Der König von Olderdissen

Tierpark Olderdissen (webseite)

(Titelbild des Kinderbuches von Carmen Hochmann)

Olderdissen TitelSchon 2000 Jahre bevor Christus geboren wurde, hielt der Kaiser von China seltene Tiere in seinen Gärten. Später, so weiß man, hat der Pharao von Ägypten mit dem Herrscher von Assyrien eine Äffin und einen Flußmann, wahrscheinlich ein Krokodel oder eine Robbe, gegen Kamele getauscht . Und noch heute tauschen die berühmten, großen Zoos, etwa Hagenbeck in Hamburg oder Schönbrunn in Wien, Tiere zur Züchtung. Ein Zoo ist bei allen Leuten, besonders aber bei Kindern, sehr beliebt, und drollige Tierbabys, ich denke jetzt an den kleinen Eisbären Knut in Berlin, können weltbekannt werden und viel Geld einbringen.

Aber wir in Bielefeld haben auch einen Tierpark, klein, aber fein. Und in diesem gab es neulich einen großen Aufstand:

Die Enten, die Waschbären, die Esel und die Vogelschar und alle die vielen anderen Tiere waren in Aufruhr. Sie forderten einen König.
Sie meinten alle Gesellschaften haben einen Kaiser, einen Sultan, einen Mararadschah oder zumindest einen Präsidenten, nur die Tiergesellschaft in Olderdissen sei ohne Oberhaupt. Das sei ganz unzeitgemäß, sie wollten mitbestimmen, was im Tierpark los sei.

Nun gab es eine große Schwierigkeit, wer sollte ihr König sein?
Schließlich veeinbarten sie, jede Tierart solle in der Johannisnacht einen Sprecher zum Sattelmeierhof schicken, um darüber abzustimmen, wer wohl der Geeignetste für diesen ehrenvollen Posten sei. Die Eule, allerseits als weise bekannt, führte den Vorsitz. Natürlich wurde zuerst der Löwe vorgeschlagen, schon seit Jahrhunderten gilt er in der Fabel als König der Tiere. Damals hatte sich der wegen vieler Untaten angeklagte Reinecke Fuchs mit List zum Kanzler gemacht und seinen Gegner Isegrimm, den Wolf, übertölpelt. Aber Nobel, der Löwe, hatte alle im Griff.

Reineke Fuchs-Goethe-0(02)

Huldigung des Königs in Goethes “Reinecke Fuchs”.

Pech, in Olderdissen haben sie keinen Löwen, auch keine Tiger und keine Elefanten.

Wie wäre es denn mit dem Adler, der ist doch auch sehr majestätisch. Nun, der Adler hat verlauten lassen, er danke für die Ehre, aber er wäre schon viel zu viel als deutsches Wappentier beschäftigt. Weitere Posten wolle er nicht. Außerdem täten sich die Bewohner der Adlerwarte in Berlebeck schon dicke genug, da sei er nicht gewillt, in Konkurrenz aufzutreten.

adler Kopf

Und überhaupt sei er sehr beleidigt, daß er hier – als der König der Lüfte – in einem Käfig hausen müsse, anstatt in blauen Höhen auf Bergesgipfeln seinen Horst bauen zu können.

Aber wir haben doch auch Bären, ein besonderes Zugpferd bei den Besuchern. Nun, Mama Bär ist leider voriges Jahr gestorben, und Sohnemann Karlchen ist im Augenblick auf Brautschau , die seine Zeit voll in Anspruch nimmt. Was davon noch übrig bleibt, braucht er für seinen Auftritt auf der Dosenmilch. Ihr seht, er ist völlig ausgelastet. Ach ja, und Wappentier in Berlin ist er ja auch noch.
Na, das reicht.

Bär 2

Auch der Esel war vorgeschlagen worden.
Er sei eine famose Reklamefigur und besonders bei Kindern beliebt, die auf seinem Rücken durch das Gelände reiten dürfen. Der kam persönlich, war aber zu gehemmt, um selbst zu sprechen und hatte deshalb der Eule einen Zettel überreicht. Die las vor:

“Alle Leute würden lachen, möchte’ man mich zum König machen.
Bin ich doch als stur bekannt, und Herrscher seien fichelant.
Ich sag’ I-ja zu jedermann, weil ich doch “nein” nicht sagen kann.
Ich möcht’ auch weiter ganz bescheiden, als Esel auf der Wiese
weiden.”

esel 2

Der treue Lassy, der Vertreter aller Hunde und Wölfe, war von den Versen zu Tränen gerührt. Er selber wollte sich aber auch nicht um die Königsrolle bewerben, da er zu gehorsam und zu mitfühlend sei, und man mit diesen Eigenschaften nicht die nötige Härte zum Regieren hat.

Lassy

 

Von der Vogelpartei hatte sich plötzlich ein unbekannter Sprecher nach vorn gedrängt, um einen Kandidaten der Fischreiher vorzuschlagen. Doch er traf auf absolute Ablehnung. Es hieß: “Die unliebsamen Passagiere neben unserem Gehege sind doch Kriminelle. Die klauen ja seit Jahren den Bürgern unserer Stadt ihre geliebten Goldfische aus den Gartenteichen und fressen die teuren Koikarpfen auf. Nee, nee, die versauen unser ganzes Ansehen”.
Kois mit Reiher“”

Die Vertretung der Spitz-Haus-und Feldmäuse meinte. “Ach nein, einer von uns kommt nicht in Frage. Wir sind zu unbedeutend, wir eignen uns nicht für eine Symbolfigur.” Auch der Einwand, daß sie gerade, weil sie so unscheinbar seien, sich doch gut in alle Schichten einschummeln können, und so die allgemeine Volksmeinung aus erster Hand erfahren. Aber die Mäuse blieben bei ihrer Absage.

In einer Ecke saß ein putziges Trio. Das große Murmeltier lauschte aufmerksam, bereit Gefahren sofort zu melden. Das Faultier amüsierte sich köstlich, und der Siebenschläfer war am einpennen.

murmeltier Trio

Da erschien ein kleiner Waschbär mit frisch gewaschenem Oberhemd und sauberm Socken. Ein appetitliches Kerlchen. Aber es gab schwerwiegende Bedenken. Wenn Ehemänner sehen, wie billig man waschen kann, dann weigern sie sich am Ende noch, teure Waschmaschinen zu kaufen, sondern legen sich eine Waschbärengruppe zu.
Waschbären

Schließlich kam ein Wärter in die Versammlung hereingeplatzt.
“Was geht denn hier ab, seid Ihr übergeschnappt, warum seid ihr nicht in Euren Schlafplätzen. Hier herrscht Ordnung. Wäre ja noch schöner, wenn hier jeder macht, was er will. Wer hat dann hier das Geld für Euer Futter, wer sorgt sich um Euch, wenn einer krank ist. Überlaßt die Führung lieber uns. Ihr seid noch nicht reif für Demokratie.

Vielfraße

Da hörten sie plötzlich Hungergeschrei. Es kam aus dem Gehege der Vielfraße. Man hatte bei dem ganzen Durcheinander tatsächlich vergessen, sie zu füttern. “Siehste”, sagte da die weise Eule, “wäre doch ganz gut, wenn noch einer von uns auch etwas zu sagen hätte.” Und so suchten sie weiter nach einem König.

Eule mit Wärter

Am Ende war das Chaos groß.
Wo kriegen wir nen König bloß?
Ich hab das Dilemma den Kindern erzählt,
die haben spontan den Lumpi gewählt.
Ich sagte: “Das geht nicht, der ist kein Tier,
Olderdissen ist nicht Lumpis Revier.”
“Doch,” war die Antwort, “er macht viel Mist,
weil er ein großer Hornochse ist.”
Zum Glück hat das Lumpi nicht “mitgekricht”,
beleidigt ginge er sonst vor Gericht.
Tja, nun hab ich mit einem Mal
auch offensichtlich die Qual der Wahl.
Ist’s nun ein Märchen, was ich berichte,
oder ist’s ‘ne Lumpi-Geschichte?

Ochsenlumpi

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