Der Rollmops (Hochzeit der Heringe )

Rollmops

Auf einem kleinen Eckchen neben der Fleischtheke wird bei Jibi auch Fischiges angeboten. Da gibt es eingelegte Garnelen oder Krabbensalat, und neulich war auch ein Rollmops und ein Brathering im Angebot, schön garniert und mit einer Klarsichtfolie abgedeckt. Man hatte sie schon vor Tage da hingeräumt, sie warteten auf Kunden, und es wurde ihnen schrecklich langweilig.

“Hoffentlich kauft uns bald jemand, sonst werden wir hier noch zu alt,” knurrte der Rollmops. Aber die Leute schienen mehr Appetit auf Wurst und Käse zu haben. Nach einer Woche fingen die beiden an zu murren und schließlich keiften sie sich gegenseitig an: “Daß dich keiner kauft,” krächzte der Rollmops, “ist kein Wunder, Du siehst ja so verschrumpelt aus, dagegen bin ich doch eine Schönheit.” “Gib mal nicht so an, Du Sauertopf” kreischte der Brathering. “Dich kaufen die Leute doch nur, wenn sie einen Kater haben, dagegen bin ich eine Delikatesse”. Die gehässige Antwort war: “Dafür habe ich eine viel bessere Figur, schau mal, mit welchem Schwung ich gerollt bin, während Du da so schlaff rumliegst.” “Aaaach du meine Güte, Du brauchst ja einen Holzstab als Korsett, sonst würdest Du auseinanderfallen, das habe ich nicht nötig.” Und so prahlten und stritten sie stundenlang.

Schließlich wurde es einer Flasche Bier, die neben ihnen in einem Kasten stand, zuviel. Mit sonorer Stimme, ob vom Trunk oder aus Altersweisheit – es war schließlich ein Lagerbier – hob sie zu sprechen an: “Nun hört aber auf, was soll die dumme Streiterei, Ihr seid doch Geschwister.” Da guckten die beiden ganz erstaunt. Das hatten sie nicht gewußt, und sie waren begierig, etwas über ihre Herkunft zu hören. “Erzähl, erzähl, was weißt du denn von uns?” drängte der Brathering., Und der Rollmops höhnte: “Da bin ich aber auch neugierig, was eine Flasche wohl erzählen kann.” Aber es war eine sehr gutmütige und freundliche Flasche, und so fing sie an, zu erzählen:

Bierflasche erzählt

Eure Mutter war ein schönes Heringsfräulein mit grünschimmerndem Rücken und silberner Taille. Jahrelang schwamm sie in einem großen Schschschwwwaaarm mit Gleichaltrigen durch die Nordsee.

Ließ sich von den Meereswellen bis nach Norwegen tragen und freute sich über Sonne und Wind. Dabei mußte sie aufpassen, daß sie nicht von einem Mövenvogel oder einem Seehund gefressen wurde. Sie selbst war mit winzig kleinen Algen und Meeresgemüse zufrieden. Als sie dann im Frühjahr sechs Jahre alt wurde, war sie erwachsen. Viele Tausend winzige Eier warteten in ihrem Bauch darauf, geboren zu werden. So schwamm sie in die Nähe der Küste und legte die Eierchen in flaches Wasser und auf Sandbänken ab. Und bald wurden aus den Eierchen winzig kleine Fischlein. “War ich auch dabei?” “Ich auch?” “Aber sicher, Ihr beide habt euch schon damals gestritten, Ihr habt Euch geknufft und gepufft und in den Schwanz gebissen. Aber die ganze Familie ist doch immer zusammen geblieben. Nun hat nicht nur eure Mutter Kinder bekommen, sondrn die anderen Heringsfrauen ebenfalls, sodaß im ganzen Meer große Schschwääärme herumschschwommen. Überall an den Küsten warfen nun die Fischer ihre Netze aus und fingen Heringe.”

 

Heringsschwarm

Gebannt lauschten die zwei Streithähne der spannenden Geschichte und wurden sich langsam immer sympa-thischer. “Was wurde aus den vielen Heringen? Erzähl weiter, erzähl weiter” quängelten beide. ” Nun ja, die meisten kamen in ein großes Fass und es wurde viel Salz darauf geschüttet. Das waren dann die Salzheringe. Andere wurden in wohlriechenden Rauch gehängt Und wurden zu Bücklingen.

Wieder andere steckte man auf Stöcke und ließ sie an der Luft trocknen. Diese nannte man dann Stockfische. Die ganz jungen, zarten wurden geschält und entgrätet, das waren die Mattjes. Die Bismarckheringe, die ihren Namen dem altehrwürdigen Reichskanzler verdanken, reiften in einer würzigen Tunke. Die Vettern vom Hering sind die ganz kleinen Sprotten, die gerade mal 10 cm lang werden. Aber die großen Onkels, ganz weit draußen im Atlantik, können sogar 70 cm erreichen.”
Rollmops und Brathering saßen Flosse in Flosse in ihrem Napf und hatten aufgeregt gelauscht. Auf einmal wisperte es aus einer Ecke: “OOOOch, uns hast Du vergessen, wir sind auch noch da, wir Konserven. Ich liege in einer wunderschönen Tomatensoße,” “und ich , meldete sich ein zweites Stimmchen,” “ich liege in einer Senfsoße. Wir sind Sardienen und gehören auch zur Familie.

Ja, und dann passierte doch etwas sehr Seltsames. Neulich Abend, nach Ladenschluß, gabs ein großese Fest bei Jibi. Alle Kunden waren schon gegangen, doch mich hatten sie vergessen, denn ich suchte noch nach Klopapier, das hatten sie schon wieder mal woanders hingepackt. Und so habe ich alles mit angesehn. Da hat doch tatsächlich der Rollmops den Bratfisch geheiratet. Die Bierflasche war Trauzeuge, und die Frauen von der Kasse haben Blumen gestreut.
Und seitdem gibt es bei Jibi gebratene Rollmöpse und gerollte Bratheringe.

HeringPaar

p.s. Am Schluß hab ich noch ein ernstes Gespräch mit der Flasche geführt: “Hor mal, alles gut und schön, aber Du weißt doch wohl, daß Ehen zwischen Geschwistern verboten sind.” “Nun ja, das darf man nicht so eng sehen” war die Antwort. “Erstens haben das die Ägypter schon vor 4 ooo Jahren gemacht, zweitens, such bei einer Million Geschwistern mal einen, mit dem Du nicht verwandt bist, und letztendlich ist das Ganze doch nur ein Märchen.” Nun war ich’s zufrieden.

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