Cl. Der verhexte Blumenkohl.
Früher wurde in Clingen nicht nur Landwirtschaft sondern auch Handel getrieben. Der clingesche Wein war bekannt, aber auch der Abbau von Tuffsteinen brachte gutes Geld.
„Grotten“ wurden diese sonderbaren Gebilde genannt.
Die ganze Stadtmauer war aus diesen Steinen errichtet. Aber man verwendete sie auch für Grabsteine, das Börnchen ist damit umbaut, und selbst die kleine Wartburg auf dem Hügel neben dem Schingleich besteht mit ihren Türmchen und Säulen aus Grotten.
Aber wißt Ihr denn auch, wie die entstanden sind?
Vor Urzeiten da lebten in den clingeschen Fluren zwei Hexen. Sie waren auf dem Wege zum Bocksberg in die Irre geraten, ihre Besen hatten sich zerfranzt, und so mußten sie auf dem Weinberg notlanden. Die eine war jung und hübsch, aber faul und böse. Man nannte sie deshalb „Jungfer Faul“. Die andere, “Rühl“ genannt, war schon ein altes Weiblein, aber voller Liebe und Güte und immer bereit gut zu machen, was die Junge an Unheil angerichtet hatte. Diese saß stets über dem Abgrund des Hohlweges an der weißen Mauer, strähnte ihr feuerrotes Haar und lockte die Fuhrleute in die Schlucht. Da brachen ihnen die Deichseln, und die Wagen zerschmetterten, der Beilke stürzte in einen tiefen Bohrschacht, als er nach Kohle suchen wollte und der Schuhmacher Hennig versank im Schnee und konnte erst 2 Tage später tot ausgegraben werden.
Doch dann dachte sie sich gleich wieder eine neue Bosheit aus. Doch eines Tages war es ihr nicht mehr genüge uber den Hohlweg zu herrschen. Sie wollte mehr, sie wollte über die ganze Flur gebieten. Alles sollte auf sie hören und ihr zu Diensten sein. Und so wünschte sie, daß sämtliche Gewächse rot sein sollten, feuerrot, so wie ihr Haar. Doch, da sie ja nur eine kleine, recht unbedeutende Hexe war, gehorchten ihr nur sehr wenige Pflanzen. So gab es schließlich nur die Rotbuche, den Rotdorn, den Rotkohl und die roten Rüben. Darüber war sie so wütend, daß sie begann, alle Pflanzen auszureißen. Das grüne Schilf aus dem Teich, die Gräser und Moose auf den Wiesen, und als sie an einem Feld mit herrlichem Blumenkohl vorbei kam, zerstörte sie auch dieses. Dann hexte sie eine riesige Grube, schüttete alles hinein und deckte sie mit Erde zu. Wenn ihr schon keiner gehorchte, so sollte alles eine große Öde werden.
Dieses Tun machte die alte Hexe sehr traurig. Sie schüttelte ihr weißes Haar, und siehe, der Wind hatte viele Samenkörner hineingeweht, und wo sie ging, da streute sich junger Samen ins Land, sodaß im Frühjahr die Natur wieder in saftigem Grün erwachte. Einige Körner aber hatte sie besonders sorgfältig aufbewahrt. Sie sähte, hegte und pflegte sie. Es waren Samen der Linde. Die Samen in der Grube aber überzog Rüll mit einer feinen festen Schicht, sodaß sie nicht vergehen konnten. So wurden aus den Halmen und Moosen Tuffsteine, die Clingeschen „Grotten“. Und besonders schön sind die Steine, die aus den Blumenkohlröschen gewachsen sind.
Die kleine Hexe hatte sich in ihrem Ärger davongemacht. Nicht weit entfernt, nach Bliederstett hin, steht die Faulmühle. Da wird sie wohl gewohnt und ihr Unwesen getrieben haben.
Die Lindensamen aber sind zu prächtigen Bäumen gediehen. Drei wuchsen an der Stelle, wo jetzt der Güterbahnhof ist und drei da, wo der Gasthof zur Linde steht. Die allerschönste und älteste jedoch ist die bei der Neumühle an der Kupferhelbe. Sie ist uralt, und ihr Blattwerk überspannt wie ein gewaltiges Dach den Hügel. Und was sie in den vielen Jahrhunderten alles erlebt hat, die alte Linde! Sie war Versammlungsplatz und Tanzplatz. Da hatte man doch in ihren großen Ästen ein Podium errichtet. Darauf saß eine Kapelle und spielte die lustigsten Weisen, zu denen die jungen Leute um den Stamm herum tanzten und hüpften. Sie hat auch so manchen Sturm erlebt und der Blitz schlug in sie ein, aber sie steht noch heute.
Was ist denn aus der alten Hexe geworden?? Sie ist auch aus Clingen fortgegangen in ein Dorf, welches „Rüllhausen“ hieß, was es aber schon lange nicht mehr gibt.