Archiv für Juni 2012
Cl. Das Siedel- Sudel- Männlein .
Schon im alten Rom hatten die Menschen ihre Hausgötter, die ihnen Schutz gewähren sollten, und die sie sehr verehrten, die Laren. Sie bauten ihnen kleine Altäre und brachten Geschenke. Und, ob man`s nun glaubt oder nicht, es gab auch in Clingen so einen kleinen Hausgeist. Es war das Siedel-Sudel-Männlein. Das war allerdings ein recht berechnendes Wesen. Es hatte eine helle, freundliche Seite, aber auch eine dunkle gehässige. Mal war er lieb und hilfsbereit, mal grob und eigensüchtig. Sein Äußeres passte er dem jeweiligen Stand des Hausherren an. Wohnte er bei einem Mediziner, spazierte er im weißen Kittel und mit einem Abhörrohr durch die Gegend, stellte er sich als Hausgott eines Kaufmanns dar, so sah man ihn mit einem Abakus (Rechenmaschine) und Kontoauszügen herumwedeln. Hier ln Clingen jedoch zeigte er sich als Großbauer.
Und nun werde ich erzählen, wie es dazu kam.
Cl. Walpurga .
Und nun kommt ein richtiges Gruselmärchen aus uralten Tagen, und Ihr müßt schon glauben, daß die Geschichte wirklich in Clingen geschehen ist. Viel Spaß.
Vor langen Zeiten, als noch Thor seinen Hammer schwang, Blitze ihm zu Bote waren, als der Wolf die Sonne fraß, und die Nornen den Schicksalsfaden spannen, da lebte hier am Helbeufer ein Volk, dessen Stammvater Mannus war. Unter den Weibern gab es ein blutjunges Ding mit schlanken Fesseln, so zart, wie die Läufe eines Rehes, mit seidigen Haaren so gold wie die Strahlen der Sonne, und mit Augen so blau, wie die Blüte des Weid, doch das Herz in der Brust und das Hirn im Haupt so tückisch, wie das Gift einer Schlange. Walpurga, so wurde das Mädchen genannt, hatte den Belzi, wie man den Teufel damals nannte, im Leib. In der Nacht vor ihrer Geburt hatten den Kindsvater üble Träume gepeinigt, so nahm er sie nicht in die Sippe auf. Sie wurde eine Wilti, ein Waldgänger, eine Wolfsbraut.
Cl. Der 6. Sinn.
Vor Zeiten kam ein junger Vikar ins Dorf. Er war ein gelehrter, rechtschaffener Mann, doch an seiner Wiege hatte ein winziger Dämon gestanden, und ihm den sechten Sinn mitgegeben. Und so kam es, daß der Jüngling, immer wenn der Mond sich erneuert und seine Sichel vom Himmel strahlt, einen Lidschlag lang ins Vergangene oder ins Kommende blickte.
Wie er nun an einem Herbstabend über den Gottesacker spazierte, jenseits der Mauer dahin kam, wo man die Unseligen begrub, die Gottlosen, die selbst ihrem Leben ein Ende gemacht, da sah er drei seltsame Blumen stehn. Sie leuchteten und gleißten im fahlen Mondlicht, die eine feurich rot, die zweite wie samtener Burgunder und die letzte in keuschem Weiß.
Cl. Der verhexte Blumenkohl.
Früher wurde in Clingen nicht nur Landwirtschaft sondern auch Handel getrieben. Der clingesche Wein war bekannt, aber auch der Abbau von Tuffsteinen brachte gutes Geld.
„Grotten“ wurden diese sonderbaren Gebilde genannt.
Die ganze Stadtmauer war aus diesen Steinen errichtet. Aber man verwendete sie auch für Grabsteine, das Börnchen ist damit umbaut, und selbst die kleine Wartburg auf dem Hügel neben dem Schingleich besteht mit ihren Türmchen und Säulen aus Grotten.
Aber wißt Ihr denn auch, wie die entstanden sind?
Cl. Dem Schmidten sinne Fru.
Früher pflegte mein Schwiegervater immer zu mir zu sagen: „Määchen, was biste dürre“, während meine Enkel heute meinen: „Oma du bist zu dick.“ Nun ja, in Größe 36 pass ich nicht mehr so ganz.
Mein Schwiegervater hatte viele solche Sprüche. Etwa „Sonntags werden die Gäule nicht angespannt, die müssen in der Woche genug arbeiten.“ Also schon damals ein Tierschützer. Oder: „Vor Johanni geht mir keiner ins tiefe Loch zum Schwimmen.“ (Auch wenn es 30 Grad sein sollten). Aber die schwerwiegenste Aussage war:
„Merke. Eine Braut darf nur so weit entfernt wohnen, wie man sie mit der Kutsche sonntags zum Kaffeetrinken besuchen kann und man abens zum Füttern wieder pünktlich zuhause ist.“ Dies erklärt doch nun eindeutig, warum viele der alteingesessenen Familien über die Jahrhunderte hin verwandt sind. Zum Glück hatte ich ja Großeltern, die nur um die Ecke ihren Hof besaßen, sodaß einer Heirat nichts im Wege stand.
Und nun erzähle ich also von der alten Frau Schmidt, mit der ich natürlich über tausend Ecken auch verwandt bin, eine sehr wundersame Geschichte.
Es war vor so etwa 150 Jahren., da gab es in Clingen einen armen, aber ehrbaren Mädchenschulmeister.
Cl.In den Fängen von Kraborn.
Es war an einem diesigen Winterabend. Den ganzen Tag über hatte es nicht richtig tag werden wollen. 11 Uhr, der Nachtwächter Ede machte gerade zum zweitenmal seine Runde, und das trübe Licht der neuen Laterne, die ihm die Gemeinde bewilligt hatte, durchdrang kaum die Finsternis. Seine Wache dauerte bis 4 Uhr morgens, und in der Winterszeit wurde er dafür mit 2 Thalern entlohnt, während er sich im Sommer mit nur einem begnügen mußte. Es war wenig und der Monat lang. Ede kam ins Grübeln.
Cl. Die unheimlichen Füße.
Drei Füße springen hoch über mir
und tänzeln über den uralten Dielen.
Sie scheinen voll fröhlicher Lebensgier,
und wollen gar mit mir spielen.
Der Morgen geht in den Mittag über,
drei Füße schreiten fest vorüber,
im Rhythmus schwingt die Arbeit ums Brot,
Verlust und Gedeih und Lust und Gebot.
Doch als die Abendglocken schlagen,
da schlürfen drei Füße, sie tragen
die Lasten der ganzen Welt.
Ich habe keine Fragen gestellt.
Drei Füße, gedrückt in den weichen Grund,
sie gaben nie ihr Geheimnis kund.
Ich habe sie niemals wiedergefunden.
Drei Füße, sie sind für immer verschwunden!
Gleich am Anfang der Borngasse liegt ein uraltes Vasallengut.. Neben der Haustür hängt ein dicker Pömpel, und wenn man daran zieht, erklingt ein ohrenbetäubendes Geläut. Erschrecken wir den alten Bau liber nicht, gehen wir „hintenrum“ rein, an der Wand entlang zum Gartentörchen, das mit drei geheimen Riegeln verschlossen ist, vorausgesetzt der Ganter, der sich wie ein wütender Hofhund aufführt läßt es zu.