Das vergessene Steinkreuz. (Kreuz im Großen Bruch)
Das vergessene Steinkreuz.
Neulich, am späten Nachmittag, war ich mit Emma spazieren. Zur Abwechslung ging’s mal nicht über die Promenade zur Hundewiese, sondern gen Osten zum Großen Bruch am Wellbach. Welche Ruhe, welch friedliches Bild . Der kleine See, entstanden aus einem Riesentrichter, verursacht durch eine Luftmine, die damals den Viadukt treffen und zerstören sollte, bietet nun idealen Lebensraum für Graureiher und Kanadagänse. Es ist ein märchenhafter Augenblick. Doch wir müssen uns beeilen, es fängt schon an zu dunkeln. Plötzlich …was ist mit Emma los?
Zielsicher saust sie in ein dichtes Gebüsch, sie fängt an wild zu scharren und gibt quielende Laute von sich. Ich rufe, ich schimpfe, Emma hört nicht.
Schließlich stampfe ich hinterher. Nichts Besonderes ist zu sehen. Energisch nehme ich sie an die Leine und zerre sie weg. Und dann, ja träume ich?
Ich bilde mir ein, ein leises Weinen gehört zu haben. Mir wird das unheimlich, und ich mache mich schleunigst auf den Heimweg.
Zuhause schaute ich einmal ins Internet und las, daß der idyllische Wellbachbruch Naturschutzgebiet ist. Und als ich so ein bißchen weiter herumsurfte, erfuhr ich zu meinem Erstaunen, daß es irgendwo dort auch ein altes Steinkreuz gegeben haben soll. Nun war meine Neugierde geweckt.
Ein paar Tage später machte ich mich wieder mit Emma auf den Weg. Nur wenige Laufminuten, und man ist weit fern von der verkehrsumbrausten mit gewerblichen Hochhäusern gesäumten Herforderstraße, auf einem stillen, schmalen Waldweg, der direkt zum Sattelmeyerhof führt. Es war heller, sonniger Nachmittag.
Vor einem Haus saß ein uraltes Weiblein. Höflich fragte ich sie, ob sie wohl etwas von einem alten Steinkreuz wisse. Da dachte sie lange nach und murmelte endlich: „eine böse Geschichte.“ Dann hub sie leise an zu sprechen:
„Als ich noch ganz klein war, hat mir mein Großvater immer von dem traurigen Schicksal des jungen Jobst erzählt.
Vor langer, langer Zeit. wohl kurz bevor der große Krieg, der unser Land 30 Jahre lang in Angst und Schrecken versetzte, da gab es am Rande des großen Bruches eine armselige Hofstelle. Ein Kötter vom Eissen-Meyer wohnte hier mit seinem Sohn . Die Mutter war bei der Geburt des zweiten Kindes im Kindbett gestorben, und der Vater hatte kein neues Weib genommen. Nun war er alt und verbittert.
Der Sohn jedoch, ein hübscher, großer Kerl, hatte sich leidenschaftlich und hoffnungslos in die Tochter des Meyers verliebt. In seinen Gedanken nannte er sie, nach dem germanischen Namenshersprung „das Fräulein von Eison“, die Glänzende.
Jobsts Vater war ein gottesfürchtiger Mann, und er hatte seinen Sohn mit viel Strenge und Bedacht erzogen. Sein Wort war stets: „Bedenke immer,
Du selbst bist Dein treuester Freund,
wähne Dich glücklich.
Doch wehe, Du selbst wirst Dein ärgster Feind!
Du wirst untergehn.
Liebe und Hass sind zwei Geschwister. Sie wohnen in deinem Herzen und kämpfen darum, Macht über Dich zu erlangen. Lege ihnen Zügel an!
Jobst war als fröhlicher Junge aufgewachsen, doch im Jünglingsalter wurde er immer verschlossener und trauriger. Die angebetete Brunhilde hatte kein Auge für den Schmachtenden. Sie war dem Junker aus dem Nachbarhof zugetan und darin einig mit ihrer Familie.
Die jungen Leute trafen sich häufig am frühen Abend nach dem Vesper in der Steinheide, liebkosten sich in einem grünen Nest aus Moos und Gras, und schnäbelten den Schwalben gleich. Bald sollte das Aufgebot bestellt werden.
Der Jobst aber war voller Neid. Heimlich lauerte er den beiden auf, und Haß auf die Glücklichen tötete die Liebe.
So spannte er auf dem schmalen Waldpfad, der zum Versteck der beiden führte, eine Sperre aus stachligem Draht, den er fast unsichtbar zwischen zwei Bäumen befestigte. Der Junker stürzte schwer, aber trotz vieler Risse und Wunden kam er zum Stelldichein.
Ein anderes Mal traf Jobst voller Bedacht den Verhaßten im Wirtshaus. Er hatte schwarzes Bilsenkraut an der Friedhofs-mauer gepflückt.
Heimtückisch setzte er sich an den gleichen Tisch und tat in einem unbemerkten Augenblick10 Körner des Hexenkrautes
dem Junker in den Becher.
Dann sah er voller Hohn zu, wie diesem die Augen fast aus den Höhlen quollen und ihn dann die Sinne verließen. Doch er überlebte, und am nächsten Tag trafen sich die Verliebten erneut.
Der Hass in Jobst wurde immer mächtiger. Er fraß sich in seine Seele und beherrschte all sein Denken. Der Feind hatte ihm die Zügel entrissen.
Wieder war es in der Dämmerung. Jobst hatte einen schweren Arbeitstag hinter sich. Vom Morgengrauen an hatte er mit zwei anderen Knechten in der Scheune des Gutshauses den Hafer gedroschen. Immer im Dreiertakt,
Tock-tock-tock , Tock-tock-tock, stundenlang. Und bei jedem Schlag hatte er an den Nebenbuhler gedacht. Da erfaßte ihn ein böser Zorn.
Noch lagen die Flegel am Rande der Scheune. In großer Hast ergriff er einen davon, rannte zur Nähe des geheimen Treffpunktes der beiden Verliebten und wartete. Nicht lange mußte er sich hinter der großen Erle verbergen, da hörte er es knistern. Mit Gebrüll stürzte er hervor, und mit dem gleichen Schwung wie auf die Haferrispen, schlug er auf den Kopf des Erschrockenen ein, und Tock-tock-tock, immer stärker Tock.tock-tock, bis sein Opfer erschlagen und tot in seinem Blute lag. Am trüben Himmel ging die Sonne gerade unter.
Hätte sich die Tat zu Zeiten unserer Urahnen zugetragen, so wäre Jobst als „wolfsfrei“ verdammt, und jedermann hätte ihn wie ein wildes Tier hetzen und töten dürfen. Sein Hab und Gut wäre der „Wüstung“ verfallen.
So jedoch wurde ihm vor einem öffentlichen Gericht der Prozeß gemacht, und er wurde zum Tode verurteilt und auf’s Rad geknüpft.
Der Vater ist bald darauf vor Gram gestorben, und das Haus ist verfallen. Das erzählte mein Großvater, und mir schauderte, wenn ich mir Jobst’s Ende am Rad vorstellte.
An der Stelle, wo die Erde das Blut des Erschlagenen getrunken hat, wurde ein Gedenkstein mit der Jahreszahl 16o7 gesetzt.
Brunhilde, so wisssen die Alten, ging jeden Tag ihres Lebens , immer, wenn die Dämmerung einsetzte, zu diesem Kreuz und weinte.
Ich habe diese Geschichte nie vergessen, und immer noch erschüttert sie mich.“ So endete das Mütterchen.
Doch wo ist das Kreuz geblieben? In einer Akte aus dem 18. Jahrhundert. bestätigt der Meyer zu Eissen noch seine Anwesenheit in der Steinheide der Flur Kreuzstein.
p.s. (Hatte Emma da neulich ein Kaninchenloch entdeckt oder eine Feldmaus gejagt, oder …. hatte sie Witterung genommen …nach 400 !! Jahren ???)
Hallo
ist ja interessant Ihre Geschichte zum Kreuzstein in Schildesche.
Über diesen Stein habe ich auch schon Anfragen an die Stadt Bielefeld gestellt (Katasteramt), jedoch ohne Erfolg. Er wird auch
bei W. Brockpähler, “Steinkreuze und Kreuzsteine in Westfalen”, 1963 schon als verschwunden angegeben. Auf meiner Seite ist er in der Suchliste zu finden. Ist Ihr Bild eine Fotomontage ?
Mit freundlichen Grüßen
A. Martin
Hallo
ist ja interessant Ihre Geschichte zum Kreuzstein in Schildesche.
Über diesen Stein habe ich auch schon Anfragen an die Stadt Bielefeld gestellt (Katasteramt), jedoch ohne Erfolg. Er wird auch
bei W. Brockpähler, “Steinkreuze und Kreuzsteine in Westfalen”, 1963 schon als verschwunden angegeben. Auf meiner Seite ist er in der Suchliste zu finden. Ist Ihr Bild eine Fotomontage ?
Mit freundlichen Grüßen
A. Martin