Dem Lumpi ist es wohlbekannt das winzige Dorf im Thüringer Land.
Will heut’ nicht in die Weite streben, will Bauernalltag mal erleben.
So fährt er mit der Bimmelbahn nah zu den Engeldörfern ran.
Schaut aus dem kleinen Zugfenster raus, die Landschaft sieht völlig anders aus.
Er sieht horiziontweit kein einziges Haus, nur Ährenfelder breiten sich aus,
geschnitten von Tausenden Apfelbäumen, die die enge Straße säumen.
Der Meyer Westfalens thront als König gleich verstreut und bewehrt in seinem Reich.

 

Hier schützt sich der Bauer, auch nicht dumm, im Haufendorf um die Kirche herum.

Er trifft den Bauern Hutzelbier, schroff fragt der: “Bengel, was tust Du hier?
Du willst doch wohl nicht Äpfel klau’n, man kann hier keinem Landstreicher trau’n.

I wo, ich bin zu wissen bestrebt, wie man als Bauer hier so lebt.”
“Na dann komm einfach mit mir, Mann, weil ich Dich gut gebrauchen kann.
Heut’ gibt’s Kürbisdieschel bei uns zuhaus, ich sag’ Dir, ein ganz besonderer Schmaus.
Weil Knecht und Lumpi Hunger haben, können sie sich tüchtig laben.

(Dieschel, in einem Tiegel zubereitet, ist ähnlich wie Kaiserschmarrn. Eier, Milch und Mehl werden meist mit Birnen oder Kürbis im Ofen gebacken und überzuckert.)

Nachdem er eine Riesenportion verdrückt, wird Lumpi sogleich ins Bett geschickt.
Morgen in aller Früh’ geht’s als Werk, Kleewenden steht an am Harten Berg.
Im Bett, riesengroß und Kämmerchen klein, flällt er in ein Kissengebirge hinein.
Durchs Unter- und Oberbett, prall gefüllt, hat er sich schließlich durchgewühlt.
Da liegt er nun, der arme Tor und kommt sich wie die Prinzess auf der Erbse vor.

Die Federn stammen aus dem eigenen Stall, von all den Gänsen, “die waren einmal”.
Wenn im Winter die Felder verschneit und vereist, werden die grupften Federn geschleißt.
In der Luft schwirren Miraden von Flaum umher, da wird das Reden und Atmen schwer.
So hocken die Frauen viele Stunden und haben Nase und Mund verbunden.

Und am Morgen … welch’ Gewimmer “Wo ist denn das Badezimmer ???”
Und es tönt rund im Revier: “Gibt’s denn keine Dusche hier?”
” Laß, mein Jungchen, das Gejammer, ein Waschbecken steht in Deiner
Kammer.
Es gibt Seife, Lappen und Bürste, keine Sorge, sauber wirste!!”
Und Hände und Füße, ohn’ groß Gelumpe, wäscht Du am besten gleich
unter der Pumpe.
“Soll ich dazu auf die Gasse rennen, wo alle mich begaffen können?”
“Oh, wir Hutzelbiers haben, sehr angenehm, eine eigene Pumpe auf dem
Hofe stehn.
Nun mach hinne, es ist schon spät, wir müssen los eh’ die Sonne aufgeht.

Im Frühtau zu Berge wir ziehn fallera, das paßt hier, und Lumpi ist auch schon da.
Es wird ihm immer in Erinnerung sein, die Fahrt in die aufgehende Sonne hinein.
Die Lerchen jubeln und der Tag steht noch still, er fragt sich, was man Schöneres will.
Nun hat er ‘nen Harken aus Holz in den Händen und soll die Kleereihen ordentlich wenden.
Die Arbeit tut ein Jedermann, damit der Klee gut trocknen kann
Nach kurzem tut ihm der Rücken weh, er bückt sich und sucht lieber vierblättrigen Klee.
Es ist ihm leider nicht geglückt, und Herr Hutzelbier war absolut nicht entzückt.

 

Da hat der Bauer kein Erbarmen und spricht zum Lumpi, diesem Armen:
“Jetzt geht die Hackzeit wieder los. Der Hederich ist schon riesengroß.
Nimm eine scharfe Hacke zur Hand, in Reih und Glied wird gesäubert das Land.”
Oh nein, heute nicht, mir tut alles weh, mir schmerzt der Buckel bis zum Zeh.
Wie bitte, ach du heiliger Vater, der arme Junge hat Muskelkater.
Na gut, o.k., wir woll’n mal sehn, Du kannst mit den Frauen Beeren sammeln gehn.

Am Kirchberg sind die Schlehen reif, draus macht man köstlichen Saft zugleich. Schlehdorn hilft bei Blasenleiden, auch gegen Husten und Hautkrankheiten.

Am nächsten Tag gibt’s Suppe mit Sächen und keine Rücksicht mehr auf Wehwehchen.
(Sächen ist gerösteter Speck mit viel Zwiebeln als Krönung über die Suppe.)

“Hurtig, hurtig, kleiner Mann, spann schon mal die Pferde an,”
tönt es aus der Futterkammer, doch der Lumpi, welch ein Jammer,
weiß nicht, was zu machen ist. “Anspannen, na so ein Mist.
Ich bin angespannt, wenn mich Angstträume quälen.
Soll ich den Gäulen ‘nen Tatort erzählen?”

“Bestimmt ist Dir der Song bekannt:Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand? Da hängt er,” zeigt der Hutzelbier. Wir sagen Kummet dazu hier”. Das Sielengeschirr wird angelegt. Der Spruch, der hat sich in die Sielen gelegt” heißt, er hat sich mit aller Kraft bewegt. Auch: “Ich hab ihn an die Kandare genommen”, ist vom Pferdezaunzeug hergekommen. Und läßt Du keine Aufmerksamkeit walten, dann muß ich die Zügel straffer halten.”
Kartätsche und Striegel werden Dir nutzen, mußt du nach der Arbeit den Gaul auch putzen.

Lumpi hat lange ausprobiert, am Ende hat er’s dann doch kapiert.
Nun sitzt er stolz, wie hinein gebor’n, mit der Peitsche in der Hand in der Schoßkelle vorn.
(Schoßkelle ist ein eingehängter Kutschersitz.)

Der Roggen in der Mulde ist jetzt dran. Da kommt man nicht mit dem Binder ran.
Da muß man mit der Sense mähn. Das hat Lumpi noch nie gesehn.
Die Männer rappen als versetzte Glieder in langen Gassen die Ähren nieder.
Die Frauen packen so viel sie fassen, die sich zu Garben binden lassen.
Mit Strohseilen werden sie festgeblockt und dann zu Puppen aufgehockt.
Wichtig ist vor allem der Mann, der am besten dängeln kann.
Mit viel Geschick macht er nach Bedarf die Sensen wieder messerscharf.

Nach einem heißen Arbeitstag auf dem Feld hat der Bauer sich zu Lumpi
gessellt.
So Junge, Vesper, wir machen Pause, dann geht es auch schon bald nach
Hause.
Jetzt iß Deinen Stöpel und Deine Bemme, und auf dem Heimweg fährst Du
durch die Schemme.
Wo durch? denkt Lumpi, Das ist die Frage. Ist wohl wie ne’ Art Autowasch-
anlage.
Nanu? Welch Irrtum, man fährt das Gespann ganz gemach durch ‘nen leicht
aufgestauten Bach.

“Morgen”, sagt der Bauer stolz, “morgen machen wir ins Holz.”
Lumpi schaut ihn entgeistert an: “Mann oh Mann, was sagt der Mann?”
Und dann erklärt der Hutzelbier: “Wir haben alle Öfen hier.
Im Winter brauchen wir nicht nur Kohlen, man muß sich auch sein Brennholz holen.
Und das steht im Graß, festmeterweise, deshalb morgen unsere Reise.
Ins Graß ! Oh weh, dem Lumpi graust, da haben doch Wölfe und Bären gehaust.
Er sieht sich schon von Bären zerrissen, hätt’ beinah die Arbeit hingeschmissen.
Doch das Untier war nur in seinem Kopf, was war er doch für ein armer Tropf.
Das Gebrüll kam nur vom Bauersmann: “Verdammt noch mal, nun pack endlich an!”

Alle Frauen sitzen heute im Schuppen im großen Kreis beim Erbsenruppen.
Derweil es draußen heftig dribbelt, werden drinn’ die Schoten geknibbelt.
Die Erbschen, das weiß Lumpi schon. Die nennen sich “Wunder von Kelvedon!”
Zum Ruppen war er nicht bereit. “Das ist doch nun wirklich Frauenarbeit.”

“Ich hab hockende Frauen am Ufer gesehn, wollen die da etwa baden
gehn?”
“A propos Weiberarbeit, du Dussel, gemach, die Frauen lüttern die
Wäsche am Bach.
Mit Seifenstein im Kessel gekocht und durchwühlt wird sie in der Helbe
klargespült.
Dann wird sie auf Stachelbeersträuchern gereicht, wo die Sonne ein
blühtendes Weiß ihr bleicht.”

 

“Es draaascht vom Himmel, ach welch Graus. da mistet du heute den
Kuhstall aus.
Bei Euch in Westfalen, wir wissen das, da weiden die Kühe auf grünem
Gras.
Hier sind die Tiere überall das ganze Jahr im warmen Stall,
wo sie friedlich ihre Krippen anschauen und die Schwalben ihre Nester
bauen.”
Lumpi hat die Kuh am Schwanz gerissen da hat sie ihm auf den Schuh
gesch….

 

Als Lumpi grad “sein Kranz am stippen”, schallt’s: “Mähr nich’ so rum,
heut’ geht’s Runkelkippen.”
(Kranz ist ein Hefekuchen mit Rosinen, und wenn er zu trocken, wird er in den Kaffee- natürlich Kathreiner Malzkaffee- gespippt.)

Schon ausgehoben liegen die Rüben bereit, nun werden sie von den Blättern befreit.
Mit einer Art Machete, zu Lumpis Grauen, werden Kopf und Grünzeug abgehauen.

Lumpi sorgt sich um seine Finger, und dreckig sind sie, diese Dinger.
“Klag nicht”, heißt’s, “denn früher, mußt Du wissen, haben wir sie mit Rübenziehern rausgerissen,
das war viel schwerer für die Leut’, ein Kinderspiel ist das doch heut’.
Doch der Lumpi bleibt dabei, es ist ‘ne arge Schinderei.
Wenn alle Rüben aufgeladen, werden sie zur Zuckerfabrik nach Straußfurt gefahren.

Hackfrüchte machen die meiste Müh. Sie werden gedrillt im Jahre früh.
Die Frucht wächst in langen Reihenbeeten, dazwischen muß man das Unkraut jäten.
In die Reihen werden Lücken gehackt, kleine Sträußchen bleiben als Pflanzenpack.
Nun vergeht nur kurze Zeit, dann ist es zum Vereinzeln so weit.
Es bleibt eine Pflanze aus jedem Strauß, die anderen rupfen Schulkinder aus.
Sie bekommen 10 Pfennig pro Stunde bezahlt, was glaubt ihr, wie da mancher Bengel strahlt.
Ganzjährig geht praktisch die Vorarbeit, bis es dann endlich Erntezeit.

Maschinell heute alles geschiet, jedes Samenkorn liegt in Reih und Glied.
Die Hackfraureihen sind stark gelichtet, denn auch Unkraut wird mit Maschinen vernichtet.

Was hat der Lumpi denn sonst noch gemacht? Er hat die Sau zum Eber gebracht.
Es kamen 14 Ferkel zur Welt, Lumpi hat sie alle gezählt.
In der Nacht hat die Sau sich auf dreie gelegt, die haben sich leider nicht mehr bewegt.
Man hat sie auf den Mist geschmissen, der Hofhund hat sie dann zerrissen.

Er hat Mist gezöttelt und Gülle gespritzt, hat für den Hopfen Stangen gespitzt.
Er mußte Gänse von Anger nach Hause treiben, sie durften im Dunklen nicht draußen bleiben,
und einmal hat er in Mitten der Nacht ein kollikendes Pferd zu Tierarzt gebracht.
Auf der Galerie haben Tabakblätter zuhauf gewedelt, die Lumpi einzeln .aufgefädelt.

Er hat Garben gepanst auf dem Erntewagen und durfte zum Dankfest die Krone tragen-

So hat er vieles Neue vernommen, ist oft nicht aus dem Staunen gekommen. Im Winter hat sich Lumpi noch beim Dreschen gequält. Hat nicht die hunderte Säcke gezählt,
die er die steile Stiege hinauf, drei Stockwerke hoch auf den Kornboden rauf,
je 1 1/2 Zentner aufgebuckelt, während die Maschine dröhnend ruckelt.
Die Frauen gabeln die Garben zu, die Körner rauschen in die Säcke im Nuh.
Die Arbeit ist schwer, und man glaubt es glatt, daß ein Scheunendrescher Hunger hat.

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Lumpis Sack wird immer leichter, grad bemerkt er dieses noch, und dann sieht er mit Entsetzen, der Sack hat ja ein Riesenloch!
Tack -tack – tack riesen Körner raus, meine Güte, welch ein Graus.
Doch zum Säckflicken ist keine Zeit, das ist für die Frauen Winterarbeit.

Beinahe hätt’ ich’s doch vergessen, da gabs ja noch das große Fressen.
Der Bauer – und das ist unbestritten – ist auf dem Schwein noch einmal
um den Hof geritten.
Und nachdem dies den Tod durch die Kugel ereilt, wird es fachgerecht
aufgeteilt.
Der Braten wird eingepökelt, der Schinken in den Rauch gehängt,
und dann werden endlich die Würste geschwenkt
Beim Jüngsten . das rufen alle im Chor – wird die Wurst gemessen von
Ohr zu Ohr-
das ganze Haus riecht nach Leberwurst, und alle haben großen Durst.
Am Abend bekommen für ihre Mühe alle Helfer einen Topf mit Wurstebrühe.
Und ist der Trubel endlich vergessen, muß die Familie tagelang Topfbraten
essen.
(Topfbraten ist ein Ragout aus den Innereien mit Zwiebeln und Lebkuchen.)

Hat Lumpi am Anfang mal aufgemückt und sich gern von schwerer
Arbeit gedrückt,
“gaakt nicht rum,” hieß es, “, sonst könnt ‘ne Horbel auf Deinem Nischel landen”, da hat Lumpi immer nur Bahnhof verstanden.”
Doch inzwischen hat er alles gerafft und fühlt sich als Meister der Landwirtschft.
Zum Erntedankfest trug er den Erntekranz und abends schwenkte er Hutzelbiers Tochter zum Tanz . In der Adventszeit – was soll ich Euch sagen ?!! hat er dreizehn Schittchen ins Backs getragen.

( “Schittchen” nennt sich hier der Stollen, und “Backs” ist das Backhaus.)

Am Schluß nun sagt der Hutzelbier: “Na Lumpi, das war nett mit Dir.
Nun hast Du fast ein Jahr geschaut, mit manchem bist Du jetzt vertraut.
Hast tapfer Dich zumeist gehalten, werd’ in Erinn’rung Dich behalten.
Zum Abschied geb’ ich Dir ein Blatt, das Urahn aufgeschrieben hat.
Bewahr es gut in einem Schrein, vielleicht kann es Dir hilfrein sein.

Notizen aus dem Jahre 1838.

1. Mittel, die Ratten zu vertreiben:
Man nimmt ein Mäßchen Bohnen, bratet sie in Butter und setzt sie in einige Geschirre hin, dass die davon fresse, und einige Geschirre mit Wasser dabei, dass die davon saufe. Nach diesem wird man keine wieder zu sehen bekommen, dieweil sie davon plazzen.

2. Mittel, dass die Sperlinge den Weizen nicht abfressen: Den stillen Freitag vor dem Sonnenaufgang hinausgegangen und Weidensprossen abgeschnitten, alles in Stillschweigen. Diese Weiden hebt man auf, bis der Weizen ausgesät wird. Wenn man damit anfängt, nimmt man ein kleines Stückchen abgeschnitten ins Maul unter die Zunge, alles in Stillschweigen. Wenn man fertig ist bei dem letzten Wurf das Stückchen aus dem Maul hinterdrein gespuckt.

3. Mittel gegen Sommersprossen:
Schneide Meerrettich in kleine Würfel, thue solche in ein Glas mit scharfen Weinessig und vergrabe es ungefähr 40 Tage in der Erde, worauf man es wieder heraus nimmt, die Flecken vor dem Schlaf damit bestreicht. Am Morgen ist die Haut weiß. Auch gut gegen Leberflecken.

4. Eisen aus einer Wunde ziehen:
Wenn dergleichen in einer Wunde stecken, ohne dass man sie sehen und herausziehen kann, muß man zerquetschte Sonnenwirbelblätter des abends auf die Wunde legen. So wird sie sich früh am Morgen voneinander getan haben, dass man den Gegenstand ohne Schmerzen herausziehen kann.

5. Wer Erbsen säen will, der säe sie im abnehmenden Monde, der wird schöne Erbsen bekommen. Wer Erbsen im Vollmond säht, der wird erfahren, dass sie sich totblühen.
Wer Weizen säen will, der säe nicht gegen die Sonne, sonst wird er Brand genug bekommen. Die Sonne muß man jederzeit im Rücken haben. Wer es nicht glauben will, kann mit mir eine Probe machen.

Joh.Friedrich Wedel
Probatum est.

Zufrieden eilt Lumpi schnell nach Haus, denn …
Abenteuer ist nun aus.

p.s. Blieb vom Erlernten was haften bei Lumpi? Doch,
Hühnerfüttern, das kann er noch.
Doch einem Hähnchen den Hals umdrehn,
das hat er zwar oft genug gesehn,
aber dazu kann ihn keiner zwingen,
ein Brathähnchen läßt er vom Eismann bringen.