Adam und Eva, oder die Rathausgeister.
Als Bielefeld nach der Zusammenlegung von Alt – und Neustadt zu einem ansehnlichen Städtchen herangewachsen war, da wollten die Bewohner auch ein ansehnliches Rathaus haben. Und so wurde schon im 13. Jahrhundert auf dem alten Markt, dort wo heute das kleine Theater steht, ein solches gebaut. Auf seinen Grundmauern im Kellergeschoß begann man eine Erweiterung, die 1560 vollendet wurde. Es entstand ein prächtiger Bau, der Stolz der Bürger.
Dort saß nun der Rat der Stadt, der Jahrhunderte lang aus 13 Personen des Stadtadels bestand, die ihre geheimen Ratssitzungen abhielten. Einen Haushaltplan kannte man damals noch nicht. Die eingezogenen Steuergelder wurden in einer Kanne gesammelt, von zwei Kämmeren überwacht und dann für erforderliche Projekte ausgegeben. War das Geld alle, so konnte eben nichts repariert werden. Daneben gab es noch Lohnherren, die Gelder aus der Bier- und Weinsteuer oder kleinere Strafgelder eintrieben.
Verordnungen, die die alltäglichen Bedürfnisse und Sitten der Bürger betrafen, wurden in sogenannten Bürgersprachen auf dem Markt verkündet. Die Anwesenheit war Pflicht und wurde bei Nichtbeachtung mit 5 Pfennig Strafzahlung geahndet. Reglementiert wurde besonders auch das Privatleben, etwa die Kleidung, die Speisen bei Festen, die Sonntagsruhe und anderes.
Es gab den Stadtrichter und seine Schöffen, die. als sich das römische Recht noch nicht durchgesetzt hatte, das Urteil auf Grund der Entscheidung angesehener Männner aus dem Rat fällten.
Es gab Stadtschreiber und Stadtdiener, die für Sauberkeit, Feuer usw. verantwortlich waren.
Sie alle hatten ihren Sitz in dem kleinen Rathaus, und jeder, der ein- und ausging. wurde überwacht von dem über der großen Eichentür in Stein gehauen Relief von Adam und Eva.
Doch Bielefeld wurde größer und größer, zur Verwaltung der Stadt brauchte man viel mehr Menschen. Da reichte der Platz im alten Rathaus nicht mehr aus. Und so wurde 1904 das neue Rathaus bezogen.
Das Rathaus bevor die Bomben kamen .
Auch dieses Gebäude ist reich verziert mit Zinnen und Türmen und steht in seiner Pracht dem Crüwellhaus nicht nach. Und diesmal beschützt neben dem Tor eine kleine Engelsputte das neue Haus. Sie wiegt das Modell des Baues wie ein Kindlein im Arm.
Auch im Inneren des Rathauses wimmelt es von kleinen Engelchen.
Aber auch einen kaiserlichen Beschützer hatte man dem neuen Haus zugesellt. Leider schien der dafür nicht sehr geeignet, denn schon nach kurzer Zeit zerbröselte er einfach.
Geblieben ist das schöne Eingangsportal.
Im Krieg lagen große Flächen Bielefelds in Trümmern. auch das Rathaus war schwer beschädigt und verlor seinen großen Turm.
Nach 1945 wurden die Bombenschäden beseitigt, das Rathaus war geschrumpft. Und so wurde gleich wieder ein neuer Anbau gestartet.
Doch nun bewachte diesen kein himmlischer Schutzengel. Es saß ein armer Bürger auf em großen Platz. Er wußte nicht mehr, wo ihm der Kopf stand, denn man hatte ihm seines letzten Hemdes beraubt. Ob das wohl gut ging?
Und richtig, es dauerte nicht lange, und das Rathaus war wiederum zu klein.
Nun, 2013, baut man einen neuen Klotz. Ich würde als Symbolfigur vorschlagen ein rundes niedliches Sparschweinchen, das Durchfall hat.
Aber was lese ich denn da gerade in der Zeitung??? Man hat ja schon wieder zu klein geplant und 300 Leute finden keinen Platz mehr für ihren Schreibtisch .
Die Rathausgeister aber schweben rastlos durch Bielefeld. Neulich bot sich mir doch im Grün vor dem Museum dieser Anblick:
Das Engelchen hatte die Pläne vom alten Rathaus in der Hand und meinte: “Ich hab mal nachgerechnet, diese Quader sind damals beim Bau übrig geblieben, und ein findiger Kopf hat ein gutes Geschäft damit gemacht.” Die neuen, kahlen Gebäude gefallen ihr übrigens garnicht, sie meint: “Die haben keine Seele!”
Und der Hocker brummte: “Ich muß mich mal von dem Rummel erholen. Immerzu werde ich angeödet, ob ich eine Jogaübung sei, oder eine Reklame für Kopfschmerzmittel. Ich glaube, ich bin die Leihgabe einer Uni, um den Medizinstudenten zu zeigen, wie man einen ausgerenkten Halswirbel stabilisiert.”
Doch auch die beiden uralten Symbolfiguren leben noch immer unerkannt in userer Mitte.
Adam ist aus Sehnsucht nach seinem Garten Eden zu den Grünen gegangen und arbeitet hin und wieder im Botanischen Garten. Er will eine Plantage Paradiesäpfel anlegen.
Eva hab ich neulich im Ishara gesehen. Ihren alten Schlüpfer hatte sie gegen einem schicken Bikini getauscht. Die Schlange hat sich ins Land der Sagen zurückgezogen. Sie wird nicht mehr als Lehrmeisterin der Verführungskünste gebraucht, das kann jede Frau heute selbst.
Das museumsreife Portrait, das ehemals über dem Eingang des alten Rathauses die Läufe der Zeit überwachte, wird irgendwo im neuen Rathaus aufbewahrt. Vielleicht findet man es ja im Keller, wenn dieser mal wieder zu einem Lokal umgebaut wird.