Die Schweden in Bielefeld (eine Begegnung )

Titel Schweden in Bielefeld

Schwedenschanze Reiter Mann

Es war ein klarer, kalter Wintertag. Die Sonne strahlte vom Himmel und verzauberte die weite Landschaft in ein glitzendes, silbernes Märchenland. Ich hatte gehört, daß die Kulturförderung der Stadt für heute eine Wanderung über den Kammweg des Osning angesagt hatte. Geplant war eine Rast an der auf dem Bußberg stehenden Schutzhütte, die man Kaiser Friedrich III., dem sogenannten 99-Tage-Kaiser, gewidmet hatte, und die allgemein die “Schwedenschanze” genannt wurde. Die eigentlichen Schanzen sind die daneben liegenden früheren Wallanlagen, von deren Herkunft man nichts Näheres weiß. Nun, das schöne Wetter trieb mich hinaus, und da an der Hütte sogar ein Bratwurstgrill und ein Ausschank von Gühwein angesagt war, ließ ich es mir da oben, ich war immerhin in 300 Meter Höhe, auf einer Bank mit einer Wurst und dem heißen Trank gut gehen.

Auf einmal, ich traue meinen Augen nicht, kommt im flotten Trab ein schwedischer Korporal heran geritten. Herrje !! Der stammt ja noch aus dem Dreisigjährigen Krieg. Der Mann steigt ab, holt sich auch eine Bratwurst und setzt sich neben mich. Ich wollte ihn zu einem Becher Glühwein verführen und meinte freundlich: “Na, auch’n Tröpfchen Schwedentrunk, Du alter Schwede?” Da guckte er mich entsetzt an und ächzte: “He, wißte Ihr nicht, was Ihr damit sagt?” Und dann erzählte er mir:
Ja, es stimmt, ich war vor 375 Jahren schon einmal hier. Es war in dem großen Krieg, den man später den 30-Jährigen genannt hat. Wir belagerten die Sparrenburg. Diese war damals bei den sich streitenden Mächten recht beliebt. War sie doch eine der wenigen Festungen im Norden, die schon dem neuen Kanonenbeschuß standhielt. Der Geschützturm und die Rondelle waren mit Festungsmauern verbunden und eine Treppe führte zu den tiefer liegenden Kasematten. Waren zunächst Holländer die Herren der Burg, belagerten wir Schweden ein Jahr lang die Spanier, die sich als neue Besatzer dort oben breit gemacht hatten.

Schwedenschanze Belagerung

Und was glaubt Ihr, wie entsetzlich langweilig so eine öde Belagerung sein kann. Unsere Tage vergingen mit Saufen, Raufen und Fressen, und das nur kärglich, denn der Nachschub lief sehr zögernd. Gesindel und Landstreicher raubten die Kutschen aus, und auch viele der kriegsmüden Soldaten marodierten. Es gab Zeiten da ließen die preußischen Könige gern ihre Männer durch schwedische Korporale ausbilden, da diese einen hervorragenden Ruf hatten. Seit Gustav Adolfs Tod aber war die Disziplin der Truppen miserabel. Sie rissen den Bauern die Schinken aus dem Rauch und die Kälber von der Weide. Sie brandschatzten die Höfe, und sie schändeten die Mägde. Wie wahr der Spruch: “Der größte Feind der Bauern ist der Soldat!”
Auf ihrem Zug zur Sparrenburg hatten sie die durch eine Pestepidemie und alleweil stattfindende Hexenprozesse schon stark geschwächte Stadt Lemgo geplündert und die Hälfte aller Häuser zerstört.
Ich war befreundet mit dem Simpel, der auf der Burg mit Narrenkappe und Ziegenfell den Hanswurst spielte. Er mischte sich häufig unters Volk und schlich sich auch zu uns ins Lager, und so wußte ich gut Bescheid über die Pläne des Obristen und die Lage zwischen den Festungsmauern. Auch da gab es Meutereien.

Schwedenschanze Tor

Ich selbst hatte mir zu meiner Verlustierung eine dralle Magd aus Steinhagen zugelegt. Sie diente in dem alten Schabbehardt-Hof. Sie hatte harte Brüste und ein weiches Bett und fütterte mich immer mit schwarzem Brot. Sie bekam nach 9 Monaten einen Balg, den sie beim ersten Schrei heimlich im Brunnen ersäufte. Hatte ihre Mutter doch schon elf andere Münder zu stopfen, so daß es für einen weiteren nicht reichte.
Oft gesellte sich der Großknecht auch zu mir und goß mich voll mit einem teuflischen, vom ihm gebrannten Gesöff aus Wachholderbeeren, welches er anprieß als Heilmittel gegen Blasenschwäche und zur Stärkung der Männlichkeit. Der Erfolg war, daß mir in kurzer Zeit mein klarer Geist schwand und ich so manches ausplauderte, was dem Feind dienlich war. Ich ahnte ja nicht, daß dieser Kerl sich als Spitzel der Burg entpuppte. Er wurde von meinen Kameraden grausam bestraft. Sie banden ihn auf die herausgerissene Hoftür, steckten ihm einen großen Trichter in seinen Rachen und gossen ihm melkkübelweise eine Soße aus Jauche, Urin und Kot ins Maul. Dann legten sie auf seinen hochaufgeblähten Leib ein Brett und sprangen mit aller Kraft lustig darauf herum. So, und das ganze nannten sie dann “Schwedentrunk”. Nun weißt du, was das ist!
Mich schauderte vor Entsetzen über die damaligen Zustände und fragte zaghaft: “Ja, und warum seid Ihr nun eigentlich an den Schauplatz der Greuel zurückgekommen?” Der Korporal lachte: “Na ja, alles war ja doch nicht so übel. Etwa die Siegesfeier, die wir nach der endlichen Einnahme der Burg gefeiert haben. Mann, da gings vielleicht hoch her. Und ich habe gehört, daß neuerdings große Ausgabungen der alten Gemäuer gemacht werden, und da wollte ich gern mal schauen, was da noch zu sehen ist. Und Du wirst es nicht glauben, als ich in die unteren Kasematten kam, fand ich doch tatsächlich den Uniformknopf von meiner Jacke, der mir damals abgerissen worden war. Nun werde ich mal wieder nach Hause reiten.
Übrigens, mein Freund Simpel findet sich später in der Literatur als Simplucissimus wieder, der auch als “Jäger von Soest” durch die Geschichte geistert. Der kann noch ganz andere Sachen von damals erzählen.

Gerade wollte ich ihm noch zurufen: “Mach’s gut, alter Schwede”, ich sah mich nach allen Seiten um, aber, da war er plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Ob ich vielleicht doch ein paar Becher zuviel getrunken hatte ??? Ich glaube, meinen nächsten Glühwein genieße ich besser zu Weihnachten auf dem Alten Markt, und für die Heimfahrt sollte ich mir mal lieber ein Taxi rufen, sonst komme ich noch hinter Schwedische Gardinen.

schwedenschanze Rundblick

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