Cl..Der Untergang der Krebse .
Es war einmal ein armer Jüngling, der hatte wunderschöne goldene Haare, und man nannte ihn darob den Goldmann. Er lebte als Knecht bei einem Bauern, tat redlich seine Arbeit und kannte sich in Stall und Feld gut aus. An den Fischtagen aber, also am Mittwoch und Sonnabend, saß er an der Helbe und angelte.
Zwischen Wasserthaleben und Clingen war die Helbe besonders reich an Weißfischen, jedoch auch Aale gab es im sonnigen Hauptarm vor der Teilung am großen Wehr. Im Winter suchte dort ein Eisvogel sein Futter, und weiter flußaufwärts gaben sich die Fischreiher ein Stelldichein.
Wapppen von Wasserthaleben.
Wieder einmal saß Goldmann mit der Angel am Ufer, mußte doch sein Herr zwei Stäbchen der Ausbeute dem Fürsten nach Sondershausen liefern, aber heute wollte so recht kein Fisch anbeißen. Wie er nun so saß und sann und dem plätschernden Bach nachschaute, da sah er auf einmal ein kleines Tier im Wasser, das ganz und gar golden war. Es war der König der Krebse. Schon wollte er ihn greifen, da hörte er eine tiefe Stimme sagen: “Halt ein mein Sohn
Du mich verschone,
ich Dich belohne.
Der Jüngling hielt erschrocken inne, und der Krebs sprach weiter:
Der Wünsche drei
hast Du nun frei.
Da schrie Goldmann:
“Ich möchte, daß die Fische nun endlich anbeißen, damit ich die Abgabe an den Fürsten erbringen kann.” So war der erste Wunsch gesprochen, und siehe, noch ehe er sich einmal gedreht, kamen Schwärme von Weiß.-fischen angeschwommen und hängten sich wie von selbst an die Angel.
Ein Jahr war vergangen , und Goldmann saß wiederum am Helbestrand,
als der Krebs zum zweitenmal kam.
“Ach, ich wäre so glücklich, wenn ich ein liebes Mädchen fänd, sagte der Jüngling.” Ich werde Dir meine Tochter geben,” erwiderte der Krebs und verschwand. Und plötzlich stieg ein zierliches Mägdlein aus dem Bach und ihr Haar, ebenso golden wie das des Mannes, umkränzte ihren Kopf wie ein Krönlein.
Ein Jahr lang lebten die beiden zusammen glücklich und zufrieden.Doch als er seinen dritten Wunsch tun durfte, da gierte es Goldmann nach Macht und Reichtum. Der Krebs sprach:
“Zupfe Dir ein Haar, und Du wirst haben, was Du begehrst. Aber hüte Dein Herz und Deine Seele, sonst wirst Du Verderben bringen über uns alle.”
Da zupfte sich der Goldmann ein Haar aus, und es verwandelte sich sogleich in einen Taler. Und er zupfte und zupfte und zupfte und die Taler häuften sich.
Da sah der Krebskönig das Unheil voraus. Augenblicklich verblaßte seine goldene Haut und färbte sich braun und scheckig. Dämmerung legte sich über die Helbe und der Davonlaufende hörte eine krächzende Stimme:
„Oh, du törichtes Menschenkind, eile nur hin in Dein Unglück, und wisse, daß es auch das ùnsrige sein wird.“
Der Goldmann wurde ungeheuer reich. Er baute sich am Ufer der Helbe eine große Fabrik, um Zucker zu gewinnen und sein Geld vermehrte sich zu Hauf.
Doch er wurde hochmütig und leichtsinnig und ging zu anderen Frauen und hatte seinen Spaß mit ihnen. Seine treue Liebste aber saß zuhause und weinte.
Die Fabrik nun gar vergiftete mit ihren Abfällen das klare Wasser des Baches. Die Fische litten große Not und verendeten. Die Krebse, deren Verbleiben in den Löchern nicht mehr möglich war, zogen aus mit ihren ganzen Familien. Groß – und Urgroßvater und Mütter mit ihren Kindern und Kindeskindern kletterten ans Ufer, wo sie sogleich von den herabstürzenden Raben verzehrt wurden. Sie sind für immer ausgestorben.
Der Goldmann jedoch hatte sich dadurch so großen Unmut bei den Bauern zugezogen, daß auch er um sein Leben bangte, alles verließ, sich fortan Mangold nannte und nach Amerika auswanderte.
Seine Liebste kam in bittere Not. Sie hatte kein Haus und kein Heim mehr und nichts, womit sie ihren Hunger stillen konnte. So stahl sie eines nachts bei einem reichen Bauern ein Ränftchen Brot. Sie wurde erwischt und in den Kerker gesteckt. Dort brachte sie ein totes Knäblein zur Welt und ist zwei Tage später selbst gestorben. Die Kindfau aber wußte zu berichten, daß das Büblein einen goldenen Haarschopf gehabt habe, aber statt des linken Händchens eine Krebszange.
In der Chronik steht geschrieben:
Ist allhier ein Mägdlein kommen
hat ein Stücklein Brot genommen
hat ein totes Kindlein boren
ist im Turme ganz derfrohren
nun die armen Seelchen hüte
lieber Gott in Deiner Güte.
p.s. In neuester Zeit hat man mit einigem Erfolg wieder Äschen in der Helbe angesiedelt. Leider sind diesmal die Komorane, die im Winter ihren Hunger hier stillen, die große Sorge.