Von einem, der das Zaubern lernen wollte.
Wenn man In Bielefeld von der Milser Mühle aus zweimal um die Ecke geht, kommt man zum Zauberweg. Dort wohnt der Hexenmeister Möhrenzahl, der jüngste Sohn des alten Rübezahl, der noch immer das Gebirge der Riesen weit hinten im Osten beherrscht. Möhrenzahl lebt zusammen mit Karl, seinem Pflegesohn. Karls Vater war der Klaubautermann, ein weitläufiger Verwandter. Die Mutter, eine brave friesische Deern, kam mit dem wilden Buben nicht zurecht, und so hat sich Möhrenzahl erboten, den Bengel zu erziehen, damit ein vernünftiger Kerl aus ihm werde.
Möhrenzahl war anders als sein Vater, der, sowohl mit körperlichen als mit magischen Kräften dräuend, eine gefürchtete Gestalt war, die Bauern und Wanderern Angst und Schrecken einjagte,war sein Sohn von zarter Statur und stets gutmütig und hilfreich. Er benutzte seine Zauberkräfte, um entlaufene Hunde, Kinder oder vermisste Ehemänner zu suchen, um Warzen oder die Grätze zu heilen, und manchmal auch, um klapprige Autos durch den TÜV zu bringen. Ja, selbst die Stadtväter baten ihn hin und wieder um einen Rat. So war er bei allen gut gelitten.
Karl hingegen war ein Taugenichts. Möhrenzahl hatte ihn zunächst auf’s Gut zum Meyer zu Eisen gebracht. Dort sollte er sich um die Kühe auf der Weide kümmern, doch er legte sich unter einen Baum und schlief. Beinahe wäre die Herde ausgebrochen und auf die B 61 gerannt. So wurde er hochkant rausgeschmissen. Doch Karl meinte: “Das ist auch keine Arbeit für mich, dafür bin ich doch viel zu klug.”
Beim Bäcker Krefft sollte er auf die Brötchen Acht geben. Aber es kamen nur noch verkohlte Häufchen aus dem Ofen. Und wieder knurrte er: “Was für eine dumme Arbeit, dafür bin ich zu schlau.”
Heimlich, wenn sein Onkel nicht im Haus war, machte er sich an das Zauberbuch heran und stöberte im Hexen-Einmaleins. “Die schwarze Kunst erlernen, das wäre genau das Richtige für mich.” Dann griff er sich den Zauberstab und fing an zu hexen.
Er verwandelte das Kätzchen in einen wilden Tiger, der ihn beinahe aufgefressen hätte, wäre Möhrenzahl nicht rechtzeitig gekommen. Die Köchin Schluckebier, die treulich für die beiden kochte, saß plötzlich als Puppe verwandelt auf dem Sofa und schaute mit Überkreuz-Augen auf ihre Überkreuz-Füße.
Der Zauberer warnte; “Vergreif Dich nicht an Dingen, die Du nicht verstehst, Du richtest nur Schaden an.”
Doch Karl hörte nicht und wurde immer dreister. Als dann eines Nachmittags einer feiner Herr vom Rat der Stadt kam, der in dringender Angelegenheit den Onkel sprechen wollte, er hatte sogar Herrn Arbeiter von der Presse mitgebracht, da sagte Karl: “Wir brauchen nicht zu warten, ich kann das auch, was soll’s denn sein.” “Wir möchten ein schönes Denkmal für den Museumsgarten. Da nahm Karl ein Stückchen Blech, aber anstatt “abra kadabra” zu sagen, sagte er “Tutti-frutti”, und da stand plötzlich ein riesengroßes vor sich hin rostendes Eisenungetüm im Museumsgarten. Und als kurze Zeit später der Bürgermeister kam und für die neue Stadthalle eine würdige Plastik wollte, da zauberte er ein scheußlich stelziges Schaukelgestell, das nun mit seinen Giraffenbeinen in der Landschaft steht. Als Möhrenzahl sich schnell hinzubaemte, sah er seinen dreisten Neffen stolz in der Höhe herumschaukeln.
Er hatte gerade in der neuesten Ausgabe der NW-Zauberbeilage, die jeden Freitag kommt, die Anzeigen über magische Television-Geräte studiert, per Funk eines bestellt und sofort benutzt. Und nur deshalb konnte er so schnell vor Ort die Ausgeburt seines ungeratenem Pflegekindes sehen.
Er konnte es nicht mehr ertragen. “Marsch”, sagte er, “verschwinde, ich schicke Dich in die Wüste!” Da riß Karl eine Seite vom Zauberbuches heraus, schnürte sein Bündel und machte sich traurig vondannen. Und so kam er in die wüste Wüste! Die Gegend war menschenleer und es gab nur Sand und Steine. “Ich werde Regen hexen, sonst kann man ja hier nicht leben”, dachte Karl. Und er sprach den Spruch. Aber …. er sagte, schusslich wie immer, nicht “Regen falle vom Himmel” sondern er drehte es um, und heraus kam “Neger falle vom Himmel”. Kaum hatte er das ausgesprochen, da purzelten Tausende kleine Mohren in den Sand.
Der neue Stamm wollte ihn gleich zum Medizinmann machen, aber er konnte weder Wetter ändern noch Wunden heilen, denn das Blatt aus dem Zauberbuch war nicht die Seite mit dem “W” gewesen, sondern die mit “C”, und damit ließ sich gar nichts anfangen. Doch als sich Karl auch noch als Denkmal eine große Schaukel bauen wollte, da haben ihn die Mohren mit Schimpf und Schande zum Teufel gejagt.
Möhrenzahl wohnt noch immer im Zauberweg. Er hat in seinem Garten ein paar Beete angelegt und verkauft jetzt seine Züchtungen als Bio-Möhren. Er macht damit gute Geschäfte. Tja, für seinen Unterhalt muß er schon sorgen, denn Geld zaubern kann er leider nicht..
Und neulich war Möhrenzahl doch um Mitternacht in der Milser Mühle und hat seinen selbstgepreßten Möhrensaft angeboten. Man müsste direkt mal hingehen und einen trinken.
Aber im Sommer will er seinen Vater Rübezahl besuchen und ihn fragen, ob er vielleicht eine Idee hat, wie man Karls Heldentaten wieder weghexen kann.
p.s. Ich entschuldige mich für meinen mangelnden Kunstsinn, bin eben doch von gestern.