Das Kinkerlitzchen (Das Babygespenst von der Sparrenburg)
Das Babygespenst von der Sparrenburg.
Geister, und alle die vielen anderen unwirklichen Wesen , werden geboren im Geist der Menschen., in ihrem Nichtbegreifenkönnen, ihrem Nichtvergessenwollen, in ihrer Angst und ihrer Sehnsucht. Man liebt sie und man fürchtet sie.
Gespenster hausen besonders gern in alten Burgen und Schlössern.
Hat auch Bielefeld ein Burggespenst??
Die Heimat aller Gespenster ist Schottland. Dort in den sturmumbrausten Castellen des Hochlandes, von einsamen Mooren umgeben, können sie sich so recht austoben und nach Herzenslust spuken. Alle 100 Jahre treffen sie sich am Loch Ness und halten Kaffeeklatsch. Sie lachen über die neuesten Erfindungen der Menschen, sprechen über Mode. Trägt man noch immer lange weiße Hemden oder tritt man lieber nackt auf? Trägt man den Kopf unter dem rechten oder linken Arm? Soll man mit Dudelsackmusik, oder besser mit schrillem Techno die Leute erschrecken.
Zu Besuch kommen dann die schwarzen Geister aus den Kralen der Hottentotten Afrikas, die Spukgestalten von den Totempfählen der Azteken Mexikos, die Flaschengeister aus dem Orient und auch das jüngste Mitglied, das Kinkerlitzchen von der Sparrenburg.
In ihren Schmerz sprach sie einen Fluch über den Bielefelder Grafen aus, und seitdem spukt es auf der Sparrenburg. Johann Wilhelm war der letzte Gaf von Ravensberg. Er starb voller Gram kinderlos, und sein Land ging an die Brandenburger.
So meint man manchmal, wenn dunkle Gewitterwolken den Turm erdrücken, aus den Katakomben Babygeschrei zu hören oder ein leises Piepsen um das Kiekstattrondellas herum, wie von einem Nachtvogel. Es ist das Kinkerlitzchen, ein Babygespenst. Es ist noch sehr dumm und kann noch nicht richtig spuken. So treibt es eben nur Kinkerlitzchen. Zieht in der Gaststube die Tischdecken herunter, streut Zucker ins Salzfaß, oder klaut sich einen Schuh, den ein Gast unter dem Tisch abgestreift hat .
Doch dann ist etwas Besonderes passiert. Wie in jedem Jahr war wieder Burgfest. Handwerker aus dem Mittelalter zeigten Ihre Kunst. Wagenbauer, Sattelmacher, Waffenschmiede, Gerber und Töpfer, und auch Gaukler und Zauberer versammelten sich, und eine Schar Rossknechte und Küchenmägde waren zu Diensten. Es war großer Rummel auf der Burg.
Da ging des nachts, als alle Besucher schon zuhause waren, eines dieser Mädchen im Burghof spazieren. Plötzlich hörte sie ein leises Weinen, das aus der Tiefe kam. Erschrocken beugte sie sich über das Schutzgitter. “Ist da jemand” rief sie, vielleicht hatte sich ja ein Kind verirrt.” Wo bist du”, fragte sie weiter, “kann ich dir helfen?” Da wisperte das Stimmchen: “Mir kann niemand helfen, ich bin das Kinkerlitzchen, ich bin das tote Kind meiner armen Mutter, ich muß hier spuken.” Voller Mitleid fragte das Mädchen: “Wer war denn Deine Mutter?” und hörte zur Antwort: “Meine Mutter war die Adelheid von Oeynhausen, die Frau des Junkers, in der Brandnacht hat sie mich verloren.”
Da wurde das Mädchen ganz aufgeregt: “Der kleine Junker ist nicht tot gewesen. Meine Urgroßmutter hieß auch Adelheid, sie war Zofe im Schloß. Sie hat den Jungen damals während des Tumultes zu sich genommen, ihn mit Öl massiert, mit guten Kräuterdämpfen beatmet und in warme Tücher gewickelt. Am nächsten Morgen war er ganz lebendig und hat die Taufe bekommen. Im Kirchenbuch hat man geschrieben “Sohn von Adelheid”. Er ist sehr alt geworden und hat viele Kinder gehabt. Da ist das Kinkerkitzchen ganz fröhlich geworden und hat vor Vergnügen gequitscht. Nun muß es nicht mehr spuken.
Es ist auf den Scherpentiner geklettert und ist lachend und winkend – huiiiiii- davongeschwirrt.
Aber nun fehlt es. Denn was eine richtige Burg ist, die braucht auch ein Burggespenst, auch wenn es nur Kinkerkitzchen macht.