Das Böckchen (Verwunschen im Astenturm )
Bielefeld ist noch immer hoch eingeschneit. Mein Sohn ist mit seiner Familie für ein paar Tage nach Winterberg gefahren. Man muß nicht immer in die Alpen, um Skifahren zu können. Aber mir ist da plötzlich das Böckchen wieder eingefallen. Und das ist mal wieder eine Geschichte für die Kleinen.
Wenn man über den “Stimmstamm” klettert und noch sieben Berge weitergeht, kommt man zu einem steilen Pfad der hinauf zum “Kahlen Asten” führt, dem Hausberg der Bielefelder und die höchsten Erhebung des Sauerlandes. Ganz oben schaut ein mächtiger Turm weit ins Land, und tief unten in dem alten Gemäuer wohnt das Böckchen.
Das Böckchen ist ein wilder Geselle, es scharrt und schnaubt und guckt mit frechen Augen unruhig umher. Es ist immer auf dem Sprung auszubrechen, denn wenn es lange ruhig steht, setzen seine spitzen Hörner Spinnweben an, weben es ganz ein, und es wäre gefangen. So wittert es unentwegt nach kleinen Kindern, auf die es springen kann.
Als das Böckchen selbst noch ganz klein war, lebte es in einer großen Bergziegenherde auf einer unterhalb der Hünenburg. Dort graste es mit seinen Eltern, Onkeln, Tanten und vielen, vielen Kindern. Nun war das aber keine gewöhnliche Herde sondern eine Feenfamilie. Man erkannte sie an ihren sanften Augen und dem weichen Fell. Wie alle Feen haben sie eine Aufgabe, sie sollen ihre Wunderkräfte nutzen, um Gutes zu tun. Damit sie den Menschen nahe sein und sie beobachten können, verwandeln sich diese Zauberwesen am Tag in friedliche Ziegen. Allerdings gibt es hin und wieder auch ungehorsame zwischen ihnen. Diese werden von allen ausgestoßen und müssen so lange als böse Fee arbeiten, bis sie von einem Menschen erlöst werden.
Unsere Ziegenfamilie hatte die Aufgabe, unter allen Geschöpfen für Frieden und Eintracht zu sorgen, So schauten sie auf den Feldern und Wiesen, in den Ställen und auf den Straßen den Menschen zu. In der Nacht berieten sie sich dann, wie man helfen könne. So prügelte in Ummeln der Knecht Hugo täglich den armen Hofhund Hasso. Die Feen lösten die Kette, und der Hund sprang in die Freiheit. Fritzchen vom Bültmannshof riß allen Blumen die Köpfe ab und zertrampelte die Beete. Da ließen sie ihn in eine Buschrosenhecke fallen, und die Dornen zerkratzten ihm Gesicht, Arme und Beine. Und als in Olderdissen der Bär ausgebrochen war, sorgten sie dafür, dass er schnell wieder eingefangen werden konnte. So taten alle ihre Arbeit, und sie taten sie gut.
Nur der Kleinste weigerte sich. Bei jedem Auftrag schrie er: “Ich will nich” Sollte er auf die Rehe aufpassen rief er trotzig; “Nein, ich will nich!” Sollte er auf die Pferde aufpassen, damit sie nicht zu schwere Last ziehen mussten, bockte er wieder: “Nein, ich will nich!” Bald wurde er nur noch “Willnich” genannt. Die Familie meinte zunächst, er sei ja noch klein, er würde es schon noch lernen. Aber Willnich lernte nicht, er wurde immer dreister und bockiger. Und als er einmal auf ein Vogelnest aufpassen sollte, es aber nicht tat und dann ein Kater alle 4 Vögelchen aufgefressen hatte, wurde die Familie böse.
Lange beratschlagten sie. Dann bildeten alle Feen einen großen Kreis. Die erste rief den Feuergeist und zündete in der Mitte eine große Flamme an. Die zweite zerbrach ein Stück Felsen und warf es in die Glut. Die dritte rief den Wind, der das Feuer auflodern ließ, und die vierte gebot dem Regen zu rauschen und das Feuer zu löschen. Hei, wie das zischte und brodelte und dicker weißer Dampf aufstieg. Als endlich nur noch ein verglimmendes Häufchen übrig geblieben war, nahmen alle Feen eine handvoll Asche und warfen sie auf Willnichs Haupt. Und ….
… augenblicklich hatten Feuer, Wasser, Luft und Erde Willnich in ein hässliches Tier verwandelt mit struppigen, mottenzerfressenem Haar und mit stechenden Augen wie aus kaltem Glas. Er war stumm und steif und hockte als böse Fee im Astenturm im sauren Land. Und von dort aus trieb er sein Unwesen.
Wenn die kleine Carolin schreit; “Nein, ich will die Erbsensuppe nicht essen!” und den Teller dann mit Schmackes an die Wand knallt, dann hockt gerade das Böckchen auf ihr. Und wenn Paulchen sich im Supermarkt hinschmeißt und brüllt; “Ich will keine Milch, ich will einen Himbeerlutscher!” Wenn Kati absolut nicht ins Bett will, und Stefan in der Haustür steht und brüllend verweigert, die Treppenstufen hochzuklettern, dann weiß man, Willnich ist mal wieder da. Die Kleinen können ihn nur vertreiben, wenn sie ganz laut rufen: “Böckchen geh weg!” Dann hat das Böckchen keine Macht mehr, es muß zurück in den Keller und auf das nächste Kind warten.
Wer es aber erlösen will, der muß über den “Stimmstamm” klettern, den Astenberg hinauf- und zum Turmverlies hinunter- steigen. Willnich bei den Hörnern packen und laut sagen: “Ich bin stärker als Du, ich will, dass du nicht mehr springst, ich will, dass Du nicht mehr stößt, ich will, dass Du nie mehr wiederkommst!” Dann wird aus dem Böckchen endlich wieder eine gute Fee, und sie wird ihrem Retter sein Leben lang helfen.
P.s. Ich kann nur allen leidgeprüften Eltern raten, auch einmal zum Astenturm zu fahren und ihren Kindern das Böckchen zu zeigen. Es könnte Wunder wirken.
Geplant war er als Erinnerung an den vor 1 000 Jahren geschlossenen Vertrag von Verdun, der die Teilung des Karolingischen Reiches in einen fränkischen und einen lotharischen Teil beinhaltete und somit der Beginn Frankreichs und Deutschlands war.
Aber das hat nun garnichts mit Willnich zu tun, denn der hüpft in alle Länder.