgesinnten zusammen, und es entstand der “BGT”, die Bielefelder Turngemeinschaft, und Otto wurde zum Turnwart gewählt. Er war Vorturner, und wer ihm nicht gehorchte, wurde ausgeschlossen. Otto der Zweite bekam das Amt des Säckel-wartes. Er sammelte die Strafgelder ein, 50 Pfennig etwa, wenn man zur Beerdigung eines Turnbruders nicht anwesend war. Aber er kassierte auch das Eintritts- und Tanzgeld auf Festlichkeiten, für die Friedel zuständig war. Doch es regnete viel in Bielefeld, und die Winter waren kalt. Otto wünschte sich also einen großen, wetterfesten Raum. Da wurde am Rande des Kesselbrinks die erste Turnhalle in Bielefeld gebaut. Nun konnte man außer Wettlauf zu üben, sich im Trockenen am Tau hoch hangeln, die Muskeln an den Ringen stählen und Bocksprünge
machen.

Turner bunt

Und die Straße, die auf den Kesselbrink zugeht, und an deren Mündung
die neue Turnhalle steht, heißt bis heute “Die Turnerstraße”.
Damals gab es noch keine Berufsfeuerwehr, so wurde neben dem eigenen Gesangverein auch eine freiwillige Feuerwehr aufgestellt. Man brauchte ja kräftige, wohltrainierte Männer, die auf dem Kopfsteinpflaster die Feuerspitzen zum Brandherd befördern konnten, und auch zur Bedienung der Pumpen waren Kerle mit Muskeln nötig. Besonders aber galt es, mutige Burschen zu haben, die ohne Angst auf hohe Leitern klettern konnten. Und da war das Training im Turnverein die beste Vorbereitung.
Das Schönste im Jahr waren aber die Turnerfeste. Es wurden Wettspiele gemacht, und dann zogen die Turner mit Musik und Fahnen durch die geschmückte Stadt. Aber wo sollte man feiern, die Gaststätten im Ort waren für die vielen Menschen zu klein. “Ach, hätten wir doch einen großen Festsaal” wünschte Otto der Erste. Und siehe, da wurde in aller Eile auf dem Johannisberg ein prächtiges Lokal gebaut. Man nannte es “Schützenhaus”, denn natürlich feierten auch die Schützen hier oben ihre Feste. Das Gebäude wurde durch Bomben schwer beschädigt und 1960 abgerissen, doch lange stand noch eine einsame Kanone am Rande.

Schuetzenhaus auf dem Johannisberg+

Man nannte es “Schützenhaus”, denn natürlich feierten auch die Schützen hier oben ihre Feste. Das Gebäude wurde durch Bomben schwer beschädigt und 196o abgerissen, doch lange stand noch eine einsame Kanone am Rande.

Kanone Johann 2 mit Burg

Wisst Ihr auch, warum das alles so geschehen ist? Otto wusste es selber nicht. Aber sein “Stenz”, der Wanderstock, später als Spazierstöckchen benutzt, war vom Stamme einer Wildkirsche geschnitten worden. Um diesen hatte sich ein zur Sonne blickendes Geißblatt gewickelt, so konnten die prächtigen Knoten entstehen, und er war zum Zauberstab geworden. Und immer, wenn Otto sich etwas sehr gewünscht und mit dem Stock hart aufgestampft hatte, war es in Erfüllung gegangen.Die drei Gesellen haben nette Mädchen aus der Spinnerei geheiratet. Otto bekam noch seinen Meisterbrief und hat viele Dachstühle für Arbeiterhäuser errichtet. Und Friedels Enkeltochter bemüht sich im Frauenturnbund, einmal die Olympiade nach Bielefeld zu holen. Der Hermannslauf würde sich doch bestens zu einem Marathon umändern lassen, und im Ishara könn-ten die Schwimmbewerbe stattfinden.
Doch leider ist noch kein Zauberstab wieder gewachsen.

Stenz

Da steht einer, Ihr müßt ihn nur finden!

 

 

1 Kommentar zu „Die drei Gesellen. (der Zauberstenz )“

  • Werner Hermes:

    Hallo
    Das haste ja einen sehr schönen Stock gefunden!
    Ich selbst habe ca. 20 Stück und bin immer noch auf der Suche
    Schneiden, abrinden, gerade stellen behandeln und anschauen
    Viel Spaß weiterhin
    Gruß
    Werner

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