Der Buhn. (der böse Ritter Kurt )

Wo Werra sich und Fulda küssen,
sie ihren Namen büßen müssen.
Zwei Quellen, eine vom Osten kommend und eine vom Westen vereinen sich und entfalten ihre ganze Schönheit zu einem friedlichen Strom, der Weser!
Sie hat keine reißenden Stromschnellen oder Wasserfälle, auf ihr schwimmen keine Ozeanriesen und sie hat auch nicht solch berühmte Mündung wie etwa die Elbe. Sie wird nicht soviel besungen wie der Rhein oder die Donau, aber ein Lied hat meine ganze Kindheit begleitet:
Und unter mir brauset das ferne Wehr
Der Weser blitzende Welle….
da pflegte mein Vater stets kräftig in die Pedale zu treten und mit gewaltigen Akkorden die brausenden Wellen ins Zimmer zu holen.
Dieses Lied, aus Liebesleid gesungen, hat 1845 der Dichter Dingelstedt verfaßt. In Kassel geboren, wurde er später Direktor des Wiener Burgtheaters .

Buhn grWenn die Weser die Rattenfän-gerstadt Hameln hinter sich gelassen hat, macht sie den sogenannten Weserknick, denn sie muß einen riesigen Bogen um einen Berg aus hartem Gestein machen, dessen Hänge über 100 Meter tief zum Strom hin abstürzen.

Es ist der “Buhn”, und von diesem will ich nun erzählen.

Titel Duhn

Über den Buhn sind in Urzeiten die Mammute getrampelt, und der Strom zu seinen Füßen hat Jahrhunderte lang Geschichte gesehen.
Die Römerinsel erinnert noch daran.
Buhn TrachtenEs ist ein besonderes Völkchen, das in den uralten Buhndörfern lebt. Sie sind ganz anders als die Menschen, die am anderen Weserufer zuhause sind, die “Überweserschen”. Sie haben noch heute ihre eigenen Trachten und ihre eignen Bräuche. In einem der Dörfchen wohnte Hulda, die schöne, keusche Tochter einer armen Witwe, die sich mit Zigarren-drehen ihren Unterhalt verdiente.
Und es lebten in den dichten Wäldern hilfreiche kleine Männlein, die Kortwämsken, die für Ordnung bei Gewächs und Getier sorgten. Sie waren Huldas Spielkameraden und sie lernte von ihnen, die Kräuter zu deuten. Als sie älter wurde, half sie Alten in den armseligen Katen, tröstete Einsame und pflegte Kranke. Gern saß sie dann im Abendlicht am Felsenrand und spiegelte sich im Weserwasser.
Als sie wieder einmal träumend am Ufer saß und den plätschernden Wellen nachschaute, sah sie einen jungen Schiffer, der mit seinem Schleppkahn um den Buhn schipperte, und sie sah ihn an voller Zärtlichkeit. Doch schnell war er ihren Augen entschwunden.

Buhjn VerschwörungOben auf dem Schloßberg aber hauste der gefürchtete Ritter Kurt.
Der böse Mann verbreitete in der ganzen Gegend Angst und Schrecken. Er raubte und stahl ohne Erbarmen. Doch die Beute war ihm stets zu gering, er wollte mehr, und immer mehr, auch wenn dies nur mit dem Teufel zuginge. So zündete er in einer Vollmondnacht zwei Kerzen an und legte in deren Mitte seinen spiegelnden Dolch.
Dann starrte er auf die blitzende Scheide und murmelte:
“Abrakadabra und Knöterich, Luzifer jetzt zeige Dich!”
Da…, plötztlich hörte er ein Krächzen wie von einer Krähe: “Wer ruft nach mir?” “Laß den Firlefanz und frag nicht so dumm”, spottete Kurt. “Du bist doch ein guter Geschäftsmann. Du weißt, auch ich mache meine Geschäfte, aber ich gäbe alles darum, wenn sie ertragreicher wären. Was kannst Du mir bieten?” Tückisch grinste der Teufel: “Nun, wenn Du es wünschst, ich biete Dir einen Pakt an. Ich werde Dir Gewalt über Sache und Mensch geben, wenn Du mir dafür die Seelen Deiner Opfer gibst. Aber, wenn Du diese Bedingung nicht erfüllst, werde ich Dich holen.” Und dann löschte plötzlich ein Luftzug die Kerzen, die Krähe war verschwunden, und Kurt hatte “den bösen Blick”.

Buhn krummer BaumZunächst übte er “das Verbiegen”. Er starrte einen Regen-wurm an, und wirklich krümmte sich der. Das hätte der wohl auch ohne Zauber getan. Doch Kurt strahlte. Dann versuchte er sich an Bäumen. Und wirklich, ein dünnes Stämmchen bildete auf einmal eine Kurve. Der Ritter war entzückt. Nun, dachte er, müsse auch das Verbiegen der Hirne gelingen.
Und so verbog und verwirrte er nun den Schiffern den Sinn, so daß sie vom Kurs abkamen, gegen die Felswand stießen, ihre Kähne zerschell-ten und sie selbst ertranken. Mit Netzen und Angeln fischte er dann reichlich Beute. Er sielte sich in Wohlgefallen und lieferte ohne Gewissen eine Seele nach der anderen dem Teufel aus.

Hulda sah mit Entsetzen die Greueltataten des bösen Kurts. Und sie warnte: “Schauet nicht zum Fels, wenn Ihr auf den Wogen der Weser treibt, schützet Euer Antlitz, damit Schatten die Augen deckt und die Verderben bringenden Strahlen abwehrt, und vertrauet auf Gott.”
Und wirklich wurden die Überfälle weniger.

Darob jedoch wurde der Ritter vom Zorn zerfressen, und er trachtete danach, die unliebsame Störerin zu vernichten.
So befahl er seinem Knecht am nächsten Morgen, wenn Hulda die gefertigten Zigarren zum Händler brächte, ihr am Weg-rand aufzulauern und sie im vollen Tempo mit der Kutsche zu überfahren. Aber Hulda hat-te sich zusammengerollt und wurde nur an Arm und Bein ein wenig versehrt.

Buhn Quelle

Sogleich erschien ein kleiner Kortwämsk und flüsterte:
Komm zu dieser Stelle, trink aus meiner Quelle,
und an Leib und Wesen wirst Du schnell genesen.
Er führte sie zu dem versteckten Quell, und bald waren ihre Wunden geheilt.
Und weiter trieb der Unersättliche sein arges Handwerk, und der Teufel frohlockte. Aber auch Hulda ließ nicht nach, die bösen Taten zu ver-hindern.
Nun trieb Kurt seinen Knecht an, heimlich in Huldas Brotsuppe ein zerbröseltes Tabakblatt hineinzumischen. Da wurde das arme Mädchens sehr schwer krank. Aber wieder halfen die Kortwämsken. Sie mischten einen Tee aus Bitterklee und Nießwurz, taten Maiblümchen und Rosenblätter hinzu und bestreuten das Ganze mit Bertramwurz. Lange lag Hulda darnieder, doch endlich genas sie.
Sie konnte wieder des abends am Ufer sitzen und den plätschernden Wellen nachschauen.
Eines Tages bemerkte sie, daß ein Kahn am Gegenufer anlegte und ein junger Mann sich vom Fährmann übersetzen ließ. Aber sie sah auch, wie der Ritter hinter den Bäumen lauerte, schon auf sein nächstes Opfer wartend.

Buhn Kahn klein

Hulda ahnte, wer da kam, hatte der Schiffer doch jedesmal grüßend seine Mütze geschwenkt, wenn er am Duhn vorbeizog. Gerade setzte der seinen Fuß auf festen Grund, da brach auch schon Kurt aus dem Dickicht hervor, um seinen Todesblick auf ihn zu richten. Mit einem Sprung stürzte Hulda herbei und warf sich dazwischen. Der böse Blick traf sie mitten ins Herz und sie sank darnieder genau da, wo sie so häufig träumend gesessen.

Schon hörte man das schaurige Krächzen der Krähe. Da eilten die Kordwämsken herbei und legten aus dürren Ästen ein Kreuz über Huldas Brust. So ward Ihre Seele gerettet, aber ihr Leib erstarrte zu Stein, und da liegt er noch heute. Was aus dem Ritter wurde? Den hat sogleich der Teufel geholt.

Buhn Frau

Immer, wenn sich diese schreckliche Stunde jährt, kommt der Jüngling zu seiner versteinerten Liebsten. Er küßt ihren kalten Mund, und für eine kurze Nacht wird Hulda wieder zu einem lebendigen Weib. Ein Jäger, der kurz vor Morgengrauen auf der Pirsch war, bezeugte, daß, als er an diese Stelle kam, die Steinfigur verschwunden war und er sie erst Stunden später wieder am gewohnten Platz fand.

Hulda lebt in den Gedanken der Buhner weiter. Sie ist zu einem warnendem Mahnmal für alle Schiffer geworden, und sie winken ihr zu, wenn sie am Fels vorbeifahren.

Wenn Ihr Euch einmal mit der Amanda-Fähre zum Berg übersetzen laßt und einen Spaziergang über den Buhn macht, dann könnt Ihr das alles sehen, die versteckte Quelle, den verbogenen Baum und sogar die steinerne Frau, und oben auf dem Burgberg findet Ihr noch die verwitterten Grundmauern der Burg auf der Kurt, der Raubritter, einst hauste. Wenn Ihr dann noch in einen der alten Landgasthöfe einkehrt, um einen Kaffe zu trinken, dann könnt Ihr, wenn Ihr Glück habt, eine fröhliche Gesellschaft Buhner Bauern sehen, die den Achtturigen tanzt.

Buhntanz

 

Und nun ist die Weser weitergeflossen, und ich hoffe, daß alle Schleppkähne sicher ihre Bestimmungshäfen erreichen.

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