Cl. 40.In der Dorfschule.mit Lumpi
Es hockt der Lumpi mit Frau Mäuschen
grübelnd in seinem kleinen Häuschen.
Babs ist leider nicht zugegen.
Sie lässt sich in einer Beauty-Farm pflegen.
Lumpi kramt in vielen Sachen und denkt:
„Ich sollte mal Ordnung machen.“
Da fällt ihm ein Büchlein in die Hand,
das ist ihm völlig unbekannt.
Vom Einband sind nur Reste verblieben.
Es ist von seinem Urahn geschrieben.
Der lebte, das war Lumpi bekannt,
als Schulmeister einst im Thüringer Land.
Und was nur bei Lumpi kann möglich sein,
er schlüpft in das Buch hinein.
Das Schulhaus an der Ecke ist nicht sehr groß
der Lehrer wohnt im Obergeschoß.
Eine Hippel steht im Gärtchen dahinter.
Sie gibt Milch und Käse im Sommer und Winter
Unten im Raum, wo die Schüler hocken
mit Schal um den Hals und dicken Socken,
ist ein Kanonenöfchen ins Eck gestellt,
für Kohlen aber hat man kein Geld.
Lumpi macht ein dummes Gesicht,
die wenigen Bänke reichen nicht.
es mangelt an Tischen und an Stühlen
man setzt sich einfach auf die Dielen.
Der Lehrer ist ein dürrer Mann,
man sieht das Hungerleben ihm an.
Er trägt ein Plastron – eine Art Krawatte -
und einen Bart, wie Kaiser Wilhelm ihn hatte.
Doch er ist bemüht, seine Schäfchen zu hüten
und tut ihnen Zucht und Ordnung gebieten.
Die Besoldung eines Schulmeisters liegt sehr im Argen.
Die Familie muss an allem kargen.
Die Kinder schickt mancher in seiner Not
zum Betteln beim Bauer um einen Laib Brot.
Und wenn im Dorf die Ernte verkommen,
wird ihm auch das Deputat noch genommen.
Was nützt dann die ganze Gelehrsamkeit noch,
gähnt im Bauche ein riesengroßes Loch.
Lumpi hat ein ganz schlechtes Gewissen,
hat er doch oft sein Butterbrot weggeschmissen.
Um Lehrer zu werden. waren die Hürden beträchtlich.
Er sei stimmgewaltig und der Noten mächtig.
Drei hatten neulich vorgesungen.
Den Prüfern hatte es schlecht geklungen.
So ist ein mancher schon gekommen
und wurde trotz Fürsprache nicht genommen.
Doch ein Schulmeister im Dorfe ist Kantor zugleich,
die Register der Orgel sind sein Bereich.
Könnte ich meinen Rekorder herbringen,
denkt Lumpi, merkt keiner, wenn sie simultan hier singen.
Nicht ein Orgelklang trifft Lumpis Ohr.
Die Schüler buchstabieren im Chor.
Na ja. das geht doch schon wunderbar.
Die Knaben sind ja auch schon im zweiten Jahr.
Im dritten lernen sie Wörter schreiben.
Lumpi muss sich die Zeit vertreiben.
Im vierten greifen sie dann zur Fibel
und am Ende lesen sie in der Bibel.
Wer dann auch das 1 x 1 noch kann,
ist beinahe schon ein gelehrter Mann.
Gelernt wird eigentlich nur im Winter.
Von Frühjahr bis Herbst braucht man die Kinder
zum Rübenziehen, so ist’s immer gewesen,
zum Käfer sammeln, zum Ährenlesen.
Die Bauernjungs sind keine Engel.
Der Fritze, dieser freche Bengel,
baute sich doch ein Blasrohr aus Stroh
plant nun einen Angriff auf „Kanters“ Po.
Am Ende musste er sich bücken,
und der Rohrstock tanzte auf seinem Rücken.
Lumpi schnappte sich den Stuhl von Fritzen,
denn der konnte leider nicht mehr sitzen.
Heute sind’s nur der Burschen sieben,
wo ist denn der Täve geblieben?
Der Täve. der hat Mist gebaut,
der hat 5 Möhren vom Acker geklaut.
Nun steht er am Rathaus jedenfalls
angekettet mit ‘nem Eisen am Hals.
Da bricht auch schon die Nacht herein,
und Täve ist so ganz allein.
Lumpi hat sein Fernrohr gezückt,
da sieht er den Ärmsten, der ganz geknickt.
Sein Magen knurrt, das Auge tränt
weil er sich nach den 5 Möhren sehnt.
Seinen Bruder hatte man neulich geschnappt.
Auch dieser hat nur Hunger gehabt.
Mit ‘nem Kohlkopf hatte man ihn entdeckt.
Er wurde ins Trillerhäuschen gesteckt.
Das ist ein rotierendes Holzgestell,
das dreht sich schneller als ein Karussell.
Wer 15, den trifft schon die volle Strafe.
Er dreht sich auch heute noch im Schlafe.
Hier muss ich, denkt Lumpi, mich gut betragen,
sonst wird mir gleich der Kopf abgeschlagen,
so wie es dem kleinen Mädchen ergangen,
die ohne Kopf auch noch aufgehangen.
Man sagt, dass sie Teufels Liebchen war.
Das arme Kind war grad’ 14 Jahr’.
Heut’ Nacht da gab’s einen großen Schreck.
Das Dach vom Lehrerhaus flog weg.
Der Sturm hat es einfach fortgerissen.
Nun strömt der Regen auf Bett und Kissen.
Der Lehrer ist stracks ins Rathaus gelaufen,
man möge doch Schindeln für ihn kaufen:
„Ich kriege die Schwindsucht oder die Gicht,
und Schulmeister sein, kann ich dann nicht.
Mit meinen 5 Gulden Salair im Jahr
kann ich nicht zahlen, das ist klar.“
(Gulden=24 Groschen, Groschen=12 Pfennig)
Was gut, dass ich nicht in die Mägdeleinschule muss.
Das wäre für mich ein großer Verdruss.
Da lernen die meisten statt lesen und zählen
nur Wäsche waschen und Kartoffeln schälen.
Was brauchen die Weiber Gelehrsamkeit.
man mache sie nur für die Ehe bereit.
So, denkt sich Lumpi, sei doch der Sinn
von der alten Mägdelein-Schulmeisterin.
Lumpi ist heute frohgemut.
Der Mittwoch, denkt er, der wird gut.
Dann läutet ja die Totenbimmel.
Der alte Müller ist im Himmel.
Um Ehre ihm nun zu bereiten
12 Knaben vor dem Wagen schreiten
und singen dann aus voller Kehle
lobpreisend seine arme Seele.
Das beste aber kommt zum Schluss.
Das wird bestimmt ein Hochgenuss.
Es gibt ‘ne Stulle mit Leberwurst
und ‘nen Seidel Bier für den großen Durst.
Das Bier ist Lumpi wohl nicht bekommen.
Irgendwie ist er ganz benommen.
Er meint, er sei im Trillerhäuschen
beruhigend spricht zu ihm Frau Mäuschen:
„Du bist im Heute, du bist zu haus ….
Das Abenteuer ist nun aus.
p.s.
50 Jahre ist der „Kanter“ im Schuldienst gewesen.
Mit 8o hat er noch an der Orgel gesessen.
Wenn der Pfarrer sprach zu seinen Schäfchen,
dann gönnte er sich ein kleines Schläfchen
und hat von seinem Schulhaus geträumt.
Doch seinen Einsatz hat nie er versäumt,
denn sein Sohnchen war im Fußraum versteckt
und hat ihn immer pünktlich geweckt.
Seine Stimme dröhnt nun nicht mehr durchs Haus.
Er hängt auch keinen Knaben mehr aus dem Fenster hinaus.
Sein Leibgericht war Streuselkuchen,
Nun kann man ihn aus dem Friedhof besuchen.