Die grüne Maus (Römer im Teuto)

grüne Maus Titel

Der Onkel Fritz hat zwei große Leidenschaften, spazieren gehen und sich mit den Römern beschäftigen. Es gibt wohl kein Buch, was er über diese Zeit nicht schon gelesen hätte. Aber ganz besonders interessiert er sich für die Varusschlacht. Kein Wunder, wo er doch mitten im Teutoburger Wald wohnt.

Es war an einem schönen Sommerabend, als er wieder einmal seinen Lieblingsspaziergang über die Promenade machen wollte. Über den Lichtungen stieg schon leichter Nebel auf, und in den Wald kroch langsam die Dämmerung. Plötzlich – er konnte seinen Augen nicht trauen – sah er doch wahrhaftig an einem kleinen Hügel zwei römische Legionäre in voller Rüstung stehen. Sie schienen etwas zu suchen. Nun können Wesen aus der Vergangenheit aber nur an einem Ort erscheinen, an dem sie zu Lebenszeiten schon einmal gewesen sind. Also musste sie sich vor 2 000 Jahren hier aufgehalten haben.

“He,” dachte Onkel Fritz, “dann scheinen das Soldaten aus der Legion des Varus zu sein. Da haben wir doch endlich zwei Zeitzeugen, die uns berichten können, wo die Schlacht nun wirklich stattgefunden hat,” denn das konnte bisher nicht geklärt werden. Der Onkel suchte also seine letzten Brocken Latein, das er vor langen Jahren im Ratsgymnasium gelernt hatte, zusammen und sprach die beiden höflich an. Zu seiner großen Überraschung antworteten ihm diese im schönsten Althochsächsisch.

Sie waren Cousins, Marcus und Augustus, Gustel genannt. Ihr abenteuerlustiger Urgroßvater war mit den Teutonen nach Süden gezogen, hatte sich in Norditalien niedergelassen und war wohlhabend geworden. Er lebte mit einer Römerin, behielt aber seine alten Sitten und auch die Sprache bei. Als 100 Jahre später Marcus geboren wurde, weissagte seine Amme:
Einst wirst du dich im Walde betten,
doch ein Mäuslein wird Dich retten.

Als Markus zu einem Jüngling hergewachsen war, zog er mit seinem Vetter, beide waren genau so tatendurstig wie ihr Urahn, als römische Besatzer ins Lippelager nach Germanien. Markus wurde Feldzeichenträger und durfte eine silberne Maske tragen. Doch jetzt tappen sie etwas hilflos durch den Osning. Dem Onkel Fritz schienen die beiden hier sehr verloren, und sie berichteten:Römische Leg

“Die letzten Tage waren wüst gewesen. Die Cherusker waren aufsässig geworden. Sie haben die neu eingerichteten Marktplätze verwüstet, die Obstkörbe umgeschmissen und die Gäule verjagt. Sie wollen die Abgaben nicht zahlen. Und nun sollen wir die Unruhen unterdrücken. Aber ach, was ist das hier für eine unwirtliche Gegend, dichte Wälder, Sümpfe, und dazu das Wetter. Die ganze Marschordnung ist durcheinander gekommen, wir haben unsere Kohorde verloren und uns restlos verirrt,” stöhnt Markus. “Bei diesem Wetter kann man sowieso nicht kämpfen”, schimpft Gustel, “das Leder unserer Schilde trieft vor Wasser, und bei dem Unwetter sind auch unsere Bogen und Speere unbrauchbar geworden. Ein vernünftiges Wirtshaus, wo man, wie in der Heimat, heiße Bohnen essen könnte, gibt’s auch weit und breit nicht, da waren wir froh, dass uns ein Waldweiblein einen Leib Pumpernickel gegeben hat. Wir haben schon unseren Genius, unseren Schutzgeist, gefragt, was wir tun sollen. Aber der hat nichts gesagt, also haben wir auch “nichts” gemacht.

“Tja”, fragt Onkel Fritz drängend, “was war denn nun mit der Varusschlacht?” “Eine Schlacht”, kam zur Antwort, “wo war denn eine Schlacht? Wir wissen von nichts, wir haben Karten gespielt und sind dann im Wald eingeschlafen. Aber nun suchen wir Gustels Geldbeutel und die Karten. Die müssen in der Nacht verloren gegangen sein.”
Oh je, waren das etwa die einzigen Überlebenden des fürchterlichen Blutvergießens, welches Armins Mannen angerichtet hatten. Der Onkel wollte ihnen schon beim Suchen helfen, da erstarrte er. Ein riesiger Bär kam auf ihn zugetrottet. “Ach du liebe Güte,” schrie Markus “jetzt ist das Viech, das man für die Glatiatorenspiele eingefangen hatte, wieder ausgebrochen. Schnell weg hier, der hat Hunger!” Da waren plötzlich die Soldaten und der Bär verschwunden, und Onkel Fritz stand völlig baff mutterseelenalleine da. Tja, wo Hermann seine Taten vollbrachte, war nun leider immer noch unklar.

Einige Jahre später wurde in der Max Canbley-Straße, unterhalb der Stelle, wo Markus und Gustel gesucht hatten, ein neues Haus gebaut. Beim Ausschachten fand man eine Menge römischer Münzen, und … man fand ein Kartenspiel. Es war aus festem, durch die Jahrtausende bräunlich gewordenem Papyros. Die kunstvollen Tierbildchen darauf hatte man fein säuberlich mit einem zugespitzten Rohrhalm mit Ruß und Zinnober aufgemalt Es war das berühmte “vireo mus”, das “grüne Maus-Spiel”, der Urahn vom “Schwarzen Peter”. Viele Mäuse im Speicher zu haben galt damals als besonderes Pech, und so hatte der, der die grüne Maus zog, eben verloren und bekam ein grünes Blatt auf die Nase geklebt.

Übrigens hat man Markus’ Silbermaske später in Kalkriese gefunden, und seitdem laufen da grüne Mäuse rum.

Maske Katze

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