Cl. Die unheimlichen Füße.
Drei Füße springen hoch über mir
und tänzeln über den uralten Dielen.
Sie scheinen voll fröhlicher Lebensgier,
und wollen gar mit mir spielen.
Der Morgen geht in den Mittag über,
drei Füße schreiten fest vorüber,
im Rhythmus schwingt die Arbeit ums Brot,
Verlust und Gedeih und Lust und Gebot.
Doch als die Abendglocken schlagen,
da schlürfen drei Füße, sie tragen
die Lasten der ganzen Welt.
Ich habe keine Fragen gestellt.
Drei Füße, gedrückt in den weichen Grund,
sie gaben nie ihr Geheimnis kund.
Ich habe sie niemals wiedergefunden.
Drei Füße, sie sind für immer verschwunden!
Gleich am Anfang der Borngasse liegt ein uraltes Vasallengut.. Neben der Haustür hängt ein dicker Pömpel, und wenn man daran zieht, erklingt ein ohrenbetäubendes Geläut. Erschrecken wir den alten Bau liber nicht, gehen wir „hintenrum“ rein, an der Wand entlang zum Gartentörchen, das mit drei geheimen Riegeln verschlossen ist, vorausgesetzt der Ganter, der sich wie ein wütender Hofhund aufführt läßt es zu.
Die Mauern sind meterdick auf ein Gewölbe gebaut, das tief in die Keller führt. Jede Stube liegt auf einer anderen Ebene, durch Stiegen und Treppchen verbunden. Bückt man sich durch einen niedrigen Bogengang, kommt man in die Kapelle. Steigt man eine steile, gewendelte Treppe empor, öffnet sie sich zu einem saalähnlichen Raum mit einem großen Kamin, einem alten Spinnrad und Biedermeiermöbeln. Wenn man aber durchs Bücherkämmerchen durch eine vernagelte Brettertür über eine altersschwache Stiege ganz hoch auf den obersten Kornboden klettert, konnte man da früher auf dem gestampften Lehm die Abdrücke dreier wohlgeformter Frauenfüße sehen.
In der Zeit als die Großmutter der Großmutter noch ein ganz kleines Mädchen war, wohnte in dem Haus der Bürgermeister, ihr Vater. Doch noch 200 Jahre zuvor, lebte dort ein Vasalle des Königs. Er hatte in Herfahrt und Hoffahrt treu gedient. Hatte so manches Scharmützel für seinen Herren geschlagen und auch guten Rat erteilt. Also war ihm vor dem Lehnsgericht Schwert und Fahne verliehen und der Hof zu Lehen gegeben.
Er hatte drei Töchter, gar lieblich anzuschauen. Aber, als sie Jungfräuleins wurden, und der Vater sich anschickte, einen redlichen Mann für eine jede zu suchen, da raffte sie in der Blüte ihres Lebens die Pest dahin. Als man sie zu Grabe trug, brach auch der Mutter das Herz. Der Edle aber, nun seiner ganzen Famillie beraubt, nahm sein Schwert, verließ Haus und Hof und zog in den Kampf. Bald darauf hauchte er sein Leben in der Schlacht aus.
Durch den Mannesfall mußte das Vasallengut einer neuen Mutung ausgesetzt werden, und ward endlich dem Bürgermeister zu eigen. Auch er hatte drei brave Töchter. Die Älteste freite jung und zog in die Ferne. Die Zweite starb an Auszehrung, noch ehe sie dem Kindesalter entwachsen. Die Jüngste jedoch, das Mandchen, lebte auf dem Hof ein langes Leben lang.
Doch seltsame Dinge gingen um im Haus. Als Mandchen selbst noch jung und behänd, hörte sie, wenn sie alleine umherging. Oftmals hüpfende Schritte, immer im Dreiertakt, als hopste und tanzte jemand hinter ihr her. 1,2,3 1,2,3 im Walzertakt. Dann merkte sie, daß ihr altes Spielzeug, ein Hölländer, der öben auf dem Kornboden abgestellt war, seinen Platz wechselte. Mal stand er hier, mal stand er da, ohne daß ihn jemand berührt hätte.
Als Mandchen im reifen Alter eine tüchtige Bäuerin war, einen Ehemann und fünf Kinder zu betreuen hatte, waren die Schritte noch immer hinter ihr her. Jetzt hurtig fest und stampfend, Tapp-Tapp, Tapp-Tapp, Tapp-Tapp wie ein Soldat. Mandchen sorgte gut für ihre Familie. Sie kochte und buk viel, doch wenn sie ein Blech mit Anisplätzchen zum Trocknen unters Dach trug, , war am nächten Tag kein Quentchen mehr zu finden, das Blech bltzblank leergeleckt. Ließ sie ein paar Nösel Milch in den Sotten stehn, damit sie dick werde, war manchmal nachts der Rahm davon abgeschleckt.
Die Jahr verflossen und das Leben ging dahin. Mandchen wurde alt. Ihre Kinder waren in alle Lande verstreut, nur eine Tochter lebte noch mit ihr. Da ging sie eine Abends hinunter in den Keller, um eine saure Gurke aus dem Faß zu holen. Drei Füße schlurften hinter ihr her. Schlüüüürf, schlüüüüürf, schlüüüürf. Immer tiiiefer soooog das dunkle Gewölbe sie ein, immer tiiiiefer. Bis auf einmal das Schlürfen in ihrem Rücken sich mit dem ihrigen vereinte.
Die alte Frau ist nie wieder gesehen worden, soviel man auch nach ihr gesucht hat.
Doch von Stund an waren die Abdrücke im Lehm auf dem Kornboden verschwunden.Das Haus und die Tochter wurden eisgrau. Spinnen webten riesige Netze darum. Alles versank in Staub und schien tot. Doch eines Tages gebar ein junges Weib zwei Söhne, und seitdem erstrahlt der uralte Hof wieder in bunter Schönheit, so, wie er vor vielen hundert Jahren vom Vasallen des Königs errichtet worden war.
ps. Ich bin als Kind in den Ferien oft in dem großen Gemäuer durch Keller und Böden herumgestromert und habe die Abdrücke gesehen. Sie waren mir stets ein bißchen unheimlich. Doch seltsam, nach dem Tod meiner Großmutter waren sie plötzlich verschwuden.