Zöllner Suff (Ostmannturm und Zollhaus )

Suff Titel

In der Turnerstraße, gegenüber der alten Anker-Fabrikgebäuden, steht ein prächtiges Haus. Da schaut aus einem Loch über der Toreinfahrt ein Kopf heraus, schnautzbärtig, angetan mit einer Pickelhaube und mit erhobener Schwurhand … der Zöllner Suff! Wer weiß denn, wie es dazu kam?

Damals, als noch jeder Fürst sein Ländchen abgrenzte und man, um seines Weges weiterzukommen, an den Schlagbäumen Straßen- und Warenzoll zu bezahlen hatte, da mußte man auch kräftig berappen, wollte man vom Lippischen ins Ravensbergische reisen. Schon vor 700 Jahren hatte die Gräfin Sophie vom König das Recht erhalten, in Bielefeld Münzen zu prägen und Zoll zu erheben. Handel und Wandel erblühten, und das Säckel des Landesherren füllte sich. Aus Lübeck bezogen die Kaufleute Stockfisch und aus Frankfurt Wein. Butter brachten Händler aus Dänemark und nahmen nach Bremen Leinwand mit, während feinste Wollstoffe aus Flandern eingeführt wurden. Am einträglichsten aber war der Handel mit Gewürzen aus Indien. Damit konnte man reiche Gewinne machen, und deshalb gab es auch manch finstere Gesellen, die einen wüsten Schmuggel betrieben. So blieb es noch bis zu Urgroßvaters Zeiten. Nun gab es da in Bielefeld einen Zöllner, das war der Gustav Ruff, ein strammer Mann mit einer schönen Uniform und einem prächtigen Schnauzbart. Er saß in seinem Wärterhäuschen am Bielefelder Paß und bewachte den Gadderbaum. Seine Wiege aber hatte in Steinhagen gestanden. Und es scheint beinahe so, als habe ihn seine Mutter mit Schnaps aufgezogen anstatt mit Milch, denn er konnte das Trinken nicht lassen. Es waren wohl an die 25 Bierchen und Steinhäger sein täglich Brot. Im Kreise seiner Kollegen hieß er deshalb nur “Zöllner Suff”.

Es gab zur selben Zeit aber auch einen Fuhrmann, der ob seiner Schläue bekannt war. Er hieß Ferdinand und hatte die Gabe des Gedankenzauberns. Es war an einem lauen Sommerabend. Im Alten Johanniskrug saß Ferdinand in fröhlicher Runde zusammen mit den Händlern aus Tupfingen, die Hopfen und Malz zum Bierbrauen in die Stadt gebracht hatten. So mancher Humpen Gerstensaft war schon durch die Kehlen der Männer geflossen. Laut ging es her mit Klagen über die schlechten Wege, über Straßenräuber und vor allem über die hohen Zölle. Da fing Ferdinand an zu prahlen: “Was seid ihr alle für Dummköpfe, ich zahle in Bielefeld keinen halben Pfennig Zoll. ” Nun fingen die anderen an zu lachen und zu gröhlen: “Du Großmaul, das kannst du deinem Ochsen erzählen, wir glauben Dir nicht.” “Hört, wir machen eine Wette, wenn ich dreimal mit einer kostbaren Ladung Gewürze ohne Zoll in die Stadt komme, zahlt ihr mir fünf rheinische Gulden. Verliere ich, so werde ich euch mein Fuhrwerk verpfänden.” Johlend ging die Gesellschaft darauf ein.
Der Kalender zeigte einen Samstag im Oktober. Nebelschwaden und das trübe herbstliche Dämmerlicht, durch das schon der Mond guckte, hatten Zöllner Ruff zur inneren Aufhellung bereitson kräftig zur Flasche greifen lassen, als da vor dem Schlagbaum noch ein verspäteter Fuhrmann stand und Einlaß in die Stadt begehrte. Die Rosse schnaubten, sie hatten schwere Ladung zu ziehen, war doch der Wagen hochbepackt mit Säcken voll Pfeffer Muskat, Ingwer und Nelken, wertvolle Ware aus Asien. “Was habt ihr auf dem Wagen: ” fragte Ruff und gab seiner Stimme einen möglichst barschen Klang. “Graupen, bester Mann, nur Graupen für ein gutes Süppchen.” ” Laßt sehen! ” Da griff Ferdinand in ein kleines Säckchen, das zuoberst lag und ließ einige Graupenkörner durch seine Finger gleiten. Dabei sah er Ruff fest in die Augen. Sofort verwandelten sich die rieselnden Körnchen für Ruff in eine Schar hüpfender, springender weißer Mäuse, die immer riesiger wurden. Mit vor Verwunderung kullernden Augen öffnete er den Schlagbaum und ließ Ferdinand passieren.

Sufff mit Mäusen

Einen Monat später stand dieser wieder mit einer kostbarer Ladung aus Indien vor dem Tor. Gustav hatte gerade seinen dicken Wanst zu einem Nickerchen gebettet, die letzten Tropfen Steinhäger hingen noch in seinen Bartspitzen, da schrak er hoch. “Hallo, Zöllner”, rief es draußen. Ferdinand hatte sich als Kötter verkleidet. Den Hut tief ins Gesicht gezogen antwortete er, schnarrend befragt: “Ich bin nur ein armer Tagelöhner, Aushilfe für den kranken Knecht. Ich habe eine Fuhre Getreide, die ich für den Bauern zur Mühle fahren soll.” Dabei griff er sich eine Handvoll Gerste und ließ sie wieder vor den Augen des Zöllners herabrieseln. Aber, oh Schreck!! Was da zu Boden kullerte schien eine Bande weißer, wild fauchender Kater. Voller Grausen ließ Gustav den Wagen durch den Schlagbaum.
Als Ferdinand nach dem Mondwechsel zum drittenmal kam, wurde es schlimm. Er fuhr mit einer vornehmen Kutsche vor und war selbst gekleidet wie ein reicher Kaufmann. Die Gewürzfässer hatte er mit Leinen umwickelt. Hochmütig herrschte er den dicken, torkelnden Zöllner an: “Was soll Deine Frage nach dem Zoll, wollt Ihr mich etwa des Schmuggelns zichten? Ich habe nur Leinen geholt für die Aussteuer meiner Tochter. Es ist aus meiner eigenen Fabrik.”
Und auf einmal schienen sich die Stoffballen in riesige, weiße Elefanten zu verwandeln, die laut trompetend daherstürmten. Schreckensbleich und vor Angst brüllend ergriff Gutav Suff die Flucht. Und breit grinsend passierte Ferdinand die Zollstelle. Er hatte seine Wette gewonnen. Mit den Gulden kauft er sich in die Gilde ein und war nun nicht mehr Fuhrmann, sondern sein eigener Handelsherr. Er brachte weiterhin teure Gewürze aus aller Welt nach Bielefeld. Er war der Mann für den Osten. Er wurde reich und angesehen. Und noch heute gibt es in jedem Haushalt Ostmanns Gewürze. Suff aber mußte für seine Pflichtvergessenheit büßen. Ihm wurde eine harte Strafe auferlegt. Da man gerade ein neues Zollamt in Bielefeld baute, ließ der Bürgermeister ein kleines Loch in der Fassade aussparen. Da mußte Gustav seinen Kopf durchstecken und für alle Zeiten Ausschau halten nach Zollsündern. Und da steht er auch heute noch. In der Turnerstraße könnt Ihr ihn selber sehen.

Zollhaus gut

Kommentieren