Cl. Die verschwundene Sybilla.

 

Kloster Titel 2

Und wieder einmal schauen wir in längst vergangene Zeiten.
Es gab in Westgreußen zwei alteingesessene Familien auf ihren Rittergütern. Da wurden im gleichen Jahr der einen Familie ein Sohn , der anderen ein Töchterlein geboren. Im Kirchenbuch wurden sie eingetragen als Ferdinand, Sohn des Freiherrn vom Krummhof und Sybilla, Tochter des Herren vom Bilenhof, dem sogenannten Lustgärtchen. Aber seltsam, bei beiden Geburten erhellten unzählige Blitze den Himmel und unheildrohend verschlangen grollende Donner den ersten Schrei der Kinder. Sybillas Amme war in Sorge, daß dies als ein böses Omen zu deuten sei, und so strich sie mit einem Fuchsschwanz über die Wiege der Neugeborenen. Aber sie hatte versäumts, ihn vorher in Weihwasser zu tauchen.

Doch die Kinder wuchsen fröhlich und gesund heran, und ihre Väter waren sich überein gekommen, die Eheschließung der beiden anzustreben. Die Fluren lagen günstig nebeneinander, der Juncker Ferdinand hatte sich zu einem stattlichen Jüngling entwickelt mit schlanken Gliedern und hellem Kopf, und Sybilla war fromm, von kräftiger Statur und schien ein freundliches Wesen zu haben, also eine gute Wahl. Die jungen Leute tanzten unter der Linde, trafen sich beim Kirchweihfest und es entstand eine innige Zuneigung.
Dann war der Pflichtdienst bei Hofe für Ferdinand abgelaufen. Sybillas Aussteuer, also die mit gesticktem Monogramm versehenene 12 x Bett- Tisch- und Leibwäsche, lag sauber gebündelt in der großen Truhe. Und auch an reichlich Geschirr und Besteck für 24 Personen hatte der Brautvater nicht gespart. So sollte im Frühjahr, wenn die Äcker bestellt, die Hochzeit gefeiert werden.

 

An einem Nachmittag im Spätherbst kam Sybilla von einer Spinnstube bei ihrer Freundin aus dem Wolframshof zurück. Da lief ihr ein schwarzer Kater von links nach rechts über den Weg .

Gehöft mit Katze

Im Bilenhof angekommen, merkte sie eine bedrückende Last auf den Ihren liegen. Ein Knecht hatte am Morgen eine Kuh zu dem im Krummhof gehalteten Dorfbullen getrieben und war gerade zugegen, als ein Kurier eine Depesche vom Fürsten überbrachte. Sie enthielt den Befehl, daß Ferdinand sich sofort bei seiner Truppe zu melden habe, um den lehnsbedingten Kriegsdiest zu leisten. Es wurde ein trauriger Abschied mit der Hoffnung auf baldiges Wiedersehn.

Die Monde ergingen, die Jahre vergingen. Ferdinand kehrte nicht zurück.
Sybilla verfiel in tiefe Schwermut, verabschiedete sich von ihrer Familie und schritt durch die Pforte des Nonnenklosters. Nach vorgegebener Zeit trug sie den Ring am Finger, ger, bekam die Brautkrone auf’s Haupt gesetzt, erhielt den Friedenskuß und hatte damit die Hochzeit mit Gottes Sohn vollzogen. Sie legte das Armutsgelübde ab, sie legte das Keuschheitsgelübde ab, deren Übertretung mit dem Tode geahndet wurde.
Verloren war sie nun für die Welt.

Kloster Brautkrone

 

 

 

Es war an einem Sonntag. Nach der Abendandacht gab es 4 Stunden Schlafenszeit, vollbekleidet bei Kerzenlicht im Gemeinschaftssaal. Um 1 Uhr zur Nachtmesse war Sybilla nicht anwesend, zur Morgenmesse um 6 Uhr sah man sie wieder betend an ihrem Platz. Was war in dieser Nacht geschehen?
Ferdinand, der jahrelang im fremden Land gefangen gehalten worden war und schwerste Sklavenarbeit leisten mußte, hatte entfliehen können. Er sehnte sich nach seiner Braut. Durch einen im Kloster um almosen-bettelnden fahrenden Gesellen gelang es ihm, Sybilla einen Zettel zuzustellen und sie um das Treffen zu bitten.
Nun gab es aber eine Novizin, die schon immer recht mißgüstig auf Syballa geschaut, die hörte in der Nacht vor dem Tor eine männliche Stimme mit der Jungfer flüstern.
Und sogleich ist sie zur Schwester Oberin gelaufen und hat ihr berichtet. Die unter Tränen geflüsterten Abschiedsworte hörte sie nicht mehr.

Für immer Ade,
was tut das weh.
Mein Herz zerbricht vor Not,
doch nicht der Bund mit Gott.

Wenige Tage später war Sylvbilla plötzlich verschwunden. Man vermutete, sie habe das Klosterleben nicht mehr ertragen und habe sich davon gemacht. Nur ganz wenige wußten, was geschehen war. Aber die Nachricht bedrängte kaum die Gemüter. War doch an diesem Morgen nichts im rechten Gang. Die Schwester für den Haushalt klagte, daß viel zu viele Kerzen in der Nacht verbraucht worden waren, die Oberin kam nicht zur Morgenandacht, zwei Schwestern lagen krank darnieder und zu allem schimpfte der Maurergeselle unflätig, daß einer seinen Trog mit Zemet gestohlen habe, wollte er doch heute die Mauer vom Schweinekoben ausbessern.

Jahrhunderte waren ins Land gezogen. Die Rittergüter waren in andere Hände gekommen, der Ort hatte sich verändert.
An einem diesigen Morgen im April, trat der Müller der Pfaffenhofmühle vor die Türe und schaute mißmutig zum Himmel. Sicher kam heute wieder ein Regenschauer, aber dann würden wenigstens endlich die letzten Schneereste von den an den Abhängen liegenden Fluren verschwinden. Doch der Krach, der entsetzlich Krach, der könnte wohl noch lange Zeit währen, wurde doch, ganz in der Nähe. im „Höfchen“, ein Steinbruch angelegt.

Pfaffenhof Mühe

Da stießen die Arbeiter plötzlich auf sauber behauene Steinplatten, und zwischen ihnen eingebettet lagen Skelette. Man hatte einen Friedhof aus vergangenen Zeiten entdeckt. Nicht weit davon entfernt legte man nun plötzlich alte Fundamente frei. Waren es die Mauern des ehemaligen Klosters? War es das sagenhafte St.Catharina? Langsam wurde ein gewisser Grundriß erkennbar. Ein Haupthaus und Nebengelasse zeichneten sich ab. Und da, in einer Mauerecke war eine Nische zu erkennen. Vorsichtig klopfte man ein paar Brocken los, ein Spalt entstand und, . . . die Arbeiter erstarrter vor Schreck, sie sahen in das leichblasse Gesicht einer auf engsten Raum eingemauerten jungen Frau. Die Fingernägel waren in den Stein gekrallt, lang und spitz herangewachsen, und Blut tropfte zwischen ihnen hervor, aus ihren toten Augen flossen Tränen, und ihre welken Lippen flüsterten nur ein Wort: „Dank!“ Dann gab es einen riesigen Donnerschag und mit einem klirrenden Geräusch fiel ein Skelett in sich zusammen und lag vor ihren Füßen.

Sybilla ist tot, den Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen gibt es nicht mehr, und die Rittergüter sind verwaist, verkauft, verfallen, vergangen wie alles Irdische.
Nur die uralte Kirche, St. Martin, steht noch immer auf ihrem Platz.

Kloster Kirche Westgreußen

 

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