Die Jostberglegende. ( Klosterruine am Jostberg )

Ein Geschäftsmann klappte in seinem Büro in Osnabrück die dicken Geschäftsbücher zu. Morgen wollte er einen kurzen Termin in Bielefeld wahrnemen, um einen wichtigen Abschluß zu machen. Nach zwei Gläsern Whiskey sank er müde in sein Bett.

Auf einmal schien er seine Reise schon angetreten zu haben. Er hatte, da er nun gerade unterwegs war, einen Umweg über die Burg Ravensberg gemacht und dort seinen Freund, den Drosten, besucht. Nun rollte er in einem Dog-Cart, von einem edlen Araberhengst gezogen, gen Bielefeld, in der Hoffnung, sein Ziel noch vor Eintritt der Dunkelheit zu erreichen .

Einschlingen MIT pFERD

Waren zunächst Osnabrück und Münster die bedeutensten Städte im Lande gewesen, hatte sich das kleine Bielefeld inzwischen auch zu einer Handelsstadt entwickelt. Zu den wichtigen Fernwegen Köln-Bremen und dem Hellweg Paderborn-Braunschweig, gab es nun auch nach Bielefeld eine befestigte Straße durch den Pass über den Osning. Nicht der gestreßte Geschäftsmann hatte gerade Einschlingen verlassen, es war sein Urahn, der Edelherr Wiebold. Er hatte ein Schwätzchen mit dem Freytagsmüller in der Wintersmühle gemacht,der sich beklagte, daß er wegen des geringen Wasserstandes des Bullerbaches nur Freitags mahlen dürfe. Nun fuhr auf den finsteren Tann des Jostberges zu. Er schien in tiefem Kummer verloren. Seine Burg hatte er verpfänden müssen, seine Frau war gestorben, und seine Söhne hatten sich von ihm abgewandt. Er hatte das Zutrauen zu den Menschen und auch sein Gottvertrauen verloren. Müde und unachtsam döste er in seiner schnellen Jagdkutsche dahin. Die Reise war doch anstrengender als er gedacht, und so geschah es. In einem schmalen Stieg rutschte der Wagen seitlich ab, und ein Rad brach. Die Nacht hatte einen schwarzen Vorhang vor den Himmel gezogen, und es war still und menschenleer. Mühsam schleppte sich Wiebold durch das Dickicht. Plötzlich krachte ein fauler Baumstamm hernieder und klemmte sein Bein ein, er war gefangen. Verzweifelt lauschte er nach einer menschlichen Stimme, aber er hörte nur den Schrei eines Käuzchens. Doch plötzlich drang aus der Ferne Wolfsgeheul an sein Ohr. Vor Furcht und Schmerz schwanden ihm die Sinne.

jOSTGEIERWOLF 2

Als er im Morgengrauen endlich die Augen öffnete, erschrak er sehr, und drohte, gleich wieder ohne Macht zu sein. Er erblickte vor sich eine ungeheuerliche Gestalt, einem Vogel ähnlich, mit einem riesigen Schnabel der mit seinem spitzen Krallen nach ihm griff. Voller Entsetzen wollte er aufspringen, aber sein Bein war noch immer unter dem Stamm verfangen. Eine Große Hitze überfiel ihn, und er fürchtete schon, der Teufel wolle ihn holen. Da reckten sich seine Hände zum Himmel empor, Hilfe erbittend. Und auf einmal änderte sich das Bild.

Jostwald

An seinem Ohr scheinen Zimbelklänge und Engelsgesang zu erklingen. Die Wölfe waren verschwunden. Männer in Sandalen kommen mit einem Karren und Schaufeln aus dem Dickicht. Sie tragen braunen Kutten, gerafft von einem Maurerstrick an dem drei Knoten geschlungen sind, die Armut, Keuschheit und Gehorsam symbolisieren. Ein Hemd ist ihnen nur bei Krankheit erlaubt. Es sind fromme Mönche der Franziskaner. Sie hatten den Fremdling entdeckt, ihn für einen Pilger gehalten, der, durch die Pest geschwächt, zusammen-gebrochenen, und hilflos in der Kälte verloren schien. Sie hatten deshalb den Doktor Schnabel, den Pestarzt geholt. Damals grassierte diese fürchterliche Krankheit, die durch Flöhe von Tieren auf die Menschen übertragen worden war, in ganz Europa. Es hat der schwarze Tod wohl ein Drittel der Bevölkerung dahingerafft. Die Mediziner schützten sich mit einer Maske, in deren Schnabel wohlriechende Kräuter steckten, gegen die, wie man dachte, bösen Dünste.
Die Mönche bringen den Mann mit der Karre zu ihrer Kapelle, um ihm die letzte Ölung zu geben. Danach betten sie ihn im Pilgerhäuschen auf einem Gestell, hoch über Nasenhöhe, damit er für die Mitbewohner nicht die Luft verpeste.

Die Franziskaner sind wie die Kapuziner Minderbrüder, also Bettelmönche. Sie wählen den absoluten Verzicht an weltlichen Gütern, einzig Bücher durften sie besitzen, da sie des Lesens und Schreibens kundig waren und lehrten. Ihren Unterhalt ermöglichen sie durch Almosen. Hier auf dem Kamm des Jostberges, dem Loyekhuserberge, am Wegkreuz zweier Waldpfade hatten Gläubige in einem “domunculam”, einem Häuschen, den heiligen Eremiten Jodokus verehrt, und es wurden Wallfahrten dorthin unternommen. 1498 übernahmen Franziskaner mit Erlaubnis des Grafen von Ravenberg die kleine Kapelle, um die Pilgerer und Wallfahrer, die auf Gottes Wegen durch Europa zogen, zu betreuen.
Durch die hingebungsvolle Pflege der frommen Brüder genaß Wiebold.
Er hatte seinen Glauben wiedergefunden. Er stiftete den Verbleib seines Vermögens dem Orden und legte voller Demut das Gelübde als Mönch ab. Abseits der Kapelle wurde im gotischen Stil ein einschiffiges Gotteshaus gebaut mit einem Kreuzrippengewölbe, vier Eingängen und einem Altar mit doppelten Fundament. Es gab keinen Turm, sondern einen Dachreiter. 1502 wurde die Kirche geweiht.
Doch leider litt man in der Öde an Wasserknappheit und Kälte, auch der Pilger waren es zu wenige, die den mühsamen Weg wählten, sodaß die Mönche ihrer wirklichen Arbeit, die Seelsorge und Pflege nicht mehr zur Zufriedenheit ausüben konnten. Zuletzt wohnte in einem kleinen Anbau an die Kirche nur noch ein einziger Mönch als Einsiedler dort oben. So verlegte man das Kloster 1507 ins Stadtzentrum. Es wurde die Jodokuskirche am Klosterplatz errichtet. Die Jostkapelle verfiel zur Ruine und nur noch ein Kreuz im Wald erinnerte an sie.

Jostberg Kreuz 2

Hier könnte die Geschichte nun zu Ende sein. Aber da war ja noch der Nachfahre von unserem Wiebold. Der schreckte von seinem Albtraum hoch, hatte er doch beinahe den wichtigen Termin vergessen, den er in Bielefeld heute haben sollte. Er sann über das unglaubliche Erlebnis nach, das er nächtens gehabt hatte. Aus alten Erzählungen wußte er, daß seine Urahnen tatsächlich schon Handelsbeziehungen mit der aufblühenden Leinenstadt unterhielten, und es hieß in der Familie, daß einmal eine große Summe für eine Kirche gespändet worden war. So setzte sich der junge Mann also an seinen Computer und suchte in Google Earth den Osnig ab, und tatsächlich fand er im dichten Wald über Einschlingen einen versteckten Fleck, der wie niedrige Mauern aussah.

Jost Luftbild

Und so beschloß er, diesen alten Weg zu suchen. Er stapfte tapfer voran. Der Wald war ganz still, kein Wolf und kein Geier erschreckten ihn, und als sich das Dickicht der Baumkronen lichtete, stand er vor den etwa einen Meter hohen Mauern der spätgotischen Saalkirche, die in neuester Zeit liebevoll wieder erkennbar gemacht wird.

Jostberg Grabung

Bald machte er sich auf den Rückweg, denn langsam fing es an zu dämmern. Plötzlich stolperte er über eine Wurzel und rutschte in den Graben. Mühsam rappelte er sich auf und sah auf einmal im Gestrüpp etwas Verrostetes liegen. Es war ein Hufeisen, das ein Pferd verloren haben mußte. Ob dies die Stelle gewesen war, wo in seinem Traum der Kutschwagen seines Ahns verunglückt war??? Er wollte es für alle Zeit glauben.

Hufeisen 2

1 Kommentar zu „Die Jostberglegende. ( Klosterruine am Jostberg )“

  • Nick:

    Ich finde es gerade zum Geburtstagsjahr der St. Jodokus Kirche eine tolle Geschichte. Übrigens ich war auch schon dort.

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