Die schwarze Witipp. (Teufelsblume am Hücker Moor)

Wippip Waldhof Lene Pferd fertig

 

Der Fuhrmann Hannes war ein frommer Mann, der brav seine Arbeit tat und sich voller Demut um Haus und Familie sorgte. Er wohnte am Waldhof, hatte ein Fuhrwerk und lieferte Leinenballen aus, die er zu Händlern und Schneidern im Umkreis von Bielefeld beförderte. Er hatte es zu einem gewissen Wohlstand gebracht, und war allseitig geachtet.
Nun geschah es, daß seine gute Frau bei der Geburt des Knaben, nach vier Mädchen war es der ersehnte Sohn, im Kindbett ihr Leben aushauchte. Der arme Mann war voller Verzweiflung, doch nach kurzer Zeit nahm er sich ein neues Weib, damit die Kinder wieder versorgt werden würden.

Witipp Windmühle Gehrenbrink

 

Lene, die junge Frau, kam aus Hücker. Ihr Vater arbeitete, in der nahegelegenen Mühle in Gehrenbrink, und Hannes kannte den Müller, hatte er ihm doch schon eineige Male Stoff für eine neue Müllertracht gebracht. In ihrer Familie hatte Lene oftmals am Hungertuch nagen müssen. Nun erhoffte sie sich in der großen Stadt mit dem älteren Mann ein Leben in Saus und Braus genießen zu können .
Am Hücker Moor aber blühen und glühen des Teufels Augen. Magisch war Lene stets von ihnen angezogen worden, und auf ihrem Mieder zeichneten sich die Blutaugen ab. Sie war “gezeichnet”!

Witipp Moor mit Blumen

 

Doch das Leben war nicht so, wie sie sich es vorgestellt hatte. Müh und Plag war der Tag auch hier, und keine Zeit blieb für Tanz und Spiel. Fünf kleine Kinder mußten versorgt werden, der Mann brauchte sein kräftiges Essen und die Hausarbeit war mühsam. Die Wäsche mußte im großen Kessel mit Seifenstein auf dem Feuer gekocht werden, dann wurde sie im fließenden Wasser der Lutter gespült , um schließlich auf der Wiese in der Sonne zu trocknen. Der Unrat kam auf die Kloake im Hof und Flüssiges, ob Schmutzwasser oder menschliche Ausscheidung wurden schwungvoll in die Gosse geschüttet. Viele Stunden saßen die Frauen am Spinnrad, und die einzige Muße bot der sonntägliche Kirchenbesuch. Das müßte sich ändern.

Da geschah es, daß der Mann mit dem Fuhrwerk am Bielefelder Berg zu Tale stürzte und sich schwer die Knochen zerbrach. Da lag er nun siech im Bett und Lene mußte ihn pflegen. Sie jammerte mehr als er ob der Last und war kein liebendes Weib.

Damals sah man eine Krankheit als Bestrafung an und wähnte sich in den Klauen des Satans, der seine sieben Knechte die Furcht und die Pein, Entsetzen, Grauen und Verzweiflung, Not und Tod dazu trieb, die Menschen zu quälen.
Da klopfte, als die Sonne unterging, die uralte Alma ans Tor: “Laß mich ein, ich sprech den Reim.” Sie war eine Alma mater der magie, eine Priesterin der Hexen, und sie fing an zu raunen:

Witipp Alma

Es haben sieben Vagabunden sich in der Hölle gefunden. Behaftet mit Schwären und Beulen tun sie wie Wölfe heulen, um so mit Angst und Schmerz zu schrecken Menschen Herz. Drum Blut zu Blut und Bein zu Bein, und Du kannst Dich von diesen Quälern befrein.

Doch diesmal versagte ihre Kunst, und das Leiden des Mannes währte fort. Da verdunkelte Lenes Teufelsmal ihr Hirn, und sie besann sich eines anderen Spruches:

Legst Du ein gutes Kräutlein drauf,
dann steht der Kranke morgen auf.
Doch tust Du ein schlechtes Tröpfchen ins Töpfchen,
dann hören die Uhren auf zu schlagen,
und Du mußt den Sarg aus dem Hause tragen.

Wochenlang hatte Lene versucht, ihrem Mann zu helfen. Sie hatte Stengel der Igbopflanze gesucht, die aussehen wie Schwänze kleiner Eidechsen, und denen man eine Kraft nachsagt, die, wie es bei den Echsen geschiet, verletzte Knochen wieder heilen kann. Auch dieses war erfolglos geblieben. Nun kam ihr ein böser Gedanke: “Mache ich doch seinem Leiden ein Ende, und ich bin frei!”. Und …. sie mischte Schierling in seinen Trank. Schlag 12 blieb die Uhr stehen, und der Fuhrmann tat seinen letzten Atemzug. Schnell trug sie alle Pflanzen aus dem Zimmer, stellte die Möbel um und hängte den Spiegel zu. Mit lauter Stimme verkündete sie das Todansagen. Nicht nur alle Nachbarn, auch die Pferde, Ziegen und Hühner und sogar die Gegenstände im Sterbehaus wurden verständigt: “Groß ist die Not, der Herr ist tot!” Als sie auch das Feuer gelöscht und das Wasser ausgegossen hatte, öffnete sie das Fenster, damit die Seele hinausfkiegen möge. Sie tat einen tiefen Seufzer. Es war rabenschwarz im Raum, da riß sie die Klagehaube von ihrem Haupt, löste ihr Haar und fing an, wild zu tanzen, lachte und schrie:
“Es ist vorbei, ich bin frei, und gleich bin ich reich!”

Wippip tanzt neu gut

Da brach plötztlich ein Sturm los und mit einem lauten Knall wurde das Fenster wieder zugeschlagen. Voller Entsetzen zuckte Lene zusammen, hatte der Tote da nicht eben die Augen aufgeschlagen?? Und auf einmal wurde ihr Tanz immer wilder und wüster, sie hatte keine Gewalt mehr über ihre zuckenden Glieder. Der Freudentanz war zu einem Veitstanz entraten. Ihr schienen die Arme und Beine dünner und dünner zu werden. Ihr Kopf schrumpfte bis auf die Größe einer Erbse zusammen, und das Hirn gaukelte ihr Wahnbilder vor. Nur ihr rotes Leibchen blieb erhalten. Im Brausen des Sturmes hörte sie die Alma höhnisch lachen:

“Durch Tod geschieden, nun gemieden.
Du bist schlecht, Dein Lohn gerecht.

Witipp schwarze Witwe pur

Sie war zu einer giftigen Spinne geworden, zu einer schwarzen Witwe. Diese sucht sich nachts ihre Opfer, und wie die Tarantel löst sie Krämpfe und Trugerscheinungen aus, doch sie ist viel giftiger. Mit dem Auflegen von Exementen versucht man Bißopfer zu heilen. Am Tag versorgt Lene im alten Haus die Kinder, geächtet und gefürchtet von allen.
Sie hat versucht, sich von dem verfluchten Mieder zu trennen, aber es ist ihr auf den Leib gewachsen, und erst, wenn sie als Hexe brenne, wäre auch dieses vernichtet. Lene rieb sich mit Pferdeäpfeln ein, sie schmierte Kuhfladen auf ihren Körper, das sollte helfen, es half nicht!

So vollzieht sich jede Nacht die gleiche Verwandlung. Der Sturm reißt sie aus dem Fenster, und weht sie dorthin, wo sie geboren ist, ins Hücker Moor. Und sie kriecht zwischen Dreck und Aschen ins Gebüsch und versteckt sich unter Steinen. Und genau an diesem Punkt wurde 1687 eine kleine Kirche gebaut.

Kirche 1687

Doch beim hellen Neumond duckt sie sich in eine dunkle Mauerecke neben der Windmühle, damit sie keiner sieht. Der Teufel aber freut sich über die geraubte Seele, und seine Blutblumen blühen weiter am Korteteich im Hücker Moor.

Witipp Teufelsaugen

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